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Führung in Krisen: Warum wir in Zeiten größter Herausforderungen auf externe Unterstützung setzen sollten

Schwierige Zeiten – davon hatten wir so einige in den vergangenen Jahren. Im Grunde jagt eine Herausforderung die nächste. Nachdem wir uns langsam an die Bedingungen der Pandemie gewöhnt hatten, ließ die nächste Krise in Form des Angriffs Russlands auf die Ukraine mit all ihren Auswirkungen nicht lang auf sich warten. Unter diesem Begriff sollten wir jedoch auch Unternehmensprozesse wie bespielsweise Insolvenzen oder auch bewusst herbeigeführte Fusionen verstehen.

Wir werden manchmal in Veränderungen hineingedrängt, die wir eigentlich nicht haben möchten. Und Führungskräfte? Die stehen immer wieder vor neuen, oft komplexen Problemstellungen, die ihnen in Zeiten eigener Verunsicherung größtmögliche Ruhe und Besonnenheit abverlangen.

Führungsthemen, die sich bisher noch unter dem Radar durch den Alltag haben schieben lassen, werden plötzlich sichtbar. Versäumte Klarheit in der Kommunikation rächt sich nun in Form größter Verunsicherung und Demotivation auf Seiten der Mitarbeiter·innen. Permanent müssen Entscheidungen von teilweise großer Tragweite getroffen oder auch mitgetragen werden – ohne dass die führenden Köpfe des Unternehmens selbst sicher sein können, welche Auswirkungen ihr Handeln im Gesamtkontext der krisenhaften Situation haben wird.

Nicht nur das Mittelmanagement steht, neuronal betrachtet, mit einem abgebrochenen Speer vor dem sinnbildlichen Säbelzahntiger und versucht irgendwie, einen Überblick über die Angriffs- und Fluchtchancen zu erhalten. Auch die höchsten Instanzen im Organigramm befinden sich nicht selten den ganzen Tag über in einem Dauerzustand des reflexhaften Entscheidens und Handelns, basierend auf ihren bisherigen Erfahrungen, ihrer Entscheidungsfreude und sehr viel Adrenalin. Kontrolle und Planbarkeit wieder herstellen ist angesagt, sich ergebende Chancen nutzen und clever umschwenken**.** Aber auch ein drohendes Scheitern möglichst früh erkennen und abwenden**.**

Wie Sicherheit geben, wenn man sich selbst gerade so unsicher fühlt?

Während die Ressourcen im Unternehmen knapper und die Zukunftsängste der Mitarbeiter·innen größer werden, sollen Führungskräfte mehr denn je funktionieren und ihre Teams zu Höchstleistungen motivieren. Eigene Gefühle des Überwältigt- und Überfordertseins müssen der zeitgleich wachsenden Anspannung in den obersten Etagen des Unternehmens nicht nur standhalten**.** Es ist im Grunde nicht daran zu denken, gerade in so einer Phase auch noch die eigene Verunsicherung oder auch Hilflosigkeit nach links, rechts oder gar oben zu kommunizieren. Zumal ja oft der Rotstift in diesen Phasen stets griffbereit liegt und man dem Gegenüber keinen Anlass geben möchte, an der eigenen Hands-on-Mentalität zu zweifeln.

Die völlig angstfrei und dauerfröhlich erscheinenden Freeclimber unter den Topmanager·innen propagieren fast verständnislos jede noch so komplexe und schwierige Situation als großartig: „Probleme exisiteren nicht. Es bieten sich nur neue Chancen, die wir nutzen dürfen!“ Die eher fürsorglichen und vorausschauenden Führungskräfte wiederum mühen sich ab, ihren Mitarbeiter·innen gegenüber ansatzweise Sicherheit und Beständigkeit auszustrahlen, wo de facto weder das eine noch das andere in Sicht ist.

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Leadership-Assistance-Programme sind wahrlich kein Allheilmittel für jede Prozessungenauigkeit und jede situative Fehlentscheidung auf der Führungsebene. Allerdings sind sie insbesondere in Krisenzeiten sehr gut geeignet, Führungskräfte fokussiert fachlich und auch motivational darin zu unterstützen**,** sich auf die veränderten Ansprüche in Bezug auf ihre Führungsrolle einlassen zu können. Die gestiegenen und erschwerten Anforderungen lassen sich mit einem vertraulichen Sparringspartner geordneter und mit mehr Selbstvertrauen bewältigen**.** Und zwar unabhängig davon, wie hoch der persönliche emotionale Stresspegel bei der Führungskraft sein mag – sowohl zu viel als auch zu wenig Betroffenheit kann unerwünschte Nebenwirkungen erzeugen.

Geschützte Beziehung in ungeschützten Zeiten

Insbesondere im Mittelstand, wo aufgrund der überschaubaren Rahmenbedingen oft zwischen den Consultants und ihren Kunden über die Zeit hinweg verlässliche Vertrauensverhältnisse entstehen, beweisen solche Interim-Aufträge ihren immensen Nutzen. Gerade in Phasen großer Komplexität und Unsicherheit. Die Consultants sind flexibel, niedrigschwellig und vertraulich erreichbar. Zudem sind sie zusätzlich regelmäßig persönlich vor Ort. Physische Anwesenheit hilft durchaus, die Stabilität und Beständigkeit der persönlichen Beziehung zu unterstreichen. Nach dem Motto: Auch, wenn sich gerade vieles verändert, unsere Zusammenarbeit bleibt bestehen. Wir bleiben immer in verlässlichem Sichtkontakt.

Consultants, insbesondere in motivbasierten Leadership-Assistance-Programmen, sollten fachlich in der Lage sein, auch mit situativ schwerwiegenderen psychischen Belastungssituationen ihrer Kund·innen versiert umzugehen. Es ist eine nicht zu unterschätzende Qualität**,** Führungskräfte unter Berücksichtigung ihrer intrinsischen Motivstrukturen in Krisenzeiten gelassen durch die persönlich und fachlich beizeiten überfordernden Phasen des Funktionierenmüssens hindurchzumanövrieren – ohne dabei den übergeordneten Auftrag aus dem Blick zu verlieren.

Die eigenen Motive und die der anderen – in Krisenzeiten wichtiger denn je

Menschen gehen sehr unterschiedlich mit ihren Gefühlen und Eindrücken des Stresses, der Angst oder der Frustration um. Der eine zieht sich in Phasen des Drucks und der Verunsicherung immer weiter in sich zurück, während ein anderer bei der kleinsten Veranlassung ausflippt und laut wird. Da sind jene Menschen, die Krisen fast zu lieben scheinen, jedoch dann den Blick für ihre womöglich völlig anders gestrickten Mitarbeiter·innen zu verlieren drohen, weil ihnen das Verständnis für deren Ängste fehlt. Und da sind die Führungskräfte, die versuchen, Krisen ausszusitzen, indem sie im Grunde still und leise die Kooperation einstellen.

Nicht selten hat das zur Folge, dass ganze Abteilungen im Prozess zunehmend hinterher hinken. Es lassen sich auch immer wieder Bewältigungsreflexe der starken Überstrukturierung beobachten, ebenso wie das heillose Versinken in absolutem Chaos. Einige Unternehmer·innen verhalten sich, je größer die Krise ist, immer risikoreicher, während andere komplett jede finanzielle Investition einstellen, so notwendig sie auch sei. Und so ungünstig das auch von außen betrachtet erscheinen mag: alles zwischen „scharf angreifen“ und „tot stellen“ ereilt uns emotional, wenn wir vor oder mitten in einer großen Herausforderung stehen. Das gilt im übrigen generell, nicht nur im Beruf.

Naheliegend, dass es ungemein hilfreich für die Consultants ist, die intrinsischen Motive der Führungskräfte, die sie begleiten, gut und differenziert zu kennen. Denn was jeden Menschen in gleicher Weise trifft: die eigenen Motive verstärken sich massiv, begleitet von einem Anstieg der entsprechenden Hormone, wenn wir uns in irgendeiner Form krisenhafter Situationen befinden. Auch – um einmal individualisierter zu denken – ein Todesfall, eine Scheidung oder gar ein persönlich sehr wichtiger sportlicher Wettkampf könnten Veranlassung geben, im beruflichen Kontext in einen Krisenmodus zu geraten.

Ein vertraulicher Raum frei von Druck

Motivbasierte Leadership-Assistance im Unternehmen schafft einen vertraulichen Raum, in dem frei von Leistungs- und Bewertungsdruck an der Selbststeuerung**,** an den in Krisen oft vermehrt spürbaren Belastungsmarkern und den Führungsaufgaben unter Berücksichtigung eigener Motivstrukturen gearbeitet werden kann. Sie ermöglicht sowohl eine signifikante Steigerung der Rollenprofessionalität unter persönlich herausfordernden Bedingungen als auch das entlastende Grundgefühl**,** nicht immer alle Probleme des Führungsalltags allein lösen zu müssen. Erst recht dann, wenn eine Krise die Probleme komplexer und die Aufgaben risikobehafteter erscheinen lässt.

Was haltet ihr von Leadership-Assistance-Programmen, und welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

Anna Faghir Afghani schreibt über Job & Karriere, Motivbasierte Führung, High Potentials, Psychologisches Profiling

👋 Moin! Ich bin Anna, systemischer Consultant, Coach und Trainerin für Führungskräfte und High Potentials mit über 20 Jahren Erfahrung im Führungsmanagement und in der strategischen Potenzialentwicklung von Talenten in Sport, Kultur und Wirtschaft. ✍️

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