Führungskräfte: Diese 30 Top-Talente könnten die deutsche Wirtschaft verändern
Aus dem Handelsblatt-Archiv: Diese jungen Topmanager haben das Potenzial, Deutschlands Wirtschaft in die Zukunft zu führen. Sie setzen auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation – und ihr Team.
Düsseldorf. Der Fachkräftemangel hat auch die Managementebene erreicht. Zahlen der Personalmarktforschung Index zeigen: Von Januar bis September wurde ein Drittel mehr Stellen für Führungskräfte ausgeschrieben als im Vorjahreszeitraum.
Gleichzeitig können sich laut der Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) nur 14 Prozent aller Arbeitnehmer vorstellen, in den kommenden Jahren Manager zu werden. Die Prioritäten haben sich, getrieben durch die Coronapandemie und andere Krisen unserer Zeit, deutlich verschoben.
Das Handelsblatt hat deshalb gesucht – und gefunden: 30 Topkandidaten für den Aufstieg in die erste Führungsreihe der deutschen Wirtschaft. Wer sind sie? Was treibt sie an?
Sie sind nicht älter als Mitte 40, divers und haben schon verschiedene Posten und Stationen durchlaufen, im In- und Ausland, in Funktions- und Stabstellen, und haben sich häufig in Zukunftsfeldern wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit bewiesen. Sie sind eher Teamplayer als Einzelkämpfer.
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Wer von diesen 30-Topmanagern wird es noch weiter nach oben schaffen?
1. Tarek Müller, About You
Der About-You-Mitgründer gründete schon mit 15 Jahren seine ersten Online-Shops, sammelte so schon als Jugendlicher Erfahrungen als Unternehmer. Später leitete er die Digitalagentur Netimpact Framework mit rund 70 Mitarbeitern, die 2013 von der Handelsgruppe Otto übernommen wurde.
Nur ein Jahr später startete Tarek Müller dann den Online-Modehändler About You in Hamburg, der sich an ein besonders junges Publikum richtet und bei Influencern beliebt ist. Mittlerweile ist der Zalando-Konkurrent in 26 Ländern aktiv und feierte im vergangenen Jahr sein Börsendebüt in Frankfurt. Der Jahresumsatz liegt inzwischen bei rund zwei Milliarden Euro.
Nach Jahren des Wachstums will der 34-Jährige die Firma nun profitabel machen. Spätestens im Geschäftsjahr zu Ende Februar 2024 soll About You Gewinn machen.
Neben About You widmet sich Tarek Müller aber auch anderen Themen. Der gebürtige Hamburger steht hinter der Non-Profit-Organisation 105 Viertel, die den Aufbau und Betrieb von Kulturzentren, die Entwicklung von Veranstaltungsformaten sowie Kunstprojekte in seiner Heimatstadt fördert.
Darüber hinaus ist Müller als Investor und Business-Angel aktiv, hält derzeit mehr als 15 Firmenbeteiligungen und hat zusammen mit seinem About-You-Mitgründer Sebastian Betz die Entwicklerkonferenz code.talks in Hamburg ins Leben gerufen. Sie gilt mittlerweile als größte Entwicklerkonferenz Europas.
2. Karin Rådström, Daimler Truck
An der Aufgabe, Daimler Truck in Europa und Lateinamerika nachhaltig profitabel zu machen, sind schon viele Manager gescheitert. Seit gut 22 Monaten versucht nun Karin Radström, die Problemsparte des weltgrößten Herstellers von schweren Sattelschleppern zu sanieren.
Und die zwölffache schwedische Rudermeisterin kann erste Erfolge vorweisen. Nach drei Quartalen fällt der um Sondereffekte bereinigte Betriebsgewinn der Division mit 1,3 Milliarden Euro höher aus als die addierten Ergebnisse der vergangenen vier Jahre.
Die Marktanteile von Mercedes-Benz Lkw in der EU hat Radström von 19,1 auf 20,4 Prozent verbessert. Die adjustierte Umsatzrendite liegt mit 9,3 Prozent doppelt so hoch wie im Vorjahr.
Die Zielmarge von zehn Prozent ist damit drei Jahre früher als geplant in greifbarer Nähe. Somit hat Radström gute Chancen, Martin Daum als CEO von Daimler Truck zu beerben. Dessen Vertrag läuft bis 2025.
Dabei hatte Radström eigentlich andere Karrierepläne – schließlich ist sie in Södertalje aufgewachsen, der Heimat von Scania. Bei dem schwedischen Nutzfahrzeugriesen startete sie als Trainee nach dem Studium (Master of Engineering), lernte dort Lkw fahren, verantwortete das Busgeschäft, sammelte in Kenia Auslandserfahrung und war bis 2020 für den globalen Vertrieb verantwortlich.
Dann kam ein Anruf von einem Headhunter. Ob sie zu Daimler Truck nach Deutschland wechseln wolle – als einzige Frau neben sieben Männern im Vorstand. Radström war zunächst nicht begeistert, unterschrieb aber letztlich. Die Aufgabe reizte sie einfach. Seither agiert Radström nicht zimperlich, und äußerst erfolgreich.
3. Sopna Sury, Hydrogen at RWE Generation
Die Ökonomin hat sich mit der Leitung der Wasserstoffsparte von RWE Generation eines der größten Zukunftsthemen in der deutschen Wirtschaft überhaupt gesichert. Seit anderthalb Jahren verantwortet Sopna Sury die Ausgestaltung und Umsetzung der Wasserstoffstrategie des Energiekonzerns und sitzt seit Neuestem noch im Aufsichtsrat des Baustoffherstellers Heidelberg Cement. Es ist das erstes Mandat der 48-Jährigen.
Ihr Manager-Handwerk lernte Sury als Beraterin bei McKinsey. Seit knapp zehn Jahren ist sie nun aber schon in der Energiebranche aktiv – in unterschiedlichsten Rollen zuerst bei Eon, Uniper und nun bei RWE. Als Wasserstoff-Chefin hat Sury derzeit mindestens 30 Projekte auf dem Tisch und rund 50 Leute in ihrem Team. Tendenz steigend.
Die gebürtige Neusserin mit indischen Wurzeln gilt als Expertin auf dem noch kleinen Gebiet der Wasserstoffwirtschaft, das in Zukunft eine tragende Säule in der neuen Energiewelt werden soll. Erfahrungswerte gibt es erst wenige.
Ihr aktuelles Leuchtturmprojekt heißt „Get H2“. In diesem geht es darum, von Lingen im Emsland ausgehend eine Wasserstoff-Infrastruktur für Energie, Industrie, Verkehr und Wärme aufzubauen. Neben RWE sind an dem Vorhaben auch der britische Ölkonzern BP und der Spezialchemiekonzern Evonik beteiligt. Die 300 Megawatt starke Elektrolyseanlage soll den ersten grünen Wasserstoff für RWE produzieren.
Die Testanlage ist auch für Sury selbst ein wichtiges Projekt. Managt sie es erfolgreich, dürfte ihr Aufstieg mehr oder weniger geradlinig weitergehen.
4. Vanessa Stützle, LUQOM Group
Ausgerechnet mitten in der Pandemie fiel Douglas-Chefin Tina Müller im Mai 2020 nach einer Notoperation für mehrere Wochen aus. Von einem Tag auf den anderen musste die damalige E-Commerce-Chefin Vanessa Stützle zusammen mit Finanzchef Matthias Born kommissarisch die Leitung von Douglas übernehmen.
Stützle machte das offenbar so gut, dass Müller von ihr in höchsten Tönen schwärmte. Nun ist die 44-Jährige selbst CEO – bei Luqom, einem Onlinehändler für Leuchten und Smart-Home-Produkte mit 350 Millionen Euro Umsatz und einer Wachstumsrate von zuletzt mehr als 50 Prozent. Peter Wirtz, Beiratsvorsitzender von Luqom und Co-Head of Private Equity bei 3i, ist überzeugt, dass Stützle „das Unternehmen erfolgreich in die nächste Wachstumsphase führen wird“.
Zugute kommt ihr dabei in erster Linie ihre Erfahrung mit digitalen Geschäftsmodellen. Vor ihrer Zeit bei Douglas leitete sie das E-Commerce-Marketing von Esprit, danach war sie Chief Digital Officer bei s.Oliver. Doch ihr Fokus ist breiter: Nach ihrem BWL-Studium startete sie in einem Beratungsunternehmen. Ihr Credo ist „lifelong learning“ – also ständig Neues zu lernen.
Weggefährten beschreiben sie als Teamplayerin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern großen Spielraum gibt, aber auch immer wieder in Details einsteigt, wenn sie es für nötig hält. Sich selbst bezeichnet sie als „notorische Überzeugungstäterin“, die Mitstreiter mit Argumenten und Emotion hinter eine Sache bringen will.
Ihre nächste große neue Erfahrung könnte ein Börsengang mit Luqom werden. Und das könnte ihr die Tür aufstoßen für einen Job auf der ganz großen Bühne.
5. Zeliha Hanning, Württembergische Versicherung
Seit Januar 2021 ist Zeliha Hanning die Vorstandsvorsitzende der Württembergischen Versicherung und damit eine der wenigen Frauen auf dem Chefsessel eines Versicherers. Ihr Aufstieg irritierte erst einige im Unternehmen: eine Frau, so jung?
Doch die 43-Jährige überzeugte. Inzwischen ist sie im Konzern hochangesehen. Branchenkenner sagen, dass vor allem auch die alteingesessenen Vertriebler sie sehr schätzen. Die Versicherungsfachwirtin und Betriebsökonomin hat ihre Wurzeln im Vertrieb und sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet: Ab 2000 war sie im Konzern unter anderem als Kunden- und Fachberaterin sowie als Vertriebsleiterin tätig.
Des Weiteren hatte sie Leitungsfunktionen in der Produktstrategie, in der Organisation und IT-Steuerung sowie in der Projektentwicklung inne. Dadurch hat sie einen breiten Überblick über das Versicherungsgeschäft gewonnen.
Wegbegleiter beschreiben sie als bodenständige Person, die auch einen intensiven Austausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern pflege. Sie sei zielstrebig, pragmatisch und scheue sich nicht, Entscheidungen zu treffen.
6. Johannes Rath, Signal Iduna
Die Unterschiede hätten größer nicht sein können. Über ein Jahrhundert prägte das Image der Handwerker-Versicherung die Signal Iduna. Seit 2018 wird aber in Tribes, Squads und Chaptern gedacht. Der Mann, der für die neuen Formen der Zusammenarbeit bei dem Versicherer verantwortlich ist, heißt Johannes Rath.
Anders als bei manchen Wettbewerbern, wo die neue Arbeitswelt noch weitgehend einer Versuchsgruppe gleicht, hat sich flexibles und unternehmerisches Arbeiten bei Signal-Iduna in der Breite durchgesetzt. Rund 1600 der 7000 Mitarbeiter in den Zentralen in Dortmund und Hamburg arbeiten in agilen Strukturen.
Johannes Rath leitet diese Transformation nicht nur, der 39-Jährige lebt sie auch. Statt Projekte bis ins Detail von oben vorzugeben, agieren kleine Teams aus unterschiedlichen Bereichen wie Mini-Start-ups. Im Mittelpunkt der Projekte steht der Kunde. Herausgekommen ist dabei unter anderem die App „Meine Signal Iduna“, die es in den Downloadzahlen mit denen der weit größeren Konkurrenz aufnehmen kann.
Dabei hilft der enge Kontakt, den Rath zur Start-up-Szene hält. Über die Marke Signals Invest, die er gegründet und aufgebaut hat, ist Signal Iduna an mehr als einem Dutzend Start-ups beteiligt.
Im Sommer ist Rath in den Vorstand der Signal Iduna aufgerückt und dort seitdem für das neu geschaffene Ressort Service, Kundenzufriedenheit und Transformation verantwortlich. Dass der Aufstieg des Managers in einiger Zeit weitergehen kann, erachten Insider als mehr als wahrscheinlich.
7. Oliver Thöne, Mercedes
In Großkonzernen wie Mercedes-Benz leiden viele aufstrebende Führungskräfte unter vorauseilendem Gehorsam und einem Hang zur Selbstüberschätzung. Oliver Thöne, Leiter der weltweiten Produktionsplanung bei dem Autobauer, ist hier eine Ausnahme. Der 38-Jährige widerspricht den acht Vorständen schon mal, anstatt ihnen nach dem Mund zu reden. „Er traut sich was und hat verdammt gute Argumente parat“, lobt ein Topmanager von Mercedes.
Zugleich trete Thöne stets respektvoll auf und kenne seine Grenzen. Der Betriebswirt maßt sich nicht an, die Ingenieure in seinem Team mit technischen Details zu belehren. Thöne achtet vielmehr auf die großen Linien: Kostendisziplin, stringente Strategie und eine motivierte Truppe.
Wenn jemand das Potenzial habe, irgendwann in den Vorstand von Mercedes einzuziehen, dann Thöne, heißt es unisono aus Konzernkreisen. Der Manager startete 2004 bei den Schwaben im Finanzressort. In der Finanzkrise wechselte Thöne zur Lkw-Sparte Daimler Truck. 2011 ging es zurück in die Pkw-Welt. Als Assistent von Frank Lindenberg, damals Finanzchef von Mercedes und heute Aufsichtsrat beim US-Rivalen Lucid, erlangte Thöne tiefe Einblicke in die Funktionsweise des Industriekolosses.
Später übernahm er das Erlöscontrolling für wichtige Märkte wie Südkorea. Sein Meisterstück lieferte er 2020 ab. Als strategischer Projektleiter der S-Klasse sorgte der Manager dafür, dass die neueste Version der Luxuslimousine rechtzeitig fertig wurde und im veranschlagten Budget blieb.
Dank dieses „S-Klasse-Effekts“ katapultierte sich Mercedes aus der Coronakrise. Thöne wurde befördert. Als Teil des obersten Managerzirkels unterhalb des Vorstands verantwortet er nun die Produktionsplanung von mehr als 40 Modellen in mehr als 30 Fabriken. Rund 2200 Mitarbeiter arbeiten ihm zu. Sein nächstes Ziel: Thöne will alle Werke digital replizieren, um Produktanläufe effizienter gestalten zu können.
8. Jan Kemper, N26
Eigentlich hatte Jan Kemper der Finanzindustrie schon den Rücken gekehrt. Nachdem der studierte Betriebswirt in den 2000er-Jahren im Investmentbanking bei Morgan Stanley und der Credit Suisse gearbeitet hatte, sah er für sich keine Zukunft in der Branche. „Es gab keinen Wandel“, sagt er rückblickend.
Als Finanzvorstand baute er anschließend unter anderem den Onlineversandhändler Zalando mit auf und begleitete ihn mit an die Börse. Danach wurde er CFO beim Dax-Konzern Pro Sieben Sat 1.
Doch den heute 42-Jährigen ließen seine Ursprünge nicht los, denn der gewünschte Wandel in der Finanzbranche wurde in der Zwischenzeit eingeleitet. Im vergangenen Jahr heuerte er deshalb bei der Berliner Smartphonebank N26 an, erst in der Rolle als CFO, heute ist er parallel auch Organisationsvorstand.
„Es fühlt sich an wie eine Rückkehr“, sagt er mit Blick auf seine Karriereanfänge. Aktuell sei er mit N26 ein Herausforderer der etablierten Akteure.
„Das ist es, was mich reizt“, sagt Kemper, und weiter: „Ich interpretiere meine Position als CFO und COO nicht als Erbsenzähler, sondern fühle mich als Co-Pilot mit wichtiger operativer Verantwortung.“ Seine Berufserfahrung spricht für höhere Aufgaben, möglicherweise hat er sich aber noch ein weiteres Ziel gesetzt: Auch N26 an die Börse zu begleiten.
9. Julian Fieres, ZF
Vom Autowäscher zum Topmanager: Sein erstes Geld verdiente Julian Fieres als Teenager in der elterlichen Kfz-Werkstatt. Er reinigte die Autos. Inzwischen ist der 33-Jährige im Topmanagement von ZF angekommen. Er ist Head of Strategy, Transformation and Sustainability und damit maßgeblich daran beteiligt, dass der zweitgrößte deutsche Autozulieferer beim Wettlauf in der Transformation zur Elektromobilität Zeit gegenüber dem noch größeren Konkurrenten Bosch aufholt.
Er war im Team, das die traditionsreiche Getriebesparte rasch mit der Elektroantriebs-Abteilung zu einer Sparte verschmolz. Fieres hat auch dazu beigetragen, dass ZF seine Werke auf E-Mobilität so ausgerichtet hat, dass das hohe Auftragsvolumen von 25 Milliarden Euro auch abgearbeitet werden kann.
Beim American Football hat sich der gebürtige Frankfurter mal einen Nackenwirbel gebrochen, und auch mit einem Start-up ist er schon einmal gescheitert – und damit gezeigt, dass er auch Rückschläge wegsteckt.
10. Frauke von Polier, Viessmann
Was machen Transformationen mit den Menschen? Diese Frage stellte sich Frauke von Polier immer wieder in ihrer Karriere, die sie vor bald zwei Jahren als Personalvorständin zum Heizungs- und Klimaspezialisten Viessmann geführt hat.
Bis dahin hat Polier einen bewegten Weg hinter sich gebracht: Mit einer dualen Ausbildung startete sie bei Hugo Boss. Ihre Neugier war groß, und die Chance, in Madrid für den Modehersteller zu arbeiten, reizte sie – ebenso wie der MBA dort. Seitdem spricht sie nicht nur ihre Muttersprache und Englisch perfekt, sondern auch Spanisch.
Weitere Stationen bei Bertelsmann, Otto und später bei SAP folgten. In den sieben Jahren, in denen sie beim Versandhändler Zalando das Personal verantwortete, stieg die Mitarbeiterzahl bei dem Modeportal von 250 auf 14.000. Erst vor wenigen Wochen wurde Polier vom „Personalmagazin“ zur Personalvorständin des Jahres gewählt.
Als sie zur Geburt ihres zweiten Kindes ein Sabbatical nahm, beriet sie in der anschließenden Zeit als externe Expertin bei McKinsey große Konzerne bei der Digitalisierung und in Personal- und Organisationsfragen. „Es geht um die Grundhaltung“, sagt die Wahl-Berlinerin, die ihre Kraft auch aus der Gemeinschaft der evangelischen Kirche zieht und eine ukrainische Mutter mit zwei Kindern aufgenommen hat.
„Die Mitarbeitenden wollen einen Impact bei ihrer Arbeit haben, gestalten können, und da gehört viel Selbstverantwortung dazu, das braucht neue Strukturen“, ist Polier überzeugt. An aktuellen, großen Aufgaben zu arbeiten reizt sie beim Familienunternehmen Viessmann, „weil ich gerade nichts lieber machen würde, als ein aktiver Teil der Energiewende zu sein“.
11. Carsten Coesfeld, Bertelsmann
Carsten Coesfeld einen Schub bekommen: Er ist nun Chef von Bertelsmann Investments, dem Venture-Capital-Arm von Europas zweitgrößtem Medienkonzern. Für Bertelsmann ist das ein strategisch wichtiger Bereich.
Der 35-Jährige verantwortet das weltweite Fondsnetzwerk mit über 300 Beteiligungen an innovativen Firmen und soll künftige Geschäftsfelder erschließen und aufbauen. Dabei will er sich zunächst auf den Bereich digitale Gesundheit fokussieren – „ein Wachstumsmarkt“, wie Coesfeld sagt.
Für den Nachwuchsmanager ist das eine Bewährungsprobe. Am Firmensitz in Gütersloh gilt er als ein möglicher Kandidat für den Posten des Firmenchefs. Der Vertrag des aktuellen CEO Thomas Rabe läuft 2026 aus. Er sagt: „In seinen bisherigen Führungspositionen hat Carsten Coesfeld bestehende Geschäfte zu mehr Wachstum und höherer Profitabilität geführt.“
Im Konzern startete Coesfeld 2011 als Assistent des CEO, absolvierte danach Stationen in mehreren Sparten des Familienunternehmens. Zuletzt richtete er den Sachbuchverlag Dorling Kindersley digitaler aus, was dort zu Rekordergebnissen führte. Auch bei seinen anderen Stationen stellte Coesfeld die Geschäfte wachstumsstärker auf.
Helfen dürfte ihm auch seine Herkunft: Coesfeld ist Enkel des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn, unter dem sich Bertelsmann zu einem internationalen Konzern entwickelte. Auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Thomas Coesfeld ist als Finanzchef der Bertelsmann-Musiksparte BMG auf einer Position, die ihn für Höheres qualifiziert.
12. Katja de la Viña, Allianz Lebensversicherung
Die Karriere von Katja de la Vina hätte auch in anderen Bahnen verlaufen können als an die Spitze der Allianz Lebensversicherung. Die 42-Jährige, die in Mannheim BWL studiert hat, besitzt auch ein Examen als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin. Über Stationen bei KPMG und Pricewaterhouse-Coopers kam sie 2016 zur Allianz. Der Aufstieg dort ging schnell.
Nach dem Einstieg in der globalen Risikobetrachtung übernahm sie 2019 das Finanzressort am deutschen Markt. Seit diesem Jahr steht sie an der Spitze der Allianz Leben in Stuttgart, die traditionell zu den wichtigen Einheiten im Haus gehört. Der Schritt entspricht dem Karriereschema, das vielerorts bei der Allianz zu finden ist.
Talente wechseln häufig die Position, oft gerade dahin, wo sie bisher nur wenig Erfahrung gesammelt haben. Die Bewährungsprobe für den weiteren Aufstieg besteht für de la Vina in der Lebensversicherung nun darin, die richtige Strategie in Zeiten von Zinswende und Inflation zu finden.
13. Sara Hennicken, Fresenius
Wenn es knifflig wird, man um die Ecke denken muss, um eine Lösung für ein Problem zu finden, dann fühlt sich Sara Hennicken in ihrem Element. Die 42-Jährige führt seit September das Finanzressort von Fresenius und ist damit derzeit die jüngste CFO im Dax.
Zuvor hat sie bei dem Gesundheitskonzern die Unternehmensfinanzierung (Global Treasury und Corporate Finance) reorganisiert, stärker digitalisiert und enger mit der Dialysetochter Fresenius Medical Care verzahnt.
Nach dem Master in Ökonomie hat sie 15 Jahre lang im Investmentbanking von Citibank und Deutscher Bank gearbeitet – in verschiedenen Führungspositionen. Sie gilt als sehr intelligent, kenntnisreich und sozial kompetent.
Strategien entwickelt sie gern in diversen Teams mit Mitarbeitern unterschiedlicher Fähigkeiten. Ihre große Aufgabe bei Fresenius ist es, mit dem Vorstandsteam um CEO Michael Sen den Konzern neu aufzusetzen, damit er wieder profitabel wächst und die Schulden abbaut.
14. Konstantina Kanellopoulos, Vonovia
Konstantina Kanellopoulos kann sich noch gut an ihre Anfänge bei Deutschlands größtem Wohnungsbaukonzern Vonovia vor neun Jahren erinnern. „Ich wurde damit beauftragt, neue Geschäftsfelder rund um das Thema Wohnen zu entwickeln“, erzählt sie rückblickend. Heute ist es die 40-Jährige längst selbst, die Aufträge an Mitarbeiter verteilt.
Die Deutsch-Griechin, die ihren Abschluss 2006 als Diplom-Kauffrau an der Universität im westfälischen Münster machte, ist im Januar zur Co-Chief Executive Officer der wichtigen Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen aufgestiegen.
Zudem sammelt sie an einer Schaltstelle des Konzerns Erfahrung: Seit 2019 ist sie auch Generalbevollmächtigte. Diese Mischung könnte sie intern noch für höhere Aufgaben qualifizieren. Zumal im fünfköpfigen Konzernvorstand der Bochumer mit Helene von Roeder bisher nur eine einzige Frau sitzt.
15. Christian Remy, Edeka
Alle seine bisherigen Arbeitgeber sind erste Adressen im Einzelhandel: Aldi Süd, Rewe Group, Müller Drogerie, Edeka. Seit Anfang September verantwortet der erst 34-jährige Christian Remy die Finanzen der Edeka Regionalgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen mit einem Umsatz von fast fünf Milliarden Euro.
Dafür ist er fachlich bestens gerüstet: Nach seinem Master in Internationalem Steuerrecht und einem Jahr bei der Finanzverwaltung NRW hat er sich rasch hochgearbeitet – vom Fachmann für Steuerrecht bei Aldi zum Funktionsbereichsleiter Konzernsteuern bei Rewe.
Drogerieunternehmer Erwin Müller erkannte Remys großes Potenzial und machte ihn nicht nur zum Finanzchef seines Konzerns, sondern übergab ihm nach kurzer Zeit zusätzlich eine besondere Vertrauensposition: Remy wurde Vorstand der Stiftung, die einen Großteil des Vermögens des Milliardärs verwaltet.
Seine Stärken sind seine Zielstrebigkeit und seine Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen. Deshalb trauen ihm Wegbegleiter zu, dass er noch einige Karrierestufen erklimmt – innerhalb oder auch außerhalb des Einzelhandels.
16. Sebastian Luber, Infineon
In herkömmlichen Rechnern spielen Computerchips aus Deutschland keine große Rolle. Wenn in ein paar Jahren die ersten Quantencomputer entstehen, soll das anders werden.
Der Münchener Halbleiter-Hersteller Infineon will von Anfang an mit dabei sein. „Wenn wir nicht in Abhängigkeit von Amerika und Asien geraten wollen, dann müssen wir Tempo machen“, sagt Sebastian Luber.
Der promovierte Physiker ist verantwortlich dafür, dass der Dax-Konzern in der neuen Technologie keinen Trend verpasst. Luber nimmt damit eine Schlüsselposition ein bei den Münchnern.
Denn Quantencomputer könnten Deutschlands größten Chipkonzern eines Tages technisch und wirtschaftlich in eine neue Dimension katapultieren. Es locken gigantische Umsätze.
Nicht nur bei Infineon gilt Luber als Vordenker: Wann immer es in Deutschland um Quantencomputer geht, ist der 46-Jährige mit dabei. Er berät unter anderem den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.
17. Katja Wünschel, RWE
Wo die meisten es lieber einfach und unkompliziert mögen, liebt Katja Wünschel die Herausforderungen in großen Unternehmen: „Je größer, je komplexer, umso faszinierender für mich“, beschreibt die gebürtige Karlsruherin ihre Strukturverliebtheit.
Die braucht sie auch in ihrer Position als CEO Onshore Wind und Solar für Europa und Australien bei einem der größten Energiekonzerne Europas: RWE. Seit Februar 2022 leitet sie den Bereich Onshore und Photovoltaik in Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum.
Mehr als 30 Baustellen von Wind- und Solarparks jongliert die Betriebswirtschaftlerin aktuell in elf verschiedenen Ländern. Mit den hochgesetzten Ausbauzielen ihres Arbeitgebers sollen es in absehbarer Zukunft bald schon 100 sein.
Für die 48-Jährige bedeutet das vor allem eins: viel Koordinierungsarbeit. Innerhalb eines Tages kann es im Halbstundentakt schon mal von Australien, Polen und Deutschland bis nach Frankreich gehen – rein virtuell natürlich. Mindestens einmal im Monat fährt sie zu immer anderen Baustellen, das dann allerdings ganz real.
Seit 20 Jahren ist Wünschel jetzt schon in der Energiebranche unterwegs. Nach ihrem Studium ging es zunächst zwar erst einmal für drei Jahre zum Chemiekonzern Bayer und da unter anderem nach Singapur, aber seit sie 2002 zu dem Essener Energiekonzern Eon gewechselt ist, hat sie aus der Energiebranche nichts mehr wegbewegt.
18. Alexandra Forster, Bayer
Beim Bayer-Konzern steht sie auf der internen Potenzialliste für den Kreis der 75 höchstrangigsten Führungskräfte: Alexandra Forster leitet das Management der globalen Sicherheitsthemen bei dem Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern. Die 39-Jährige ist seit vier Jahren bei Bayer und seit September 2021 in der Position des Chief Security Officer.
Forster ist damit verantwortlich für viele hochaktuelle und spannende Themen: Dazu zählt nicht nur der Schutz vor Cyberattacken und allgemeinen Angriffen auf den Konzern von außen. Kriminalitätsprävention und der Kampf gegen Produktfälschungen gehören in ihr Ressort, ebenso die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Unternehmenssicherheit.
Für diesen anspruchsvollen Job in einem globalen Großkonzern hat sich die 39-Jährige mit mehreren Stationen qualifiziert. Nach dem geistes- und wirtschaftswissenschaftlichen Studium startete sie im Risikomanagement des Onlinehändlers Amazon, arbeitete bei der Deutschen Bank als Senior Investigator im Bereich Compliance und Kriminalitätsbekämpfung und ließ sich an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht zur Security-Managerin ausbilden.
Forster verantwortet in einer Spitzenposition Themen, die in Zukunft noch deutlich an Gewicht gewinnen werden – und könnte damit jederzeit auch auf einer Position außerhalb von Bayer punkten.
19. Michael Förtsch, Trumpf
Er brauchte einst nur zwei handgeschriebene Seiten, um Peter Leibinger, den Vize- und Technikchef des Familienkonzerns Trumpf, von sich und seiner Idee zur industriellen Nutzung von Laserlicht zu überzeugen: „Sie müssen eine eigene Firma gründen“, sagte Leibinger und besorgte Kapital.
Michael Förtsch tat wie ihm geheißen und gründete Q-ant. Die gesamten Anteile des Start-ups gehören Trumpf. Der Photonikspezialist entwickelt eigentlich Quantensensoren unter anderem zur Satellitensteuerung, soll jetzt aber noch intensiver in die Produktion von Quantencomputerchips einsteigen. Dafür investiert Trumpf inzwischen einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Aber warum soll die Entwicklung solch hochkomplexer Chips ausgerechnet einem noch so kleinen Unternehmen gelingen, wo doch viele große Tech-Konzerne an Quantencomputern tüfteln? Die Erklärung: Der 38-jährige Förtsch setzt auf Licht zum Datentransport.
Durch das Aufbringen hochspezieller Lichtkanäle auf Silizium-Chips lassen sich mit diesem sogenannten Photonik-Chip-Verfahren Quanten auch bei Raumtemperatur nahezu verlustfrei führen, steuern und kontrollieren. Die Chips brauchen quasi keine Kühlung wie etwa der Quantencomputer von IBM. Das ist ein großer Vorteil: Es ermöglicht den Einsatz der Chips auch in herkömmlichen Großrechnern.
Bis 2025 will Förtsch einen ersten industriell nutzbaren Prototyp vorstellen, in fünf Jahren soll er serienreif sein. Das wäre bahnbrechend, nicht nur für Trumpf. Und der Weg für Förtsch als familienfremdem Topmanager in die Trumpf-Führung wäre wohl geebnet.
20. Birgit Haderer, Personio
Sie hat bereits viele Börsengänge begleitet. Während ihrer Zeit als Investmentbankerin für die US-Bank Goldman Sachs in Frankfurt und den USA sowie später dann den des Berliner Online-Modehändlers Zalando. Seit zwei Jahren ist Birgit Haderer nun Finanzchefin des Münchener Softwarespezialisten Personio. Auch diesen will sie langfristig an die Börse führen.
„Wenn wir weiterhin einen so guten Job machen, dann hat Personio sehr viel Potenzial. Das ist gerade erst der Anfang“, sagt die zweifache Mutter.
Personio hat eine Standardsoftware für die Personalverwaltung von kleinen und mittelständischen Unternehmen entwickelt und gehört inzwischen mit einer Firmenbewertung von 8,5 Milliarden Dollar zu den wertvollsten Einhörnern Deutschlands. Auch im aktuellen Wirtschaftsumfeld wächst Personio der 44-Jährigen zufolge „weiterhin stark.“
Bei ihrer Führungsarbeit ist es Haderer, die inzwischen rund 50 Mitarbeiter anführt, wichtig, eine Gemeinschaft zu bilden: „Ohne Team ist man nichts. Wir sitzen alle zusammen im Boot. Es muss Spaß machen. Wir verbringen viel Zeit miteinander.“
21. Lars Klodwig, Knauf
Wissen, wo man etwas bewegen will und wo nicht – auf diese Formel lässt sich die Karriere von Lars Klodwig bringen. Nach seinem Studium an der WHU in Vallendar war er sieben Jahre Berater bei Boston Consulting. 2012 nahm er sein Erspartes und investierte es in Start-ups, die er zum Teil auch führte.
Dabei merkte er jedoch, dass er „nicht der typische Start-up-Entrepreneur“ ist, wie der heute 41-Jährige sagt. Stattdessen hebt er „lieber ein Unternehmen wie Knauf in der Digitalisierung auf die nächste Stufe“.
Bei dem Baustoffkonzern mit zuletzt 12,6 Milliarden Euro Jahresumsatz und mehr als 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Klodwig nun seit acht Jahren aktiv – zunächst als Leiter der Unternehmensentwicklung, dann führte er vier Jahre lang die Tochterfirma Danogis in Neuss. In dieser Zeit lernte er erstens Demut vor den Aufgaben eines Unternehmers mit 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und lernte zweitens die Wünsche von Bauunternehmern, Architekten und Handwerkern kennen.
Heute ist er als Mitglied der erweiterten Gruppengeschäftsführung verantwortlich für Digitalisierung und Marketing des Knauf-Konzerns.
22. Eric Leupold, Deutsche Börse
Bei der Deutschen Börse leitet Eric Leupold seit September 2021 den Kassamarkt. Damit ist der 42-Jährige für prestigeträchtige Themen wie Börsengänge, den Aktienhandel und die Frankfurter Wertpapierbörse zuständig.
Zuvor war er Chef der Venture-Sparte, die in Start-ups und Wachstumsfirmen investiert. Leupold ist bei Emittenten und Investmentbanken gut vernetzt und hat sich am Finanzplatz Frankfurt einen Ruf als Start-up-Förderer erworben.
Im Jahr 2015 gründete der Wirtschaftsinformatiker die Plattform Deutsche Börse Venture Network, eine Pre-IPO-Initiative, auf der sich Investoren und Wachstumsfirmen gegenseitig kennenlernen können.
23. Rouven Morato, SAP
Während bei SAP viele Manager Hemd und Sakko tragen, darf es bei Rouven Morato auch mal ein Hoodie sein. Das ist eine Frage der Bequemlichkeit, aber auch ein Signal: Die Tochterfirma Signavio, die er seit der Übernahme im Frühjahr 2021 gemeinsam mit Gero Decker leitet, soll ein Start-up innerhalb des Konzerns sein.
Das Tandem trägt die Verantwortung für eines der wichtigsten Projekte von SAP. Die rund 1100 Mitarbeiter von Signavio entwickeln eine Plattform, mit der Kunden ihre Geschäftsprozesse analysieren und damit verbessern können. Das ist wichtig, wenn beispielsweise ein neues Produkt auf den Markt kommt, die Lieferkette ruckelt oder eine Übernahme ansteht.
Das Management nutzt das als Argument für das gesamte Portfolio, besonders das Kernprodukt S/4 Hana, das Bereiche wie Finanzen, Logistik und Produktion abbildet. Dank Signavio, so das Versprechen, soll das besonders effizient laufen. „Das Thema ist strategisch für SAP“, betont Morato daher.
Derart verantwortungsvolle Aufgaben hat der 45-jährige Betriebswirt, der seine Karriere 2004 im Finanzressort begann, immer wieder übernommen. Er war beispielsweise Finanzchef der deutschen Tochtergesellschaft, baute als „Chief Data und Analytics Officer“ eine interne Einheit für die Datenanalyse auf und beriet anschließend Vorstandssprecher Christian Klein bei der strategischen Neuausrichtung. „Ich bin dadurch geprägt, dass ich mir ein breites Spektrum an Aufgaben angeschaut habe.“
Unternehmerisch aktiv ist Morato auch in der Freizeit. Mit dem Fußballspielen hält er sich inzwischen zurück, dafür hat er mit vier Freunden zwischen Heidelberg und Karlsruhe eine Indoor-Golfhalle aufgemacht – und leitet im Nebenjob das Geschäft.
24. Thomas Schroeter, Scout24
Hellgraues Hemd, Chinohose: Wie der klassische IT-Nerd kommt Thomas Schroeter nicht gerade daher. Kein Hoodie, keine Badeschlappen. Doch der 43-Jährige zählt dennoch zu Deutschlands erfolgreichsten Technologiemanagern.
Der gebürtige Kölner und Vater einer Tochter hat es bereits in das Führungsgremium des größten deutschen Online-Immobilienportals Scout24 gebracht. Der schlanke Manager ist bei der im MDax notierten Firma seit 2018 als Chief Product Officer für den wichtigen Sektor der gesamten Produktentwicklung und -vermarktung verantwortlich und leitet als Co-Chef auch die Geschäfte des wichtigsten Bereichs Immoscout24.
Der ausgewiesene Digitalexperte, der auch die schwedische Staatsbürgerschaft hat, empfiehlt sich damit für noch höhere Aufgaben. Der Lebenslauf des Diplom-Kaufmanns liest sich eindrucksvoll. Vor seinem Wechsel zu Scout24 war Schroeter Chief Operating Officer Deutschland für den Onlinemarktplatz Ebay. Auch als Start-up-Unternehmer sammelte er bereits Erfahrungen.
So war er Mitgründer des Sprachportals bab.la, welches er im Jahr 2015 an die Oxford University Press mit veräußerte. Er weiß also, sich selbst und seine Firmen in Szene zu setzen und zu verkaufen. Und privat zeigt er sich ebenfalls zielstrebig: Er konnte in Berlin bereits einen Wunsch verwirklichen, von dem viele seiner Kunden noch träumen: ein eigenes Haus mit Garten.
25. Nadine Philipp, BMW
„Für mich ist es wichtig, mutig zu bleiben“, sagt Nadine Philipp. Denn ihr Mut hat sie weit gebracht. Seit zwei Jahren ist die gebürtige Heidelbergerin Leiterin Nachhaltigkeit in der Lieferkette von BMW. Damit ist sie eine Schlüsselspielerin im Einkaufsressort von Joachim Post, wo derzeit zweistellige Milliardenbeträge für Zukunftsprojekte vergeben werden.
Ihr Weg dorthin verlief nicht gradlinig. Philipp hat Marketing studiert und anschließend die Messeauftritte des Konzerns organisiert. 2013 setzte sie auf der IAA in Frankfurt den „i3“ und den „i8“ in Szene, die ersten BMW-Elektroautos. Die damalige Aufbruchstimmung nutzte sie, um intern die Seite zu wechseln.
Auch ohne große Vorkenntnisse über Stahlqualitäten und Schraubengrößen etablierte sie sich. Sie führe die Spezialisten zusammen und treffe den richtigen Ton sowohl in den Teams als auch bei den Lieferanten, heißt es im Konzern. Das ist wichtig in einem bisweilen ruppigen Metier, in dem um Preise und Qualitäten gerungen wird.
Philipp muss ein ganz neues Denken etablieren. Die gesamte Lieferkette soll grün werden, vor allem der Ausstoß von Kohlendioxid deutlich reduziert werden. Es ist das erklärte Ziel von Konzernchef Oliver Zipse, das „grünste Elektroauto“ der Branche zu bauen. „Wir kennen das Ziel, aber viele Dinge müssen wir auf dem Weg entwickeln“, sagt die 43-Jährige.
Philipp sitzt direkt mit den Einkaufsleitern zusammen. Seit Ausbruch der Coronakrise verwalten die vor allem den Mangel an Computerchips. „Natürlich sind die Kollegen im Einkauf aufgrund der verschiedenen Versorgungsthemen wie der Halbleiterkrise zurzeit angespannt. Wir kommen mit unseren Anliegen dann noch on top.“ Weil diese Anforderungen gleichzeitig gelöst werden müssen, gilt das Einkaufsressort derzeit als Hotspot im Konzern – und Philipp als eine der Kandidatinnen, deren Karriereweg noch weitere Stationen haben dürfte.
26. Vicente Vento, DTCP Infra
Während die meisten europäischen Telekommunikationskonzerne zuletzt kaum vorankamen oder gar schrumpften, entwickelte sich die Deutsche Telekom positiv. Im Hintergrund konnte Chef Timotheus Höttges dabei stets auf sein Spezialeinsatzkommando aus Hamburg zählen: USA-Vorstand Thorsten Langheim und dessen „Ziehsohn“ Vicente Vento.
Fern von den Wirren der Zentrale handelten Langheim und Vento wesentliche Geschäfte für oder mit der US-Tochter T-Mobile aus, ohne die der Aufstieg der Bonner an die Branchenspitze kaum gelungen wäre. Sie kümmerten sich um Beteiligungen der Telekom, wie die am Werbekonzern Ströer, oder füllten den Kontakt zum japanischen Partner Softbank mit Leben. Kein leichtes Unterfangen, wie sich angesichts der speziellen Charaktere der Beteiligten immer wieder herausstellte.
Vicente Vento, ein Spanier, der die Deutsche Schule in Valencia besuchte, fing 2010 als Head of M&A bei der Telekom an. Später saß er für die Telekom etwa im Ströer-Aufsichtsrat und gründete die Beteiligungsgesellschaft Deutsche Telekom Capital Partners (DTCP) mit, die er auch führte.
Inzwischen ist DTCP eine eigenständige Gesellschaft, die unter Ventos Führung nun auch unabhängig von der Telekom agiert. In diesem Jahr hat er für einen neuen Fonds mehr als eine Milliarde Euro von großen Namen wie Blackrock und der Allianz eingesammelt, die Vento in digitale Infrastruktur investieren will. „Vicente versteht die Telko- genau wie die Softwarewelt“, lobt ein Ex-Kollege.
Bei der Telekom galt Vento in erster Linie als M&A-Ass und wurde immer wieder Mal als möglicher Nachfolger für seinen damaligen Chef Langheim genannt. Doch mit der Kultur eines Konzerns soll er bis heute fremdeln. In einer Branche, die zunehmend von großen Deals geprägt ist, muss das kein Nachteil sein.
27. Khadija Ben Hammada, Merck
Bei Merck intern gilt Khadija Ben Hammada bereits seit Längerem als eines der Toptalente. Das wird nun auch durch ihren nächsten Karriereschritt unterstrichen. Zum Jahresanfang 2023 übernimmt sie die Rolle des Chief Human Ressources Officer und wird damit zur neuen Personalchefin des Darmstädter Pharma-, Biotechnologie- und Elektronikchemiekonzerns.
In dieser Funktion ist die 41-Jährige künftig unter anderem auch für das interne Talentmanagement und die Führungskräfteentwicklung zuständig.
Ihre Karriere im Personalmanagement begann die Französin mit marokkanischen Wurzeln nach dem Studium an der Straßburger Business School IAE (der heutigen EM Strasbourg) bei den Beratern Big Fish International und Michael Page, bevor sie 2010 zu Merck wechselte. Dort übernahm sie verschiedene Führungsfunktionen im Personalbereich in Europa, den USA und Asien.
Seit Anfang des Jahres ist sie bereits weltweit für die Talententwicklung bei Merck verantwortlich. Als Büroleiterin der heutigen Merck-Konzernchefin Belén Garijo leitete die Personalexpertin strategische Projekte und koordinierte unter anderem die Transformation des Geschäftsbereichs Healthcare.
Firmenchefin Garijo lobte jüngst ausdrücklich ihre umfangreiche Führungserfahrung, Integrität und Ergebnisorientierung. Das spricht dafür, dass die neue Führungsaufgabe für Ben Hammada nicht die letzte Sprosse auf der Karriereleiter bleiben wird.
28. Kai Alexander Müller, Volkswagen
Schon mit 32 Jahren Vorstand zu sein, das schaffen nicht viele. Kai Alexander Müller hat es geschafft. Seit Anfang Juli leitet der Frankfurter als CFO den Finanzbereich der neu gegründeten PowerCo im niedersächsischen Salzgitter. In der jungen Firma hat der VW-Konzern seine Batterieaktivitäten zusammengefasst.
Volkswagen hat mit der Tochter Großes vor – und damit auch mit Kai Alexander Müller. Aktuell ist die PowerCo mit rund 400 Beschäftigten noch ein ziemlich kleines Unternehmen. Doch bis 2030 soll daraus ein europäischer Batterieriese werden – mit geschätzten 20.000 Beschäftigten und 20 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Da VW nicht alle Investitionskosten von 20 Milliarden Euro für sechs neue Zellfabriken allein aufbringen will, muss Müller Mitinvestoren suchen. „Start-ups haben in der Regel weder Geld noch Kunden. Das ist bei der PowerCo anders. Wir haben den Großkunden VW. Entsprechend hoch ist das Interesse von Dritten, sich zu beteiligen“, sagt er.
Dass VW ihm die Investorensuche zutraut, geht auf seine Erfahrung im Bankbereich zurück. „Er ist durch seinen Werdegang bei führenden internationalen Banken und seine Mitwirkung bei der Kapitalisierung verschiedener Unternehmen bestens vorbereitet“, erklärt VW-Technikvorstand Thomas Schmall.
Mit Anfang 20 trat Müller seinen ersten Bankjob bei der Berenberg Bank an. Später leitete er das Automotive Research bei Barclays. Erfüllt Müller auf seinem ersten Vorstandsposten die Erwartungen, dürften noch ganz andere Posten auf ihn warten. Jung genug für eine lange VW-Karriere ist er.
29. Friederike Schön, MAN
Nahezu alle Krisen und Katastrophen, die den Lastwagenbauer MAN beschäftigen, landen früher oder später bei Friederike Schön. Als Senior Vice President in der Beschaffung ist die Managerin zwar für eine Vielzahl von Themen zuständig. Doch seit zweieinhalb Jahren verschlingt das Abarbeiten akuter Engpässe mehr als zwei Drittel ihrer Arbeitszeit.
„Wir betreiben nonstop intensives Krisenmanagement“, sagt Schön. Coronapandemie, Schneestürme, Flutkatastrophen, Erdbeben, Ukrainekrieg. Stets fehlten bei MAN wichtige Komponenten. Infolge der russischen Luftangriffe auf die Ukraine musste MAN seine Fertigung in wichtigen Werken dort für sechs Wochen stoppen. Ein Fünftel der jährlichen Produktionsleistung von etwa 80.000 Fahrzeugen ist wohl verloren.
Dass es nicht noch schlimmer kommt, liegt auch an Friederike Schön. Das Team der 38-Jährigen half den ukrainischen Partnern beim Wiederanlauf, verlagerte Kapazitäten in andere Länder und ließ ein unterausgelastetes Reisebus-Werk von MAN in der Türkei für die Montage von Kabelbäumen umrüsten. Mithilfe von alternativen Halbleitern und Softwareanpassungen versucht Schön zudem, so viele Chips wie möglich aufzutreiben.
Dieser kreative Pragmatismus qualifiziert die passionierte Reiterin für höhere Aufgaben. Die Managerin löse binnen kurzer Frist mehr Probleme als andere in zehn Jahren, lobt Holger Mandel, bis 2022 Einkaufsvorstand bei MAN. Und zwar ohne viel Tamtam.
Derzeit ist Schön zwar glücklich mit ihrer Stelle als Krisenmanagerin, aber nach drei bis vier Jahren zog sie meist weiter. Beachtlich dabei: „Ich habe mich bisher auf keinen Job beworben, sondern bin immer gefragt worden.“
30. Heike Wulff, Jungheinrich
Der Grund für ihren Wechsel nach Hamburg war zunächst eher privater Natur: Heike Wulff wollte wieder in der Stadt, in der sie seit Studienende lebt, auch arbeiten. Mitten in der Pandemie startete sie beim Intralogistik-Spezialisten Jungheinrich. Dort ist sie heute Vice President Corporate Controlling und damit für eine gesamtheitliche Unternehmensstrategie zuständig.
Sie sei entschlossen und fokussiert, sehr strategisch, dabei trotzdem jemand, mit dem man „Pferde stehlen“ könne, sagt ein Begleiter. Das zeigt sich auch an ihrem klaren Werdegang. Nach ihrem Studium als Wirtschaftsjuristin in Osnabrück startete sie bei PwC. Dort machte sie ihren Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
Doch schnell wurde ihr klar, dass sie lieber berät statt prüft. Bei PwC konnte sie das tun und blieb acht Jahre. Anschließend wechselte sie ins operative Geschäft zu Still, einer Tochter des Staplerherstellers Kion, wo sie mit der heutigen Jungheinrich-Technikvorständin Sabine Neuß zusammenarbeitete. Nach einem Insead-Programm in Fontainebleau wechselte sie zum Mutterkonzern Kion.
Wulff selbst sieht sich als technikaffin, ohne Berührungsängste gegenüber Automation und maschinellem Lernen. Die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten schätzt die 42-jährige leidenschaftliche Schwimmerin beim börsennotierten Familienkonzern: „Erfahrungsgemäß gibt es nur alle zehn bis 20 Jahre die Chance, auf Basis neuer technischer Möglichkeiten das Controlling grundlegend neu zu gestalten und Standards für die Unternehmenssteuerung zu setzen.“
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