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Führungskraft werden: So gelingt mit Mitte 30 der Aufstieg ins Management

Wer mit über 30 Führungskraft werden will, sollte sich fünf zentrale Fragen stellen. Ein Professorin für Personalmanagement und ein Berater geben Rat, wie der späte Aufstieg gelingt.

Berlin. Betrachtet man die Lebensläufe wichtiger deutscher Unternehmenslenker, fällt auf: Die meisten haben früh erste Führungspositionen übernommen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr machte mit 27 seine erste Managementerfahrung: Nach Wirtschaftsingenieursstudium und Pilotenausbildung übernahm er die Leitung des zentralen Personalmarketings der Lufthansa.

Ähnlich VW-Chef Oliver Blume: Ihm hat Audi mit 26 ein internationales Traineeprogramm ermöglicht, mit 31 war er Leiter der Karosseriebaufertigung. Telekom-Chef Timotheus Höttges wurde nach seinem BWL-Studium Projektleiter bei einer Unternehmensberatung – noch vor seinem 30. Geburtstag.

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Was aber, wenn es anders läuft? Wenn Talenten erst später in ihrer Karriere klar wird, dass sie ins obere Management wollen? Hat ein Sachbearbeiter bei der Telekom mit Mitte 30 noch eine Chance, wenn er beschließt, dass er eines Tages Konzernchef Höttges beerben möchte? Das Handelsblatt hat darüber mit einer Professorin für Personalmanagement und einem Personalberater gesprochen – und sich Tipps für Menschen geholt, deren Weg ins Management nicht von Anfang an vorgezeichnet war.

Führungsposition erreichen: Der Mythos der „heldenhaften“ Führung ist veraltet

Ein solcher Mensch ist der 36-jährige Kai Prange. Er machte den Bachelor und Master im Maschinenbau. „Für mich galt damals primär, die technische Welt zu verstehen und damit eine Karriere als Ingenieur anzustreben.“ Irgendwann habe er gemerkt, dass ihm der Fokus auf das Technische nicht genüge – er wollte ins Management. Also entschloss er sich mit 33, einen Master of Business Administration an der IU Internationalen Hochschule Bad Honnef zu machen.

Sein Plan ging auf: Mittlerweile arbeitet Prange in einer Führungsposition bei der Deutschen Bahn, ist dort für die Kompetenzentwicklung der Führungskräfte im Infrastrukturbereich zuständig. Mit klaren Ambitionen: „Ich strebe im weiteren Verlauf meiner Karriere eine Position im oberen Management an.“

Auf klare Zielvorstellungen, wie sie Kai Prange hat, kommt es an, sagt Anastasia Hermann. Sie ist Professorin für Personalmanagement an der IU Internationalen Hochschule Bad Honnef, an der auch der Bahn-Manager studiert hat. Hermann hat mit Blick auf die Werdegänge von Managern eine Veränderung festgestellt. „Früher war der Mythos der ,heldenhaften Führungskraft‘ weit verbreitet, man hat über manche Konzernbosse gesagt, sie seien geboren, um zu führen, hätten im Kindergarten die anderen Kinder schon rumkommandiert – solche Typen sind heutzutage eher kontraproduktiv.“

Auch im Handelsblatt-Archiv findet sich ein acht Jahre alter Text, in dem es heißt: „Wenn Sie mit 35 noch keine Karriere gemacht haben, können Sie es gleich lassen.“ Heute, sagt Hermann, treten wir in ein Zeitalter des lebenslangen Lernens ein. Das helfe auch Persönlichkeiten, die erst im Laufe ihrer 30er feststellen, dass sie eine Führungskarriere wollen.

„Ich schließe nicht aus, dass es in Zukunft eine Standardsituation sein wird, dass man zunächst ein Grundstudium absolviert und ein paar Jahre lang arbeitet. Erst später geht man einen vertiefenden Master-Studiengang an, vielleicht sogar berufsbegleitend, und im Laufe der Karriere womöglich sogar noch einen zweiten Master.“

Führungskraft zu werden, ist eine Frage der Persönlichkeit

Wer so vorgeht, könne schnell zum Idealkandidaten werden – wegen der einschlägigen Berufserfahrung mit Mitte 30 und des wissenschaftlichen Abschlusses, der einen aktuellen Wissensstand garantiert. In Großkonzernen sei es für solche Menschen zwar gerade noch schwieriger, in eine Führungsrolle zu kommen, als in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Trotzdem ist Anastasia Hermann überzeugt, dass sich auch die großen Unternehmen anderen Talenten öffnen müssen, deren Weg ins Management nicht vorgezeichnet war.

Tim Oldiges ist Geschäftsführer der Personalberatung Headgate. Er findet wie Hermann, dass die Vorstellung vom „geborenen Leader“ nicht mehr zeitgemäß ist. „Für mich ist die Frage, ob man eine geeignete Führungskraft ist, keine Frage des Lebenslaufs, sondern der Persönlichkeit.“ Wichtig sei, dass man in der Lage ist, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und Widersprüche auszuhalten. „Heute prasseln sehr viele Erwartungshaltungen auf Führungskräfte ein. Sie müssen verständnisvoll und empathisch sein und trotzdem entscheidungsfähig bleiben.“ Kompetenzen, die sich laut Anastasia Hermann erlernen lassen.

Und diese fünf Fragen sollten Sie sich laut Oldiges und Hermann stellen, wenn Sie zu einem späteren Zeitpunkt Ihrer Karriere noch auf eine Topposition hinarbeiten wollen.

1. Wo will ich mit der Führungsposition genau hin?

Wer kein Ziel im Navi eingibt, kann auch nicht ankommen. Es ist ein Unterschied, ob man Team- oder Abteilungsleiter werden möchte oder „der nächste Tim Höttges“ werden will. Es gebe zwar Persönlichkeiten, die es auch ohne solch ein klares Ziel geschafft haben. Aber zunächst gilt laut Tim Oldiges: „Erfolg hat eine Struktur – und dieser Struktur sollte ich folgen.“

Warum will man Führungskraft werden und wo? In einem größeren Unternehmen? Oder in einem Start-up? In Letzterem könnte es schneller gehen. „Studieren Sie Biografien über die CEOs bekannter Unternehmen: Welche Karriere- und Bildungshintergründe haben sie?“, rät Hermann. Heute besonders begehrt seien digitale Visionäre, Talente also, die digitale Perspektiven mit betriebswirtschaftlichem Know-how verbinden.

2. Muss ich das Unternehmen wechseln?

Personalberater Oldiges weist auf die Unterschiede zwischen großen Konzernen und Start-ups hin. „Wenn Sie als Trainee im Unternehmen eingestiegen sind und seit 15 Jahren keine Führungsrolle haben, dann kann es schwierig werden, in diesem Umfeld plötzlich als potenzielle Führungskraft gesehen zu werden.“ Auch Anastasia Hermann sagt: „Wenn man in einem Unternehmen schon jahrelang auf einer Sachbearbeiterposition gearbeitet hat und nicht als sonderlich ambitioniert aufgefallen ist, dann wird eine plötzliche Veränderung innerhalb des Unternehmens und der gleichen Abteilung schwierig – dafür denken Menschen zu sehr in Schubladen.“ Heißt also: im Zweifel wechseln.

3. Was ist mein Alleinstellungsmerkmal als Führungskraft?

Wer den eigenen „USP“ („Unique Selling Point“, englisch für Alleinstellungsmerkmal) neu definieren will, sollte laut Hermann auf die richtigen Themen setzen. Dazu gehöre alles rund um Digitalisierung, etwa Blockchain oder Data Analysis.

Viele spätere CEOs haben ein Eintrittsthema, mit dem sie sich besonders profilieren. Change Management etwa, Diversität oder Unternehmenskultur. „Und falls man noch keine BWL-Kenntnisse hat, macht es Sinn, sich mit Entrepreneurship und Methoden des agilen Projektmanagements auseinanderzusetzen. Alles, was einen dazu befähigt, schnell komplexe Sachverhalte zu strukturieren.“

Tim Oldiges rät zu Kreativität. Interessiert man sich etwa für Nachhaltigkeit, arbeitet heute aber im Controlling, könne man diese Themenfelder kombinieren und versuchen, in den unternehmenseigenen Sustainability-Bereich zu wechseln.

4. Wen soll ich einbeziehen?

Wenn man berufsbegleitend Managementkenntnisse erwirbt, kann man seinen Vorgesetzten das früh erzählen, meint Anastasia Hermann. Das cleverste Narrativ: „Ich habe neue Methoden gelernt und würde sie gern in Projekten einbringen.“ So baue man sich früh Netzwerke mit Gleichgesinnten auf. Viele bestehende CEOs waren in Elitekaderschmieden unterwegs und haben dadurch schon ein hochkarätiges Netzwerk.

Diesen „Zeitnachteil“ kann man aufholen, indem man in der Hierarchie höhergestellte Personen einfach anspreche. Das kann sogar den CEO beinhalten – oder seinen Stab. Der besteht häufig aus jungen Chiefs of Staff, die nah dran an den Abläufen sind und wertvolle Tipps geben können, welche Expertisen und Spezialisierungen gerade gebraucht werden.

5. Will ich wirklich ins Top-Management?

Auf dem steinigen Weg ins obere Management ist es wichtig, regelmäßig zu reflektieren, ob der Pfad noch Sinn macht – und ob man im Vorfeld womöglich andere Vorstellungen von der Rolle hatte. „Was man wissen sollte: Je höher ich in der Hierarchie steige, desto mehr Probleme habe ich auf dem Tisch, denn es wird stets nach oben hin eskaliert. Ich muss also Lust haben, mich auch mit quälenden Themen zu umgeben“, erklärt Oldiges.

Die Anforderungen an die obere Führungsriege wachsen exponentiell, sagt der Experte. „Ob Künstliche Intelligenz oder Globalisierung – als Topmanager muss ich heute meinen Leuten ständig erklären, warum es wichtig ist, dass sich das Unternehmen permanent transformiert. Gleichzeitig muss ich mich mit möglicherweise unzufriedenen Kunden auseinandersetzen. Und das alles, indem ich den Menschen auf Augenhöhe begegne, ihnen zuhöre und sie dann für das Neue begeistere.“

Was von Managern auf Topebene abverlangt werde, sei teilweise brachial, sagt Oldiges – von 16-Stunden-Tagen bis zu Wochenend- und Nachtschichten. „Diese Entscheidung muss jeder für sich treffen: Stelle ich mir so mein Leben vor oder nicht?“

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