Gender-Pay-Gap. Auf ein Leben addieren sich Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern massiv auf. - DISRUPTIVO on Unsplash
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Gender-Pay-Gap: Warum Frauen immer noch weniger Gehalt als Männer bekommen

Frauen bekommen im Laufe ihres Erwerbslebens deutlich weniger Gehalt als Männer. Eine neue Studie zeigt: Die Lücke wird größer, je anspruchsvoller die Jobs sind.

Düsseldorf. Frauen in Deutschland verdienen auf ein Leben lang gesehen nur drei Viertel von dem, was ihre männlichen Kollegen als Einkommen erzielen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Weltwirtschaftsforums in Zusammenarbeit mit der Beratung Willis Towers Watson (WTW), die dem Handelsblatt vorliegt.

Die Analyse bezieht neben dem Gehalt (vom 22. Lebensjahr bis Renteneintritt) auch Ansprüche aus staatlicher Rente, betrieblicher Altersvorsorge, Immobilienbesitz und Erspartem in das sogenannte Lebenseinkommen mit ein. Am fairsten sind die Lebenseinkommen der Auswertung nach in Südkorea und Spanien verteilt. In Nigeria, Argentinien oder der Türkei haben Frauen beim Renteneintritt hingegen nur gut 60 Prozent von dem, was Männer bis dahin an Verdienst und Vermögen angehäuft haben.

Deutschland liegt nach dieser Auswertung im internationalen Durchschnitt. „Die Lebensverdienstlücke wird jedoch hierzulande größer, je anspruchsvoller und komplexer ein Berufsprofil ist“, sagt Florian Frank, Vergütungsexperte bei WTW, der die Datenlage für Deutschland analysiert hat.

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In Zahlen ausgedrückt heißt das: Während einfache Arbeiterinnen hierzulande noch auf 83 Prozent des Lebenseinkommens ihrer männlichen Kollegen kommen, haben Spezialistinnen und weibliche Führungskräfte am Ende Ihrer Karriere nur etwa zwei Drittel von dem verdient, was Männer in der Position erhalten.

Gender-Pay-Gap: Sechs Prozent der Unterschiede im Gehalt lassen sich nicht erklären

Die wichtigsten Gründe für die Ungleichheit der Lebenseinkommen sind laut Frank ungleiche Karrierechancen, sowie der sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap. Letzterer beschreibt den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, der sich nicht allein durch Teilzeit oder einen schlecht bezahlten Job erklären lässt. Dieser lag laut Statistischem Bundesamt 2020 bei sechs Prozent.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die ungleiche Aufteilung sogenannter Care-Arbeit. „In Deutschland herrscht ein Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen und ein unverhältnismäßig hoher Anteil an unbezahlter Betreuungsarbeit, die Frauen leisten“, erklärt Frank.

Auszeiten wie eine Elternzeit oder Pflege träfen Frauen in Spezialistinnen- und Führungspositionen gleich doppelt hart. Denn zum einen fällt ihr – in der Regel in diesen Positionen – hoher Verdienst für die Auszeit weg oder wird deutlich geschmälert.

Gehaltsunterschied: Auszeiten treffen Frauen hart

Zum anderen bleiben Frauen gerade bei längeren Auszeiten Karrieresprünge verwehrt oder treten erst mit ein paar Jahren Verzögerung auf, was sich mit Blick auf das Lebenseinkommen rächt. Und: „Wer in Elternzeit ist, verhandelt kein Gehalt“, sagt Frank. Gerade bei der aktuell hohen Inflation könnte das zu Reallohnverlusten von mehreren Prozentpunkten führen, rechnet der Experte vor.

Bislang fokussieren sich Gehaltsstudien zu Männern und Frauen hauptsächlich auf den Gender-Pay-Gap und weniger auf die langfristigen Folgen der ungleichen Bezahlung von Mann und Frau. Die Bertelsmann-Stiftung hatte Ende April in einer Studie auf die hohe finanzielle Abhängigkeit von Frauen hingewiesen, vor allem wenn Kinder im Spiel sind.

In ihren 35 Erwerbsjahren erwirtschaften verheiratete Mütter und Väter nachsteuerlich im Schnitt je 700.000 Euro. Bei Alleinerziehenden lag der Wert etwa ein Viertel niedriger. Steuerliche Anreize wie das Ehegattensplitting oder abgabefreie Minijobs setzten starke Anreize für eine traditionelle Rollenaufteilung, in der die Frau zu Hause bleibt und sich um Kinder oder Pflegebedürftige kümmert – auch weil anderweitige Betreuungsmöglichkeiten fehlen. „Dadurch sind es bei Trennungen und im Alter vor allem Frauen, die gravierende finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen“, hieß es in der Studie damals.

Gender-Pay-Gap verkleinern: Gehalt in Elternzeit automatisch anpassen?

Um die Lebenseinkommen von Männern und Frauen weiter anzugleichen, müsste laut WTW-Experte Frank vor allem der Gender-Pay-Gap kleiner werden. Dazu müssten sich auch Väter gleichermaßen in die Care-Arbeit einbringen. „Dann wird es für Unternehmen normaler, dass Eltern – und nicht nur Mütter – für eine bestimmte Zeit aus dem Beruf raus sind, um sich um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern“, so Frank. Zusätzlich könnten Unternehmen Abhilfe schaffen, indem sie automatische Gehaltsanpassungen auch in Auszeiten wie der Elternzeit vornehmen.

Von besser platzierten Ländern im Ranking könnte auch Deutschland etwas lernen: So sind die guten Platzierungen von Südkorea und Spanien größtenteils auf dort im Sozialversicherungssystem verankerte Einkommensgrenzen zurückzuführen, die Ungerechtigkeiten im Rentenalter ausgleichen sollen.

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