Generation Orientierungslos: Neue Zahlen zeigen, warum der Fachkräftemangel schon in der Schulzeit beginnt
Wir sprechen viel über den Fachkräftemangel – doch meistens erst dann, wenn er bereits spürbar wird: Wenn Stellen unbesetzt bleiben, Ausbildungsplätze leer laufen und Unternehmen keine passenden Talente finden. Was dabei übersehen wird: Der wahre Ursprung liegt viel früher...
Er beginnt dort, wo junge Menschen eigentlich Orientierung bräuchten – im Übergang von Schule zu Beruf.
In der repräsentativen Studie „Ready, Set, Work!“, die ich gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Appinio durchgeführt habe (N=1.000, Alter 16–24), zeigt sich ein klares Bild:
60,3 % fühlen sich vom Staat nicht ausreichend unterstützt beim Berufseinstieg
45,7 % sagen, die Schule habe sie kaum vorbereitet
67,2 % wünschen sich mehr Unterstützung ab der 8. Klasse
Was wir hier sehen, ist nicht bloß ein Orientierungsproblem – es ist der früheste Kipppunkt des Fachkräftemangels.
Ein Bildungssystem, das jahrelang an der Lebensrealität vorbeilehrt, lässt junge Menschen ratlos zurück. Und so verlieren wir Wirtschaftskraft und Innovationspotenzial, noch bevor es je entstehen kann.
Zwischen Schulbank und Arbeitsmarkt: Die Lücke wächst
Als Dozentin für Future of Work & Organizational Psychology, New Work-Autorin und Host eines Wirtschaftspodcasts bin ich im ständigen Austausch mit Studierenden, HR-Verantwortlichen und Unternehmen. Ich sehe jeden Tag: Unternehmen suchen Talente. Aber Talente wissen oft nicht, wonach sie überhaupt suchen sollen.
In einer Welt, in der sich Arbeit schneller verändert als Lehrpläne, braucht es neue Wege, um junge Menschen nicht nur zu qualifizieren – sondern zu ermutigen, ihren Weg zu finden.
Was jetzt passieren muss: 4 Handlungsempfehlungen
Der Staat muss praxisnah fördern.
Förderprogramme, Beratungsangebote und bezahlte Praktika müssen sichtbarer, niederschwelliger und unabhängig vom sozialen Hintergrund zugänglich sein. Die Ausbildungszeit darf kein finanzielles Risiko sein.Schulen und Unternehmen müssen enger kooperieren.
Praxisphasen, Pflichtpraktika und finanzielle Bildung im Unterricht sind essenziell. Junge Menschen brauchen nicht nur Algebra – sie brauchen auch Antworten auf Fragen wie: Was verdiene ich? Was kostet das Leben? Was ist ein Vertrag?Eltern sind wichtige Wegbegleiter.
Durch Gespräche über berufliche Perspektiven, Unterstützung bei Praktika und echtes Interesse können Eltern entscheidend dazu beitragen, dass junge Menschen ihren Weg selbstbewusst gehen – ohne Druck, aber mit Rückhalt.Unternehmen müssen früh aktiv werden.
Wer junge Talente gewinnen will, braucht flexible Modelle, transparente Gehaltsstrukturen und echte Entwicklungspfade. Mentoring, Praxiseinblicke und Orientierung sind heute genauso wichtig wie das Gehalt von morgen.
Warum das Thema jetzt auf den Tisch gehört
Die Zukunft der Arbeit beginnt nicht im ersten Arbeitsvertrag, sondern in der Schulzeit. Wer dort nicht ansetzt, bekämpft den Fachkräftemangel zu spät.
Und wer junge Menschen nicht mitnimmt, wird sie auch nicht langfristig binden.
Jetzt ist die Zeit, Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft anders zu denken – nicht als getrennte Systeme, sondern als gemeinsame Verantwortung.