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Geschäftsprozesse nachhaltig ausrichten: Was Unternehmen tun sollten

In den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen (UN) wird Unternehmen neben Staat und Gesellschaft eine wesentliche Rolle beim gesellschaftlichen Wandel zugeschrieben - von der Finanzierung bis hin zur Entwicklung nachhaltiger Produkte und Dienstleistungen. Sie sind heute nicht nur gefordert, über Kosten und Nutzen ihres Handelns, sondern auch über ihr nachhaltiges Engagement zu informieren. Die Nachhaltigkeitsberichterstellung legt die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen und Perspektiven ihres Handelns offen. Viele Unternehmen gehen aber noch weiter.

So trat die Otto Group kürzlich der Value Balancing Alliance (VBA) bei. Damit bekennt sie sich zu einer verantwortlichen Wirtschaftstätigkeit, die auf einem systematischen Nachhaltigkeitsmanagement basiert. Im Fokus steht dabei eine Bilanzierung, die die Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft im Blick hat. Der Kampf gegen den Klimawandel mit dem Ziel, bis 2030 in den eigenen Operations klimaneutral zu werden, steht dabei ganz oben auf der Agenda des internationalen Handels- und Dienstleistungskonzerns. Die Entscheidung zur Mitgliedschaft basiert auf der langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie des Hamburger Konzerns. Bereits seit 2012 misst das Unternehmen mit seinem selbst entwickelten CR-Management-System „impACT“ die Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit auf Mensch und Natur, um daraus wirksame und effiziente Maßnahmen zur nachhaltigen Ausrichtung der Geschäftsprozesse abzuleiten.

Die Value Balancing Alliance e.V. wurde im Juni 2019 gegründet.

Sie ist eine freiwillige Allianz namhafter Unternehmen der deutschen Wirtschaft. Ziel der Allianz ist es, durch neue allgemeingültige Accounting-Methoden Nachhaltigkeitsmaßnahmen künftig noch besser und transparenter in Unternehmen messen und steuern zu können. Unterstützt wird die VBA von führenden Universitäten wie der Oxford University und der Harvard Business School sowie Stakeholdern aus Regierung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Finanzmarkt und normgebenden Organisationen.

Es gibt aber auch viele andere Ansätze, beispielsweise aus dem Mittelstand, von denen sich lernen lässt. So wird beim ökologischen Onlineversender memo jährlich eine Umweltbilanz erstellt, in der alle relevanten eingehenden Energie- und Stoffströme (Input) den ausgehenden (Output) gegenübergestellt und über geeignete Kennzahlen bewertet werden. Zum Jahresbeginn führt das Nachhaltigkeitsmanagement eine Managementbewertung durch und erstellt einen Systembewertungsbericht, der dem Vorstand zusammen mit der Umweltbilanz und wesentlichen Ergebnissen der Audits vorgestellt wird. Auf Grundlage der Kennzahlen und Ergebnisse aus dem Managementsystem, Stakeholderdialogen und Mitarbeiterbefragungen beurteilt der Vorstand Zielerreichung und Funktionsfähigkeit des Managementsystems, identifiziert die wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekte des Unternehmens und erstellt das Managementprogramm der memo AG mit neuen Zielen und Maßnahmen. Der Systembewertungsbericht, die Umweltbilanz, Ziele und Maßnahmen werden allen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt und gemeinsam diskutiert (Quelle: memo Nachhaltigkeitsbericht).

Wissenschaftler gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte allen Wissens in Unternehmen verpufft, wenn es nicht systematisch erfasst und organisiert wird.

Deshalb ist konsequentes Wissens- und Nachhaltigkeitsmanagement von besonderer Bedeutung – ebenso die permanente Anpassung und der Austausch von Informationen. Kennzahlen ermöglichen es Unternehmen und Organisationen, konkrete Nachhaltigkeitsziele festzulegen und quantifizierbar zu machen. Voraussetzung ist, dass sie aussagekräftig sind und aus fundierten Daten entwickelt werden, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden. Außerdem muss die Messbarkeit der Daten gewährleistet sein. Erst dann ist eine kontinuierliche Beobachtung von Entwicklungstendenzen möglich. Problematisch ist im Hinblick auf die sozialen und kulturellen Aspekte der Nachhaltigkeit deren Mess- und Vergleichbarkeit. Im Gegensatz zu ökonomischen und ökologischen Aspekten sind Aktivitäten in diesen Bereichen weitaus schwieriger zu messen und zu vergleichen. Dennoch ist eine Mess- und Vergleichbarkeit unternehmensweiter Aktivitäten zu diesen Dimensionen der Nachhaltigkeit unverzichtbar.

Die bekannteste und wichtigste Initiative zur Bildung von Nachhaltigkeitsindikatoren auf internationaler Ebene ist die Global Reporting Initiative (GRI), die in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen und Organisationen die sogenannten GRI-Kennzahlen entwickelte. Sie enthalten – neben den ökologischen und ökonomischen – auch gesellschaftliche Leistungsindikatoren. Viele Mittelständler orientieren sich zunächst grob daran, weil sie ein umfassender Ansatz überfordern würde. Einige von ihnen messen nicht alles Messbare von Beginn an, weil sie sonst mehr Zeit mit dem Messen verbringen würden als damit, Nachhaltigkeit zu „unternehmen“. Gerade am Anfang fokussieren sie sich auf die Messung von einigen Daten, die für die eigene Unternehmensstrategie und Geschäftsziele relevant sind. Dann wird das Kennzahlensystem immer weiter professionalisiert.

So war es auch beim Pneumatikspezialisten Mader, der auch regelmäßig einen Nachhaltigkeitsbericht herausgibt. Heute sind wesentliche Kennzahlen über ein Online-Tool für alle Mitarbeiter jederzeit einsehbar. Wer keinen dauerhaften PC-Arbeitsplatz hat, wird regelmäßig informiert. Stefanie Kästle, Mitglied der Geschäftsführung, bemerkt, dass die Bedeutung der Kommunikation von Kennzahlen sowie die gemeinsame Analyse mit den entsprechenden Kollegen inzwischen unverzichtbar ist, um gegebenenfalls auch Verbesserungspotenziale zu ermitteln: „Sie müssen für alle verständlich sein und auf die Strategie und Ziele in den einzelnen Bereichen heruntergebrochen werden. Denn es geht nicht um eine reine Betrachtung der Zahlen, sondern um die Wahrnehmung des Gesamtbildes. Eine Kennzahl ist nur ein Indikator. Einzelbetrachtungen sind nicht aussagefähig, sondern nur der übergeordnete Zusammenhang.“

Weiterführende Informationen:

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: CSR und Nachhaltigkeitsmanagement richtig umsetzen: Die wichtigsten Schritte und Werkzeuge - mit zahlreichen Praxistipps und Mustervorlagen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2021.

Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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