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Hinter jedem Präsent steht ein Verlangen - Bild: plainpicture
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Geschenke bei der Arbeit: Wenn der Chef einen ausgibt

Wer sich spendabel zeigt, macht sich Freunde. Aber am Arbeitsplatz geschieht dies selten ohne Hintergedanken. So verhalten sich Vorgesetzte und Angestellte richtig.

Später Donnerstagnachmittag in München. Für die Entwickler eines mittelständischen IT-Unternehmens bedeutet dies: Sie gehen gemeinsam zum Asiaten ums Eck. Normalerweise zu fünft oder zu sechst. Diese Woche schließt sich jedoch spontan der Chef an.

Nachdem der letzte Wein getrunken und die Glückskekse gegessen sind, kommt die Rechnung. Für gewöhnlich übernimmt jedes Teammitglied den gleichen Anteil, doch dieses Mal zückt der Chef sein Portemonnaie und legt einen 100-Euro-Schein auf den Tisch. Die Kollegen tauschen unsichere Blicke, denn für die gesamte Rechnung reicht das nicht. Den Rest müssen sie übernehmen. „Wir wussten alle nicht, wie wir damit umgehen“, erzählt einer. War das eine Einladung? Hatte er es gerade nicht kleiner?

Wenn der Chef zum Essen einlädt, ist das meist gut gemeint – aber doch heikel: Extravagante Geschenke gelten als großspurig, sparsame als knausrig. Einladungen abzulehnen ist ein persönlicher Affront. Wer Schulden zurückfordert, läuft Gefahr, sich unbeliebt zu machen. Also am besten nie einen ausgeben? Nicht unbedingt.

Mehr Klarheit, mehr Genuss

Zumindest für das gemeinsame Essen hat Caroline Riemann, Business-Knigge-Expertin, eine klare Empfehlung: „Regeln Sie das vorher – und nicht erst, wenn die Rechnung kommt.“ Die Clique des Münchner IT-Unternehmens hätte ihrem Vorgesetzten von der Bezahlregel erzählen sollen, um Peinlichkeiten zu vermeiden. Ob der Chef das gesamte Essen zahlt, nur die Getränke übernimmt oder die Drinks im Anschluss ausgibt? „Je mehr Klarheit und Struktur es im Vorhinein gibt, desto mehr können die Gäste die Einladung genießen“, sagt Riemann.

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Auch bei Geschenken helfen solche Punkte zur Orientierung: Möglicherweise gibt es im Betrieb bereits eingespielte Routinen? Weil die selten irgendwo niedergeschrieben sind, fragt man am besten, welcher Beitrag für ein Hochzeitsgeschenk der Kollegin angemessen ist.

Denn Geschenke am Arbeitsplatz sind mehr als Aufmerksamkeiten. Sie sind sozialer Kleber. „Schenken ist wahrscheinlich eine der ältesten Zivilisationsaktivitäten“, sagt Georg von Schnurbein, Philanthropieforscher an der Universität Basel. „Nicht nur der Beschenkte profitiert, sondern auch der Schenkende erhält Ansehen und baut Vertrauen auf.“ Wer Weihnachtsgeschenke kauft, macht sich Gedanken, ob das Geschenk gefällt. Aber auch, was das Geschenk über ihn aussagt. „Der Geber will immer auf gewisse Weise wahrgenommen werden“, sagt von Schnurbein.

Zudem schafft das Geschenk eine Schuld: Wenn wir etwas erhalten, fühlen wir uns verpflichtet, in ähnlicher Form zurückzugeben. Besteht zwischen dem, der gibt, und dem, der nimmt, ein Machtgefälle, wird die Konstellation noch komplizierter. So wie beim Asiaten in München. „Der Chef erwartet im Gegenzug nun Loyalität“, analysiert von Schnurbein die Situation. Vorgesetzte würden Einladungen zum Essen und andere Gefälligkeiten nutzen, um die Belegschaft an sich zu binden – und ein gewisses Maß an Arbeitsamkeit einfordern zu können. Angestellte können notieren: Lädt der Chef ein, dann entweder zur Belohnung für harte Arbeit oder als Vorbereitung für das nächste arbeitsintensive Projekt.

Stets eine Revanche im Sinn

Großzügigkeit am Arbeitsplatz ist auch eine vertrauensfördernde Maßnahme: „Es stärkt die Beziehung zwischen Belegschaft und Vorgesetzten oder den Kolleginnen und Kollegen untereinander“, sagt von Schnurbein. Wer Einladungen und Geschenke ablehnt, riskiert die Beziehung zu Chef und Kollegium. Von Schnurbein rät daher, Geschenke stets anzunehmen – auch wenn sie nutzlos erscheinen oder einem nicht gefallen.

Doch wo Großzügigkeit zu Großkotzigkeit wird, sollten Angestellte vorsichtig sein. „Wenn ich einem Mitarbeiter etwa eine Reise zu einem Formel-1-Rennen schenke, steht das in keinem Verhältnis zur Beziehung“, sagt von Schnurbein. Annehmen sollte man nur Geschenke, für die man sich selbst revanchieren kann.

Doch etwas abzulehnen, ist nicht einfach – und brüskiert das Gegenüber leicht. Expertin Riemann empfiehlt dazu das Vieraugengespräch, um niemanden in großer Runde bloßzustellen. Und sie rät, einen Kompromiss vorzuschlagen. Also: gerne die Einladung auf den Wein, das gesamte Dinner wäre zu viel.

Für den nächsten Besuch beim Asiaten mit spontaner Chefbegleitung rät Riemann der Belegschaft, den Restbetrag einfach fair untereinander aufzuteilen. Dann liegt nach dem Essen neben den Glückskeksen nicht noch ein unangenehmes Gefühl auf dem Tisch.

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