Geschlechterfragen am Arbeitsplatz | © Maskot/Getty Images

Geschlechterfragen im Job? Wie Du Dich selbstbewusst und korrekt ausdrückst

Es wird immer mehr über „Diversity“ diskutiert, unter anderem über die Relevanz von Geschlecht. Dieser Beitrag holt Dich ab, indem er die wesentlichen Begrifflichkeiten des Diskurses einordnet.

Du stehst mit einer Kollegin an der Kaffeemaschine im Büro, sie erzählt Dir von ihrem Wochenende. Im Hintergrund läuft eine neue Person aus ihrem Team vorbei, die Du auch schon ein paarmal flüchtig gesehen hast. Du würdest Deine Kollegin gern fragen, was diese neue Person eigentlich genau für eine Rolle hat, aber du bist etwas unsicher. Die Person hat lange Haare und trägt feminine Kleidung, hat aber eine tiefe Stimme und einen Bart. Du fragst: „Die neue Person in deinem Team, welche sexuelle Orientierung hat sie eigentlich?“ Deine Kollegin guckt Dich verwirrt an. „Ich weiß nicht, darüber haben wir nicht gesprochen. Warum?“

Sexuelle Identität, Sexismus, Geschlecht, sexuelle Orientierung– ganz schön viele verschiedene Begrifflichkeiten, hinter denen sich ganz schön viele komplexe Konzepte verbergen. Aber: Komplex ist nicht gleich kompliziert, und wer einmal die Unterschiede zwischen den Konzepten durchdrungen hat, kann sich differenziert und präzise ausdrücken. Das ist wichtig, denn sonst reden wir aneinander vorbei und werfen Dinge in einen Topf, die eigentlich nicht in einen Topf gehören. Dadurch wird Unsicherheit geschürt und die Auseinandersetzung mit Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz erschwert. Also, was ist was?

Gemeinsamkeiten: Um die sozialen Kategorien kommt niemand drum herum

Es gibt viele Faktoren, die die Identität eines Menschen ausmachen. Zum Beispiel Geschlecht, Alter, soziale Herkunft oder auch die Sexualität. Alle diese und weitere Faktoren sind soziale Kategorien, die in unserer Gesellschaft eine große Auswirkung darauf haben, wie wir durchs Leben gehen. Das „Identität“ hinter Geschlechtsidentität oder sexueller Identität betont, dass es sich bei diesen um eine Kategorie handelt, die maßgeblich das Selbst- und Fremdbild bestimmen.

Die Kategorien Geschlecht und Sexualität betreffen uns alle

Alle Menschen haben eine sexuelle Identität und eine Geschlechtsidentität. Diese Kategorien sind also keineswegs nur Minderheiten vorbehalten. So haben zum Beispiel auch heterosexuelle Personen eine sexuelle Identität – die Heterosexualität. Über Differenzen hinweg verbindet uns der Umstand, dass wir alle mit verschiedenen Identitätszuschreibungen durchs Leben gehen.

Warum uns sexuelle Identität und Geschlechtsidentität unterschiedlich stark betreffen

Die Geschlechtsidentität wird auch oft als Gender bezeichnet, das ist ein englisches Wort. Es  lässt sich in etwa in das „soziale Geschlecht“ übersetzen. Jede Person hat ein Gender, denn in unserer Gesellschaft ist diese soziale Kategorisierung, die wir vornehmen, omnipräsent. Sobald ein Baby auf die Welt kommt, bekommt es ein Gender zugeteilt, bei dem angenommen wird, dass dieser kleine Mensch dann damit durchs Leben geht. Man kommt nicht drumherum.

Es gibt dabei verschiedene Gender (oder Geschlechter), die wir als eine Art Spektrum verstehen können, wie zum Beispiel:

  • non-binär

  • weiblich

  • agender

  • männlich

Vereinfacht gesagt, kann man sich Gender wie eine Art Label vorstellen, mit dem wir uns zeigen bzw. das andere uns zuschreiben. Damit einher gehen Verhaltensweisen, Interessen oder Kleidung, die von einem Menschen erwartet wird, dem Gender entsprechend.

Wie allgegenwärtig Geschlechternormen sind, spürst du spätestens dann, wenn du sie nicht bedienst

Wenn eine als Frau gelesene Person mit einem Rock und hohen Schuhen ins Büro kommt, fällt das in erster Linie niemandem auf. Bei einer als Mann gelesenen Person löst genau dasselbe Outfit bei vielen eine Irritation aus. Das zeigt, dass die meisten Personen, wenn auch unbewusst, Erwartungen an Personen auf Basis des Geschlechts haben. Die Situation zu Beginn des Textes greift diese Erwartungen auf; um solche Situationen achtsam zu navigieren, benötigen wir Information zur Gender-Identität, etwa um die Person mit richtigen Pronomen ansprechen zu können.

Der Begriff sexuelle Identität hingegen bezieht sich auf das Orientierung. Es werden Kategorien aufgemacht wie:

  • lesbisch

  • schwul

  • bisexuell

  • heterosexuell

  • asexuell

  • pansexuell

Wenn die Identität zum Anlass für Diskriminierung wird

Wie bereits beschrieben, haben nicht nur Minderheiten eine Geschlechtsidentität oder eine sexuelle Identität, sondern alle. Wenn es allerdings um Diskriminierung geht, sind davon nicht alle gleichermaßen betroffen. Um die hier besprochene strukturelle Diskriminierung zu benennen, gibt es zwei Konzepte: Sexismus und Homofeindlichkeit. Sexismus erleben Frauen und gender-unterrepräsentierte Gruppen im Alltag sowie im Beruf, z.B. in Form von Benachteiligung.

Dass geschlechtsbezogene Diskriminierung neben Frauen insbesondere Transpersonen (Personen, die sich nicht mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifizieren) betrifft, soll der Begriff Transfeindlichkeit sichtbar machen. In Abgrenzung zu Sexismus und Transfeindlichkeit betrifft Homofeindlichkeit Diskriminierung gegenüber Personen, deren sexuelle Identität nicht heterosexuell ist, also z.B. Lesben, Schwule und Bisexuelle. 

Statistische Umfragen, die diese Formen von Diskriminierung erheben, vermischen teilweise sexuelle und geschlechtliche Identität. Das kann mitunter auch Sinn machen, denn oftmals erleben Personen Mehrfachdiskriminierung. Gender lässt sich theoretisch von sexueller Identität abgrenzen, in der Praxis ist es aber komplexer. So ist z.B. die Stellung von Frauen in unserer Gesellschaft nicht nur durch ihre Geschlechtszugehörigkeit definiert, sondern durch viele Faktoren.

Hier spielt die sexuelle Identität eine große Rolle, denn das Weiblichkeitsbild der Mehrheitsgesellschaft ist auch ein heterosexuelles. Das merkt man zum Beispiel anhand von Mikroaggressionen, die am Arbeitsplatz stattfinden: sexistische Klischees denken Frauen als heterosexuell, an Männern interessiert und für sie sexuell verfügbar – wie z.B. die Managerin, die sich hochgeschlafen hat, oder die Büroassistentin, die mit ihrem Chef flirtet.

Du musst nicht selbst von Diskriminierung betroffen sein, um Dich für ein inklusives Arbeitsumfeld einzusetzen

In unserer Gesellschaft spielen sowohl sexuelle als auch geschlechtliche Identität große Rollen. Diejenigen, die weniger von Diskriminierung betroffen sind, etwa weil sie in den Räumen, die sie navigieren, der Norm entsprechen, merken das oft nicht, egal ob in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz. Das ist ein Privileg. Um ein (Arbeits-)Umfeld zu schaffen, bei dem alle sich wohlfühlen können, sind sie besonders gefragt. Es gilt, sich fortzubilden, zuzuhören, Perspektivwechsel vorzunehmen und andere pro-aktiv miteinzubeziehen.

Wie sicher fühlst Du Dich mit Begriffen im Zusammenhang mit Diversity? Schreib gern einen Kommentar dazu, über welche Begrifflichkeiten Du gern mehr erfahren möchtest.

Rea Eldem schreibt über Gendergerechtigkeit, Arbeitskultur, Wirtschaft & Management, Personalwesen

Rea Eldem ist die Gründerin und Geschäftsführerin von IN-VISIBLE, Berliner Agentur für gendergerechte Arbeitskultur. Rea wuchs in Deutschland, Japan und Hongkong auf und studierte Kulturwissenschaften am Bodensee und Gender Studies an der University of Cambridge.

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