Gesunde Grenzen: Wie gelingt es Pflegekräften, eigenverantwortlich mit sich selbst umzugehen?
Schlafmangel führt zu seelischem Ungleichgewicht, auch kann die Aufmerksamkeit nicht mehr ungeteilt einer einzigen Sache gewidmet werden. Damit verbunden sind mangelnde Empathie und Leistungseinbrüche. Gerade die Schichtarbeit wirkt sich enorm auf die Gesundheit der Pflegekräfte aus. Zu den Folgen gehören Schlafstörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Magen-Darm-Probleme oder Übergewicht durch ein gestörtes Essverhalten. Hinzu kommt, dass der regelmäßige Wechsel zwischen Früh-, Spät- und Nachtschicht dazu führt, dass gegen den natürlichen Biorhythmus gearbeitet wird. „Fakt ist jedoch, dass die Pflege nicht ohne Schichtarbeit funktioniert, weshalb die meisten Pflegekräfte in Wechselschicht arbeiten. Neben dem erhöhten Risiko für verschiedene Krankheiten leidet auch das Essverhalten unter den wechselnden Arbeitszeiten“, bemerkt Stefanie Gierer in ihrem Blogbeitrag „Gesundheit und Schichtarbeit?" auf der Website von consil med, in dem sie zahlreiche Tipps gibt und auf das Expertinnenwissen der Pflegefachkraft Denise Wellhöfer vom Instagram-Kanal @pflegeinfosion verweist. Hier finden sich viele anschauliche Videos, in denen sie Pflegewissen sowie Tipps für Pflegekräfte anschaulich vermittelt werden.
Ein Schicksalsschlag war der Anlass für ihren Account, der dazu dienen soll, Menschen, Patient:innen, Kolleg:innen und Auszubildende über Pflege und Gesundheit mit Informationen zu “infundieren” – „wie eine Infusion gefüllt mit Informationen - PflegeINFOsion.“ Damit möchte sie nicht nur mögliche Ängste abbauen oder Fragen durch praxisnahe Aufklärung beantworten, sondern auch konkret zeigen, was Pflege in der Praxis bedeutet. Aber auch, dass dieser Beruf vielseitig und sinnstiftend sein kann. Nach dem Abitur studierte sie dual Gesundheits- und Krankenpflege an einer Hochschule in Berlin. Sie liebt die verschiedenen Facetten ihrer Arbeit (Tätigkeit als Intensivkrankenschwester oder an ihrer beratenden Stelle im Gesundheitswesen).
Ihre Erfahrungen und ihr Wissen hat sie in einem kostenlos erhältlichen E-Book für Pflegekräften gesammelt. Im Fokus stehen Faktoren, an denen jede Pflegekraft selbst arbeiten kann: Schlaf, Bewegung, Erholung, mentale Grenze und Ernährung während der Schichtarbeit. Zur Einheit von Gesundheit und Schichtarbeit gehört auch die Verbesserung der Schlafhygiene. Dazu gehört eine optimale Schlaftemperatur (zwischen 16–19 Grad Celsius), eine gute Luftzirkulation durch atmungsaktive Materialien, Verzicht auf nervenaufreibende Lektüre und Filme sowie Elektrogeräte im Schlafzimmer. Gierer und Wellhöfer betonen beide aber auch die Bedeutung der Selbstfürsorge von Pflegekräften, deren Arbeit körperlich und psychisch sehr belastend sein kann.
Das ist allerdings nur durch ein inneres Gleichgewicht möglich, das Menschen auch in Zeiten größter Wirren, Konflikte oder Stress mit dem Vertrauen beschenkt, dass sie aus sich selbst heraus in der Lage sind, wieder „zu sich“ zu kommen. Vor allem dann, wenn sie Gefahr laufen, „außer sich“ zu sein und emotional überzulaufen drohen. Rituale sind deshalb ebenfalls von zentraler Bedeutung für die eigene Lebensführung. Da sie von Wiederholbarkeit und Verlässlichkeit geprägt sind, ermöglichen sie wohltuende Auszeiten. Denn Teile des alltäglichen Lebens laufen ohne weiteres Nachdenken wie von selbst ab. Dadurch werden innere Kräfte frei.
Das innere Gleichgewicht hängt ebenso mit der menschlichen Vernunft und der Fähigkeit zusammen, Distanz zwischen der eigenen Person und den jeweiligen Umständen zu gewinnen. Es hilft dabei, sich auf sein intuitives Wissen zu verlassen, das jenseits rationaler Erklärungen Orientierung und Sicherheit gibt. Es lässt sich lernen (nicht herstellen), denn dies ist die Folge einer selbstreflektierten Lebensweise, die die eigenen Möglichkeiten und Grenzen kennt. „Es ist wichtig, sich selbst nicht zu vergessen - also nehmt Euch bewusst Auszeiten“, sagt Stefanie Gierer, die auch auf den Sport als Ausgleich zum stressigen Berufsalltag verweist. Negativer Stress führt dazu, dass Adrenalin und Blutzucker ansteigen, Cortisol ausgeschüttet wird und sich die Muskeln anspannen. Durch Bewegung werden negative Gefühle abgebaut: durch Laufen, Radfahren oder Auf- der-Stelle-stampfen wird das Adrenalin verbraucht und der schädigende Einfluss verringert. All das hilft auch, die eigenen Kräfte ökonomischer einzuteilen sowie Nachsicht mit sich selbst zu üben.
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