Goldbeck: Bau-Riese wird Opfer von Millionenbetrug durch Mitarbeiter
Mit einem ausgeklügelten System sollen mehrere Männer Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Zuletzt wurden VW und Aurubis Opfer von kriminellen Beschäftigten.
Mehr als 8000 Parkplätze umfasst das wohl größte Parkhaus Deutschlands am Frankfurter Flughafen. Gebaut werden Projekte dieser Dimension von der Firma Goldbeck aus Bielefeld. Das Traditionsunternehmen, 1969 von Ortwin Goldbeck gegründet, ist Spezialist für den Bau von großen Lagerhallen, Fabriken, Parkhäusern, Schulen oder Sporthallen und setzte im vergangenen Jahr mehr als sechs Milliarden Euro um.
Zuletzt war Goldbeck am Bau der Tesla Gigafactory beteiligt. Zudem baut das Unternehmen derzeit zehn Einsatztrainingszentren für die Generalzolldirektion. Es ist nach eigenen Angaben der größte Auftrag in der Firmengeschichte. An diesem Erfolg wollten offenbar mehrere Mitarbeiter besonders partizipieren. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat drei Männer angeklagt, die das Unternehmen über Jahre hinweg in mehr als hundert Fällen betrogen und einen Schaden in Millionenhöhe verursacht haben sollen.
Jörg-Uwe Goldbeck, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens, zeigt sich auf Nachfrage erschüttert über „die kriminelle Energie“ der ehemaligen Mitarbeiter. „Es geht gegen alles, wofür wir als Unternehmen stehen. Daher sind wir auch mit aller Konsequenz dagegen vorgegangen“, sagt der Unternehmer gegenüber der WirtschaftsWoche.
SCHMIERGELDER IN MILLIONENHÖHE
Die Männer (45 und jeweils 34 Jahre alt) sollen bei Goldbeck für den Einkauf und die Vergabe von Leistungen von Subunternehmern zuständig gewesen sein. Ihre Position sollen sie genutzt haben, um zwischen den Jahren 2021 und 2024 mit Subunternehmen Schmiergeldzahlungen zu vereinbaren. Diese Zahlungen sollen sie in den Rechnungen der Aufträge versteckt haben, und Goldbeck zahlte überhöhte Preise.
Das Schmiergeld sollen die Beschuldigten über einen Umweg zurückerhalten haben. Damit das gelang, sollen die Subunternehmen Geld an dritte Unternehmen bezahlt haben. An diesen Unternehmen sollen die beschuldigten Goldbeck-Mitarbeiter als stille Teilhaber beteiligt gewesen sein – ohne dass der Bau-Riese davon wusste. „Ihre Partizipation wurde verschleiert“, sagt Lea Rhein von der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegenüber der WirtschaftsWoche.
Das System soll über mehrere Jahre funktioniert haben und erst vor einem Jahr aufgeflogen sein, als die Unternehmensleitung einen Insidertipp über die Vorgänge erhielt. Anschließend wurde Strafanzeige erstattet und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Bielefeld nahm die Ermittlungen auf. Die Anklageschrift umfasst 159 Seiten. Dort werden insgesamt 131 Taten aufgeführt. Konkret wird den Männern Betrug, Untreue, Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie Steuerhinterziehung in mehreren Fällen vorgeworfen.
Allein 67 Taten soll ein 45-jähriger Ex-Mitarbeiter begangen haben, der im Hallenbau tätig gewesen sein soll und den die Ermittler als Haupttäter führen. Der Mann saß zwischenzeitlich sogar in U-Haft, wurde nach etwa zwei Monaten jedoch gegen Auflagen wie Kaution und Reisebeschränkungen aus dem Gefängnis entlassen.
Laut Staatsanwaltschaft Bielefeld könnten neben den zwei weiteren Angeklagten noch weitere Mitarbeiter in den Kriminalfall verwickelt sein. In einem abgetrennten Verfahren wird gegen vier weitere Beschuldigte, darunter zwei weitere Ex-Mitarbeiter von Goldbeck, ermittelt.
DURCHSUCHUNGEN BEI SUBUNTERNEHMERN
Neben den ehemaligen Goldbeck-Mitarbeitern ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld auch gegen Verantwortliche der involvierten Unternehmen. „Die Taten gingen über mehrere Jahre, und viele Firmen waren daran beteiligt“, sagt die Staatsanwältin. Daher werde auch gegen einzelne Subunternehmer ermittelt. „Wir reden über eine große Anzahl an Beschuldigten“, ergänzt sie.
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen fanden zahlreiche Durchsuchungen statt: bei den beschuldigten Ex-Mitarbeitern, aber auch bei Subunternehmern. Bei der Firma Goldbeck habe jedoch keine Maßnahme stattgefunden, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Im Gegenteil: Nachdem Goldbeck im vergangenen Jahr auf Basis von internen Hinweisen die Unregelmäßigkeiten entdeckt hatte, schaltete das Unternehmen umgehend die Staatsanwaltschaft ein. Zudem wurde den betreffenden Mitarbeitenden fristlos gekündigt und eine interne Untersuchung eingeleitet. „Unsere internen Untersuchungen konnten wir bereits im vergangenen Jahr abschließen und die Ergebnisse der zuständigen Staatsanwaltschaft übergeben“, teilt ein Goldbeck-Sprecher mit.
Dieser weist zudem darauf hin, dass dem Unternehmen ein „massiver Schaden“ entstanden sei. Kunden und Geschäftspartnern seien hingegen „keine Schäden“ entstanden. Goldbeck versucht nun, die entstandenen finanziellen Schäden gegenüber den Betroffenen geltend zu machen. „Wir befinden uns dazu schon in Gesprächen, die vielfach konstruktiv geführt werden. Soweit keine Bereitschaft bestehen sollte, sich freiwillig zu beteiligen, werden wir unsere Ansprüche gerichtlich durchsetzen“, teilt ein Sprecher mit.
VORFÄLLE BEI VW UND AURUBIS
Dass Mitarbeiter ihre Position in einem Unternehmen nutzen, um sich zu bereichern, kommt immer wieder vor. Im November des vergangenen Jahres verurteilte das Landgericht Braunschweig sechs ehemalige Volkswagen-Mitarbeiter zu Haftstrafen. Sie hatten im VW-Logistikzentrum Harvesse Autoteile im Wert von etwa zwei Millionen Euro gestohlen.
Auf der Anklagebank saßen damals zwei Unternehmer, zwei Lkw-Fahrer einer Spedition, die für Volkswagen tätig ist, und zwei weitere Männer. In den Jahren 2019 und 2020 sollen sie in zwölf Fällen wertvolle Autoteile aus dem Logistikzentrum gestohlen und anschließend ins Ausland verkauft haben. Laut Anklage gingen sie dabei systematisch und im großen Stil vor. Vor Gericht erklärten die Angeklagten, dass sie schlicht die Gelegenheit genutzt hätten, die Autoteile zu stehlen.
Das Strafmaß lag zwischen acht Monaten auf Bewährung und einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Die höchsten Strafen bekamen die drei Haupttäter. Den Männern im Alter zwischen 40 und 56 Jahren wurde von der Staatsanwaltschaft schwerer Bandendiebstahl vorgeworfen.
Für Aufsehen hatte zuletzt auch eine Diebstahlserie beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis gesorgt. Fünf Angeklagte im Alter von 33 bis 47 Jahren wurden im Februar 2024 zu Freiheitsstrafen zwischen drei Jahren sowie fünf Jahren und zehn Monaten wegen schweren Bandendiebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei. Ein 50-jähriger Angeklagter wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
Die Männer hatten in den Jahren 2020 und 2021 Metall vom Aurubis-Firmengelände im Hamburger Stadtteil Veddel abtransportiert. Das gestohlene Material, das auch Anteile von Gold und Silber enthielt, soll nach Meinung des Gerichts etwa 5000 Kilogramm schwer gewesen sein. Der Wert wurde auf etwa zehn Millionen Euro geschätzt. Ein Großteil des Diebesgutes soll an metallverarbeitende Betriebe in die Türkei geliefert worden sein.
DIEBSTÄHLE FIELEN LANGE NICHT AUF
Das Gericht stellte bei der Urteilsverkündung fest, dass Aurubis es den Tätern leicht gemacht habe. So habe es kaum Kontrollen am Eingang gegeben. Zudem habe es in dem Unternehmen „keine Schadensempfindlichkeit“ gegeben, da die Diebstähle über Monate nicht aufgefallen waren.
Bei Goldbeck haben die Verantwortlichen interne Prozesse angepasst, um kriminelles Handeln durch Mitarbeiter zu unterbinden. Grundsätzlich hätten die „Kontrollsysteme funktioniert“, heißt es aus dem Unternehmen. „Letztlich waren es ja interne Hinweise, die zu den Untersuchungen geführt haben“, teilt ein Sprecher mit. Jedoch hätten ehemalige Mitarbeiter „ganz bewusst und mit erheblichem Aufwand und krimineller Energie“ die internen Kontrollen umgangen und dem Unternehmen „massiv geschadet“.
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