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Graues Gold: Was Unternehmen tun können, um den wertvollen Schatz der Best Ager zu heben

Im Jahr 2050 wird jeder dritte Bundesbürger älter als 60 sein, schätzt das Statistische Bundesamt. Ohne diese Generation ist keine Wahl zu gewinnen. Unter dem Ausdruck „Grey Market“ wird der wachsende Konsumentenmarkt der Menschen jenseits von 50 Jahren zusammengefasst. Die Generation 50plus, der sich seit 2009 auch die Nürnberger Messe „inviva“ widmet, ist besser ausgebildet und finanziell besser gestellt als jede Generation zuvor. Sie ist reich an Lebenserfahrung und hat auch noch ein entsprechendes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein.

Reifezeit

Ältere machen intensivere, bewusstere Erfahrungen und haben eine andere Zeitökonomie als in jungen Jahren, denn sie spüren, dass ihre Lebenszeit begrenzt ist. Keinen Tag nehmen sie mehr für selbstverständlich. Das Interesse der Medien an den „neuen Alten“, den „Best Agers“ oder „Golden Oldies“ hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. All diese Begriffe verdeutlichen, dass ein Wandel des Alter(n)s stattfindet und sich festgefahrene Vorstellungen überlebt haben. Nicht nur die Verteilung von Konsum, sondern auch die Verteilung und Definition produktiver Tätigkeit sind vor dem Hintergrund des demografischen Wandels neu zu diskutieren.

Im Jahr 2035 werden nur noch 17 Prozent unter zwanzig Jahren sein, und die über 60-Jährigen werden mit 35 Prozent mehr als ein Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen. Angesichts des demografischen Wandels stellen sich Industrie und Handel auf diese Generation ein. Ende der 1990er-Jahre beherzigte in Deutschland kaum jemand, was am Zentrum für angewandte Alternsforschung der Universität Birmingham selbstverständlich war: „Entwirf für die Jungen, und du schließt die Alten aus. Entwirf für die Alten, und du schließt die Jungen ein.“ Dahinter steht die einfache Erkenntnis, dass das, was den Alten hilft, allen nützt.

Die meisten Studien, die sich mit Älteren befassen, erschöpfen sich häufig in einer einseitigen Perspektive. Schlagworte wie „Megaboom“, „Turbo für die Wirtschaft“, die Attribute „dynamisch“, „konsumfreudig“, „konsumerfahren“, „kampflustig“, „reiselustig“ und „komfortbewusst“ wiederholen sich. Ein tieferes Verständnis wird kaum angestrebt. Das Alter wird aufgrund der steigenden Lebenserwartung zukünftig als eigene Phase definiert werden.

Alter

Die 50plus-Generation entwickelt neue Lebensmodelle, hat eine „andere Selbstwahrnehmung und wird sehr viel länger als ihre Eltern auf einen vitalen, belastbaren und attraktiven Körper blicken“, so Trendforscher Dr. Eike Wenzel. Auch wenn die Gesellschaft immer älter wird - die Menschen fühlen sich nicht alt. Wissenschaftliche Studie belegen, dass sich 60-Jährige viel eher mit Mittvierzigern als mit Gleichaltrigen identifizieren. „Wir haben ein neues Altern bekommen“, bemerkte auch Rocklegende Tina Turner: „50-Jährige sind heute wie 40-Jährige. Das alte 50-jährige-Frau-Ding – das waren unsere Mütter und Großmütter, aber nicht wir.“

Ein „Klimawechsel“ findet seit einigen Jahren auch in den Medien statt. So drehte Erfolgsregisseurin Doris Dörrie mit Schauspielerinnen wie Juliane Köhler, Ulrike Kriener, Maren Kroymann, Andreas Sawatzki und Sophie von Kessel eine humoristische TV-Serie über das Klimakterium der Frau ab 45. „Das Thema kam bislang nicht vor im Fernsehen und auch nicht in der Gesellschaft“, sagt Dörrie. Die Kraft des Alter(n)s zeigte die Kinokomödie „Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus!“ (2010) von Leander Haußmann, in der Nadja Tiller und Walter Giller, Eva-Maria Hagen und Ingrid van Bergen die Hauptrollen spielten. Dem vierten Frühling widmete sich Andreas Dresens Filmtragödie „Wolke 9“, der von einer Frau und zwei Männern in fortgeschrittenem Alter handelt und unverkrampft von ihrem Liebesleben erzählt. Von reifer Liebe und später Lust geht es auch in den Filmen „Ein verrücktes Paar“ (1993), „Camilla“ (1994) und „An ihrer Seite“ (2006).

Vielleicht ist es der „eigentliche Wert“: Lieben und geliebt werden, Freundschaften stiften, Zuneigung geben und erfahren. Für die meisten der Älteren ist dies eine Selbstverständlichkeit. Es sind die Werte mit denen diese Generation erzogen wurde.

Die ältere Generation ist heute die erste, die Körper und Geist auch im Alter trainieren kann, die weiß, dass sich Beweglichkeit in den so genannten „besten Jahren“ auszahlt, wenn die große Umstellung im Alter notwendig wird. Auch das Selbstbewusstsein dieser Generation ist sehr ausgeprägt, denn die Älteren fühlen sich durchschnittlich 14 Jahre jünger. Allerdings kann man im Alter nur leben, was man zuvor an Leben gewonnen hat. „Wer mit siebzig eine reizvolle alte Dame sein möchte, muss als siebzehnjähriges Mädchen damit anfangen.“ Agatha Christie sagt zu Recht, dass die Vorbereitung aufs Alter bereits in jungen Jahren beginnt. Sie ist kein Dauerlauf, sondern eher ein „nachhaltiges“ ausdauerndes Voranschreiten.

„Möge der Himmel alle schlimmen Dinge / von Dir fernhalten / Ich würde so gern mit dir die Zukunft gestalten / doch sie teilen uns ein in die Jungen und Alten / und wir lassen es zu und lassen uns verwalten“, heißt es im Lied „Möge der Himmel“ von Vicki Leandros, das Xavier Naidoo geschrieben und produziert hat. Das gängige Bild des Alters ist einerseits von Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Siechtum geprägt; andererseits werfen Kritiker den gesunden Alten (Amerikaner nennen sie selpies, second life people, auch woopies, well of elder people, wollies, well income old leisure people) vor, sich auf Kosten der Jungen ein glückliches Leben auf Kreuzfahrtschiffen zu machen: Wir brauchen ein anderes Bild des Lebensalters zwischen 50 und über 100, denn das sind Menschen, die agil und aktiv sind und bereit sind, anderen etwas davon etwas zu geben.

Sabine Burkhard-Dürr, Anfang 50, ist der lebende Beweis: Sie ist sehr aktiv, Vorstand im Sportverein und ehrenamtliche Gemeinderätin. Diese Entwicklung wird in Fachkreisen als Silver Society bezeichnet und birgt enorme Chancen für die Wirtschaft (umfangreiches Know-how, Branchenentwicklungen, hervorragendes Urteilsvermögen, die Fähigkeit Potenziale von Neuerungen zu erkennen und einzuschätzen und ihr Wissen an Jüngere weiterzugeben). Doch leider, kritisiert der Online-Weiterbildungsanbieter karriere tutor®, lassen sich viele Unternehmen dieses Potenzial komplett entgehen. Das Unternehmen hat einen Mitarbeitermix von 18 bis 67 Jahren - eine gesunde Mischung aus erfahren und neueinsteigend, aus Beständigkeit und Innovationskraft.

Das erfolgreiche Startup, das die Zukunft des Online-Lernens gestaltet, möchte Menschen an jedem Arbeitsplatz der Welt „beruflich erfolgreich und glücklich machen.“ Dabei werden sie von einem Team aus namhaften Dozenten und Tutoren, Karriereberatern und Experten für berufliche Weiterbildung begleitet: „Jeder Mensch verfügt über einzigartige Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sich das ganze Leben lang entwickeln. Zeitlebens können wir diese Ressourcen und Potenziale systematisch entdecken, entwickeln und erfolgreich nutzen.“

Laut Statistischem Bundesamt waren 2016 rund 79% der 55 bis 60-Jährigen erwerbstätig, bei den 60 bis 65-Jährigen nur noch 55,7%. Gewiß ist eine Erwerbstätigenquote von 100 % aufgrund von Erkrankungen und persönlichen Lebensentwürfen in keinem Alter möglich. Doch Beispiele wie das von Sabine Burkhard-Dürr zeigen, dass viele ältere Arbeitnehmer arbeiten wollen, aber nicht dürfen.

Für Sabine Burkhard-Dürr war ihr Alter vermutlich der Grund, warum sie trotz 200 Bewerbungen und rund 30 Bewerbungsgesprächen ausschließlich Absagen erhielt. da sie im Job nicht zufrieden war, hat sie mit 27 Jahren noch einmal angefangen zu studieren. In Pforzheim und Glasgow studierte sie dann Marketing und fand auch bald eine Stelle als Marketingreferentin. 20 Jahre war sie in diesem Bereich tätig, verantwortete die Redaktion einer Mitarbeiterzeitung, baute interne Tools auf, organisierte internationale Events und gewann viele Preise wie den Red Dot Award oder den if award für ihre Messestände. Ihre Marketingexpertise wurde geschätzt und war für ihre Arbeitgeber ein großer Gewinn. Ab 2015 ging es mit der Marketingabteilung ihres Unternehmens bergab: „Finanziell wurde es immer schwieriger, das Marketing wurde immer kleiner, mehrere Mitarbeiter wurden entlassen und Projekte heruntergefahren.“ Wie viele der Mitarbeiterinnen erhielt auch sie die Kündigung mit knapp 50 Jahren.

Den Sommer 2017 erlebte sie als Aufbruch: „Direkt nach der Entlassung war es wirklich erst einmal eine Art geschenkter Urlaub für mich, denn nach 20 Jahren Stress im Marketing wollte ich den Sommer genießen und mich dann voller Elan in neue Aufgaben stürzen.“ Sie wusste, was sie konnte, und dass ihre Erfahrung ein großer Schatz war. Allerdings verschwand ihre anfängliche Motivation schnell, als sie auf ihre Bewerbungen unzählige Absagen erhielt. Stets war sie unter den besten Bewerbern, doch die Jobs erhielten immer die jüngeren Bewerberinnen mit niedrigerem Gehalt. Sie fragte sich: „Was sind 50 Jahre in unserer heutigen Zeit, wo wir voraussichtlich bis knapp 70 arbeiten werden?“

Sie beschloss, sich parallel zu den Bewerbungen weiterzubilden und belegte gleich zwei Kurse. Ihre Zertifikate zur Online-Marketing-Managerin und zur Social-Media-Managerin erwarb sie innerhalb weniger Wochen. Dennoch wuchs der Frust über die ablehnende Haltung der Arbeitgeber. Kurz nach dem Abschluss ihrer Weiterbildungen bei karriere tutor® fand sie dann einen Arbeitgeber, der sich völlig anders verhielt als die Firmen zuvor. Diesmal wurde sie genommen. Genau dies wünscht sie möglichst vielen Best Agern, die beruflich noch aktiv sein möchten und dem Arbeitsmarkt viel zu geben haben: „Personalabteilungen sollten offener sein und die Bewerber neutral nach ihrer Leistung beurteilen und nicht nach Faktoren wie Alter und Geschlecht“, sagt sie im Gespräch mit karriere tutor. „Wenn wir es schaffen, das Können, die fachliche und persönliche Expertise in den Mittelpunkt zu rücken, gewinnen nicht nur die älteren Bewerber, sondern auch die Unternehmen selbst.“

Weiterführende Informationen:

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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