Gründen über 50? Los geht’s!

In der Lebensmitte noch mal durchstarten – mit einem eigenen Business? Sabine Votteler war 49, als sie sich selbstständig machte. Seitdem berät sie Frauen und Männer, die in ihrem Beruf feststecken. Ein Interview.

Sie helfen Menschen, die eigentlich beruflich erfolgreich sind. Warum kommen die überhaupt zu Ihnen?

SABINE VOTTELER: Viele haben das Gefühl, in einem goldenen Käfig zu sitzen: Sie haben einen guten Job mit einem entsprechenden Gehalt, sind aber schon seit Jahren frustriert. Die meisten von ihnen würden gerne etwas anderes machen, wissen aber oft nicht genau, was. Oder sie würden sich gern selbstständig machen, wissen aber nicht genau, wie. Das Einzige, was sie wissen, ist: So geht es nicht mehr weiter.

Klingt nach Midlife-Crisis …

Oft ist es das auch. Mit Mitte vierzig oder Anfang fünfzig wird den meisten Menschen bewusst, dass das Leben endlich ist, und sie fragen sich: Ist das eigentlich sinnvoll, was ich tue? Die eigenen Werte verändern sich. Statt höher, schneller, weiter will man selbstbestimmter leben, flexibler arbeiten, freier entscheiden. Und oft gibt es plötzlich mehr Freiraum, weil die Kinder schon groß oder aus dem Haus sind.

Selbstständigkeit könnte dann ja tatsächlich eine ziemlich gute Idee sein, oder?

Nicht, wenn sie nur eine Notlösung ist, weil man glaubt, mit 50 sei es schwierig, einen guten Job zu finden.

Was ist denn ein gutes Motiv, um mit 50 zu gründen? Und ist das überhaupt sinnvoll?

Absolut! Das Allerwichtigste ist der Spaß an der Sache, egal ob mit 20 oder mit 50. Ich will etwas tun, was mich zutiefst erfüllt und befriedigt. Dafür kann ich mich fragen: Worin gehe ich auf ? Was macht mir Freude? Worauf habe ich richtig Lust? Wenn ich das mit meinen Stärke und meiner Erfahrung verbinde, habe ich meinen „Sweet Spot“ gefunden, also die perfekte Kombination aus Talent, Leidenschaft und Expertise. Daraus ergibt sich zwar noch keine konkrete Geschäftsidee, aber immerhin das Thema meiner künftigen Selbstständigkeit.

Und dann …?

… kommt der Realitätscheck. Ich muss herausfinden, ob das, was ich mir als Unternehmen für mich vorstelle, der Wirklichkeit entspricht. Zum Beispiel, indem ich Gespräche mit Menschen führe, die das tun, was ich auch gerne täte. Außerdem ist es unerlässlich, Zielgruppen-Interviews zu führen, um wirklich relevante Probleme zu identifizieren, die ich mit meinem Angebot lösen kann.Wenn sich das alles gut anfühlt, suche ich mir einen ersten Testauftrag; am leichtesten geht das über das eigene Netzwerk. Danach weiß ich, ob meine Idee grundsätzlich funktioniert – oder eben nicht.

Was ist denn grundsätzlich sinn­voller: haupt­- oder nebenberuflich zu gründen?

Das kommt drauf an. Wer im Job stark eingespannt ist, dem gelingt es kaum, sich nach Feierabend auf sein eigenes Projekt zu konzentrieren. Wer finanziell allerdings kaum Puffer hat, könnte versuchen, mit einer reduzierten Arbeitszeit zu starten, dann wäre der Druck nicht zu groß. In jedem Fall empfehle ich, sich eine Frist zu setzen und das Ganze als Projekt zu betrachten. Danach muss dann eine Entscheidung her.

In der Kombi aus Talent, Leidenschaft und Know­-how kann ein Thema für die Selbstständigkeit stecken.

Worauf muss ich mich einstellen, wenn ich dann loslege?

Dass ich bereit sein sollte, meine finanziellen Ansprüche zurückzuschrauben – zumindest eine Zeit lang. Und dass es meistens länger dauert, als man denkt. Wer darauf keine Lust hat, ist aus meiner Sichtfür die Selbstständigkeit nicht geeignet.

Gründen Frauen eigentlich anders als Männer?

Nein. Beide stellen die gleichen Fragen und haben die gleichen Existenzängste. Nur wenn es um Sichtbarkeit geht, stehen sich Frauen mehr im Weg als Männer – egal, wie viele Vorträge sie schon vor großem Publikum gehalten haben. Sobald sie nicht als Vertreterin eines Unternehmens auf der Bühne stehen, sondern sich selbst anpreisen müssen, tun sie sich oft schwer.

Was hat Sie an Ihrem eigenen Wechsel in die Selbstständigkeit am meisten überrascht?

Wie viel ich seitdem über mich gelernt habe – es ist eine Reise in Persönlichkeitsentwicklung.
Und auch, was für eine riesige Rolle jenseits von Wissen, Fähigkeiten und Fleiß das eigene Mindset spielt. Ob mir etwas gelingt oder nicht, hat viel mit meiner inneren Haltung zu tun. Und die kann ich verändern. Statt in Aktionismus zu verfallen, weiß ich inzwischen, dass ich in manchen Situationen mit Geduld und Gelassenheit mehr erreiche.

_______________


Dieses Interview erschien im Februar 2025 in der „Brigitte“. Text: Gunthild Kupitz

Sabine Votteler schreibt über Selbstständig machen 45+, Vom Executive zum Entrepreneur, Berufliche Neuorientierung, Managers in Transition

Ich stieg mit 49 aus der Führungskarriere aus und machte mich selbstständig. Heute unterstütze ich Fach- und Führungskräfte auf diesem Weg. Das Ziel: Aus der Expertise und Erfahrung ein lukratives Business zu schaffen und zu vermarkten, das dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Sinn gerecht wird.

Artikelsammlung ansehen