Grünheide: Tonaufnahme zeigt, wie Tesla-Chefs Mitarbeiter unter Druck setzen
Elon Musk will die Produktion in Grünheide weiter steigern. Der Werksleiter bezichtigt Teile der Belegschaft, faul und unehrlich zu sein.
Berlin, Düsseldorf. Es gibt zu viele Langschläfer und Simulanten bei Tesla, findet der Werksleiter in Grünheide. „Wir werden das nicht dulden, dass manche sich den Rücken krumm buckeln für andere, die einfach keinen Bock haben, zur Arbeit zu kommen“, warnt Andre Thierig seine Belegschaft. Es gebe in seiner Fabrik keinen Platz für Leute, die morgens „nicht aus dem Bett“ kommen.
Der Werksleiter sieht noch ein zweites Problem: Eine „deutlich über dem Industriedurchschnitt liegende krankheitsbedingte Abwesenheit.“ Das Management werde sich „das viel genauer anschauen in nächster Zeit, ob es da gewisse Muster gibt“. Tesla müsse sich wehren, wenn „Leute, wie man so schön sagt, krankfeiern“.
Thierigs Tirade stammt von der Betriebsversammlung in Grünheide am 5. Juli. Ein Mitschnitt liegt dem Handelsblatt vor. Die Aufnahme zeigt, wie hoch die Ansprüche von Konzernchef Elon Musk an seine Mitarbeiter sind. Und welchen Druck seine Stellvertreter machen, um ihnen gerecht zu werden.
Vor zwei Wochen schaute Musk selbst in Grünheide vorbei. Am 3. November veröffentlichte das Handelsblatt einen Bericht über mutmaßliche Sicherheitsmängel in Teslas Fabriken, Überwachung von Mitarbeitern und die extreme Fluktuation beim wertvollsten Autokonzern der Welt.
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Noch am selben Tag trat Musk persönlich vor die Belegschaft in Grünheide. Er bedankte sich für ihre „harte Arbeit“, pries das Werk als eine der „großartigsten Fabriken der Welt“.
Dann steckte Musk neue Ziele. In Grünheide soll ein neues Massenmodell mit einem Verkaufspreis von 25.000 Euro produziert werden, gewissermaßen ein Volks-Tesla. Auf X (früher Twitter) schrieb Musk: „Giga Berlin – Das Juwel Deutschlands“.
Als Musk sich an die Belegschaft wandte, stand Andre Thierig neben ihm. Der studierte Ingenieur und frühere Ford-Manager ist das Sprachrohr des Tesla-Chefs in Grünheide. Was Musk will, setzt Thierig durch.
Der Plan heiße Wachstum, sagte Thierig am 5. Juli. Das Werk in Grünheide müsse seine „Produktionszahlen weiter steigern“. Derzeit stehe das Team „bei knapp über 36“ gebauten Fahrzeugen pro Stunde. „Das ist noch lange nicht da, wo wir hinwollen.“
Erklärungen wertet Thierig als Ausreden. Er bekomme „oft das Feedback aus der Mannschaft“, die Fabrik in Grünheide sei „notorisch unterbesetzt“, sagte der Werksleiter bei der Betriebsversammlung. Das sei falsch. Thierig: „Die Anzahl der Mitarbeiter, die wir eingestellt haben, entspricht auch der Anzahl der Mitarbeiter, die wir benötigen, um die Menge an Autos zu bauen, die wir planen.“
Seine Mitarbeiter beschreiben die Lage im Gespräch mit dem Handelsblatt anders. Beschäftigte aus der Produktion kritisieren, dass Tesla zu wenig Personal einstelle und gute Kräfte nicht halten könne. Wenn Maschinen ausfallen, würden Vorgesetzte die Mitarbeiter in Pausen zwingen, mit denen sie nichts anfangen könnten. Die Zeit würde ihnen von den echten Pausen abgezogen. „Die Arbeitsbelastung steigt immer weiter“, sagt ein Mitarbeiter. Das hohe Arbeitspensum lasse „kaum Zeit, um sich zu erholen“.
Das Handelsblatt befragte Tesla zur Darstellung der Mitarbeiter. Das Unternehmen antwortete nicht. Auch Thierig äußerte sich auf Nachfrage nicht.
Arbeitssicherheit bei Tesla: „Noch Luft nach oben“
Die IG Metall hat Tesla zur Kardinalfrage erkoren. Anders als alle anderen großen Autokonzerne hat Tesla keinen Tarifvertrag unterschrieben. Als Christiane Benner am 23. Oktober ihre Antrittsrede als erste weibliche Vorsitzende der IG Metall hielt, nannte sie Elon Musk beim Namen und sagte: „Wir werden keine gewerkschaftsfreien Zonen zulassen.“
Nachdem die Gewerkschaft lange brauchte, um überhaupt Kontakte in das Werk Grünheide zu knüpfen, sind offenbar erste Informationen geflossen. Tesla-Beschäftigte würden „eine extreme Arbeitsbelastung“ aufgrund kurzer Taktzeiten, Personalmangel und überzogener Produktionsziele beklagen, heißt es von der Bezirksvertretung in Brandenburg. Das Unternehmen versuche zudem, den Austausch mit der IG Metall zu behindern.
Tesla macht keinen Hehl aus der Abneigung gegen die Gewerkschaft. Das Werk funktioniere am besten, wenn „wir unserem Prinzip treu bleiben und durch Leistung überzeugen“, sagte Geschäftsführer Heiko Steinmetz bei der Betriebsversammlung im Juli. Damit habe sich die Belegschaft „viel, viel Vertrauen“ erarbeitet.
„Das wird aber umso schwerer, wenn dann Leute kommen, die uns Dinge erzählen und Unwahrheiten verbreiten, wie zuletzt an diesen Montagsveranstaltungen“, sagte Steinmetz. Gemeint waren Info-Aktionen der IG Metall. Steinmetz: „Das ist definitiv nicht unterstützend. Das möchte ich an dieser Stelle einfach mal ganz klar sagen.“
Steinmetz wollte seine Kritik an der IG Metall auf Anfrage nicht erläutern. Die Gewerkschaft will sich von ihr nicht abbringen lassen. Es gebe „noch viel zu tun bei Tesla in Brandenburg“ – unter anderem bei der Arbeitssicherheit. Die IG Metall spricht von „gravierenden Mängeln“ und beklagt: „Tesla unternimmt nichts, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern.“
Der Mann, der für die Arbeitssicherheit in Grünheide zuständig ist, heißt Tom Meijerink. „Wir haben viele Arbeitsunfälle gehabt“, sagte er auf der Betriebsversammlung im Juli. Er könne zwar „zum Glück“ sagen, dass die Zahl sinke – zumindest im Verhältnis zur Anzahl der Arbeitsstunden. Es sei aber weiterhin wichtig, die Risiken „nach und nach zu reduzieren“.
Sein Team wolle nun „mindestens eine Maßnahme pro Arbeitsunfall“ ergreifen, um dafür zu sorgen, dass dieser „nicht wieder passiert“. Dabei sei es wichtig, dass die Mitarbeiter alle Vorfälle melden, „damit wir wirklich gut schauen können, was wir dagegen machen“, sagte Meijerink. Das solle „am liebsten“ zusammen mit dem Vorgesetzten geschehen.
Das Handelsblatt wollte wissen, wie viele Unfälle die Mitarbeiter seitdem gemeldet haben und welche Maßnahmen Tesla ergriffen hat. Meijerink verwies an die Pressestelle, die nicht auf Fragen antwortete.
Auch Teslas Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz antwortete nicht auf Fragen. Die Aufnahme der Betriebsversammlung zeigt, dass Schmitz das Problem der vielen Unfälle nicht nur beim Unternehmen verortet. Zwar habe Tesla beim Arbeitsschutz „noch Luft nach oben“, sagte die Betriebsratschefin. Mitarbeiter müssten aber auch auf sich selbst aufpassen. Sie sollten die Laufwege in der Fabrik einhalten und „nicht vor irgendwelchen Gabelstaplern herumflitzen“.
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