Gut ein Drittel aller Supermarkt-Produkte dürfte 2024 teurer werden
Die erhofften Preissenkungen bei Lebensmitteln bleiben aus. Experten fürchten gar, dass viele Produkte nochmals teurer werden. Eine exklusive Analyse hilft beim Sparen.
Düsseldorf. Deutsche Kunden müssen sich trotz zuletzt gesunkener Inflation auf deutlich steigende Preise im Supermarkt einstellen. Experten rechnen damit, dass bis zu 30 Prozent des Sortiments teurer werden könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Preisvergleichs-Portals Smhuggle im Auftrag des Handelsblatts. Schon in der ersten Jahreshälfte haben sich fast 13 Prozent der Artikel verteuert.
Günstiger wurden hingegen nur acht Prozent der Produkte im Lebensmitteleinzelhandel. Der Großteil des Sortiments von knapp 79 Prozent hat sich nicht im Preis verändert.
Während die Preissenkungen nur marginal ausfallen, haben sich einige Produkte allein seit Januar um bis zu 50 Prozent verteuert. Christoph Treiber, Konsumgüterexperte und Partner der Beratung OC&C, bestätigt: „Händler posaunen jede Preissenkung groß hinaus. Aber aufs ganze Sortiment betrachtet haben sie nur sehr wenige Produkte reduziert.“
Die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind laut Statistischem Bundesamt im Juni um 1,5 Prozent gestiegen, vorigen Sommer waren es noch rund 20 Prozent. Was nach einem Rückgang anmutet, heißt allerdings nur, dass die Preise im Handel langsamer steigen als bislang – nicht dass sie im Schnitt sinken.
„Der durchschnittliche Preisanstieg wird im Verhältnis zu den Vorjahren moderater ausfallen. In Summe werden dann aber die Preise seit 2022 im Schnitt um ein Drittel gestiegen sein“, ordnet Sven Reuter, Chef von Smhaggle, die Entwicklung ein.
Hersteller von Waren des täglichen Bedarfs sind seit Pandemie und Ukrainekrieg mit stark steigenden Kosten für Rohstoffe, Logistik und Energie konfrontiert. Einen Teil ihrer Mehrausgaben haben sie an den Handel und so an den Verbraucher weitergereicht.
Das Handelsblatt zeigt, wie sich die Preise im Supermarkt entwickelt haben – und auf was sich Verbraucher einstellen müssen.
So führen Sie richtig in der Transformation
In einem Schwerpunkt wendet sich das Handelsblatt an Führungskräfte, die vor der Frage stehen: Wie klappt Führung und Change Management in Zeiten der Transformation? Lesen Sie hier das Programm im Überblick.
1) Markenprodukte sind noch teurer – aber öfter im Angebot
Dieses Jahr ist vor allem Markenware teurer geworden: 14 Prozent der Produkte haben sich laut Smhaggle seit Januar verteuert. Bei Eigenmarken der Händler sind es nur vier Prozent.
Augenfällig ist das bei Perwoll-Waschmittel: Hersteller Henkel hat den Preis dieses Jahr zwischenzeitlich auf 6,95 Euro angehoben – ein Plus von 56 Prozent zu Anfang 2022. Und Axe verkauft sein Bodyspray im Vergleich dazu nun mit 75 Prozent Aufpreis.
Auch Milka-Schokolade hat mehrfach im Preis angezogen. Seit Anfang 2022 hat sich die Tafel Vollmilch um knapp 30 Prozent auf 1,49 Euro verteuert. Das liegt auch daran, dass Zucker und Kakao weltweit knapp und teuer geworden ist. Wegen Missernten kostet Rohkakao fast doppelt so viel wie im Januar.
Allerdings sind viele Konsumenten bei Alltagsprodukten noch immer sehr preissensibel. „Ohne besondere Aktionsangebote können sich viele Marken kaum noch durchsetzen“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH Köln.
Und das zeigt sich: Während der reguläre Preis von Markenprodukten steigt, bekommen Verbraucher diese immer häufiger im Sonderangebot. Zwischen Juni 2023 und Mai 2024 wurden fast 30 Prozent der Marken des täglichen Bedarfs im Angebot verkauft. Vier Jahre zuvor waren es nur gut 22 Prozent, zeigen Zahlen des Marktforschers Consumer Panel Services GfK.
Bei diesen „Promotions“ gebe es laut Hudetz oft signifikante Preisabschläge von bis zu 60 Prozent. Er befürchtet, dass Kundinnen und Kunden Markenprodukte irgendwann nur noch im Angebot kaufen: „Markenartikler müssen stark aufpassen, dass ihre Wahrnehmung nicht verwässert.“
Christoph Treiber wiederum rät Markenartiklern von dauerhaften Preissenkungen ab: „Für Markenhersteller gibt es momentan keine Notwendigkeit, Preise zu senken und auf Marge zu verzichten.“ Den Mehrumsatz sollten sie in eben jene Rabattaktionen stecken und so neue Käufer an die Marke binden. Schließlich habe sich die Konsumneigung stabilisiert, die Deutschen hätten sich an die höheren Preise gewöhnt.
Markenartikler haben es derzeit insgesamt schwer. Sie legten 2023 trotz der gestiegenen Preise beim Umsatz nur um vier Prozent zu, analysierten Marktforscher. Die verkaufte Menge sank um knapp fünf Prozent. Bei Eigenmarken hingegen stieg der Umsatz um 14 Prozent, auch der Absatz ging leicht nach oben.
2) Aldi und Lidl preschen mit Preissenkungen ihrer Eigenmarken vor
Bei den Produkten, die im ersten Halbjahr günstiger geworden sind, handelt es sich auch meist um Eigenmarken wie „Ja“ oder „Gut & Günstig“ im Preiseinstiegssegment.
So sind etwa die Handelsmarken von Deospray dieses Jahr im Preis gesunken. Diese kosten mit 85 Cent nun sechs Prozent mehr als Anfang 2022, haben sich zwischenzeitlich aber schon um 44 Prozent auf 1,15 Euro verteuert.
Getrieben werden die Preissenkungen durch die Discounter. Wenn Aldi und Lidl Preise senken, ziehen Rewe und Edeka rasch nach. Denn gerade im Preiseinstieg stehen die Vollsortimenter im direkten Wettbewerb mit den Discountern.
3) Butter und Molkereiprodukte ziehen wieder im Preis an
Allerdings hat Aldi Anfang Juli einige Basisprodukte wie Kaffee und einzelne Fleisch- und Molkereiprodukte verteuert. Bei Butter ist es die vierte Erhöhung seit März. Mit 1,99 Euro ist die Eigenmarke so teuer wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr.
Vollmilch kostet mit 1,05 Euro sechs Cent mehr. Grund sind die Rohmilchpreise, die nach einer kurzen Entspannung wieder anziehen. Die Preise von Milch, Butter und Käse waren nach dem Beginn des Ukrainekriegs deutlich gestiegen, hatten sich dann aber wieder normalisiert.
Vielen Kunden wird das neuerliche Preisplus negativ auffallen: Butter und Milch gelten als Eckpreisartikel, Produkte also, die Verbraucher häufig kaufen und die Preiswahrnehmung des gesamten Marktes beeinflussen.
So führen Sie richtig in der Transformation
In einem Schwerpunkt wendet sich das Handelsblatt an Führungskräfte, die vor der Frage stehen: Wie klappt Führung und Change Management in Zeiten der Transformation? Lesen Sie hier das Programm im Überblick.
4) Nicht nur teurer, sondern auch kleiner und qualitativ schlechter
Zuweilen verstecken Hersteller Preiserhöhungen auch hinter einer Rezepturänderung. Dabei sinkt wie bei Granini Trinkgenuss Orange die Qualität. Safthersteller Eckes-Granini halbierte den Fruchtgehalt von 100 auf 50 Prozent. Der Rest wird laut Verbraucherschützern mit Zucker aufgefüllt. Sie sprechen von einer „Mogelpackung“ und monieren eine unklare Kennzeichnung.
Eckes-Granini begründet die Umstellung mit einer extremen Verknappung von Orangensaftkonzentrat. Dies liegt an Ernteausfällen durch den Klimawandel. An den Rohstoffbörsen hat sich der Preis für Orangensaft seit Anfang 2022 verdreifacht.
Durch die Umstellung von Saft auf Nektar könne die Verfügbarkeit gesichert und der Preis konstant bleiben, argumentiert der Hersteller. Allerdings ist der Regalpreis laut Smhaggle schon im Februar 2023 um 28 Prozent zum Vorkriegsniveau gestiegen.
Pepsi hat derweil nicht nur seine Preise angehoben, sondern auch seine Flaschen von 1,5 auf 1,25 Liter verkleinert. Als „Shrinkflation“ kritisieren Verbraucherschützer diese Form der versteckten Preiserhöhung. Der Regalpreis des Softdrinks hat seit Anfang 2022 um mehr als 50 Prozent zugelegt. Auf den Literpreis umgerechnet beträgt das Plus gar 80 Prozent.
Diese Preiserhöhungen seien bereits vor dem Ukrainekrieg geplant gewesen, sagt Torben Nielsen, Pepsico-Chef für den deutschsprachigen Raum. Das erklärte Ziel: mit Marktführer Coca-Cola preislich gleichziehen. Wegen der Kosteninflation mussten die Preise etwas schneller angehoben werden, so Nielsen: „Das kam unglücklich zusammen.“
5) Handelsmarken steigen prozentual stärker im Preis
Zwar ist der Anteil der Eigenmarken, die teurer geworden sind, geringer als bei den Markenherstellern – prozentual gesehen haben die Eigenmarken der Händler aber oft stärker im Preis angezogen. Das liegt daran, dass Kostensteigerungen bei Handelsmarkenproduzenten aufgrund der geringeren Marge besonders belasten.
So sind Eigenmarken-Spaghetti 22 Prozent teurer, während Barilla um elf Prozent angezogen hat. Allerdings kostet das Markenprodukt mit 2,05 Euro mehr als doppelt so viel wie die No-Name-Ware für 79 Cent.
Der Großteil der Handelsmarken von 90 Prozent ist dieses Jahr im Preis konstant geblieben. Bei Marken waren es nur 77 Prozent. „Für Image und Käufergruppen der Eigenmarken ist es wichtig, dass die Preise günstig sind“, sagt Branchenkenner Treiber. „Verbraucher merken, dass sich mit Eigenmarken viel sparen lässt, ohne bei der Qualität große Abstriche machen zu müssen.“
6) Höhere Löhne und Kosten treiben Preise im Supermarkt weiter
Auch wenn die Preise im Supermarkt eine Art Plateauphase erreicht haben: „Perspektivisch werden die Preise in den nächsten Jahren weiter leicht nach oben angepasst werden müssen“, sagen Experten wie Hudetz.
Die Ertragssituation vieler Händler und Hersteller sei so angespannt, dass sie selbst kleinste Kostenanstiege nicht abfedern können, erklärt er. Bei vielen Händlern ist zuletzt die Marge gesunken, weil sie versucht haben, Preisanstiege bei den Kosten abzufedern, ohne sie weiterzugeben.
Nach den Tarifabschlüssen müssen Supermärkte und Discounter nun mit deutlich höheren Lohnkosten kalkulieren – das ist der größte Kostenblock. Lidl hat gerade seinen Mindestlohn auf 15 Euro erhöht, das setzt die Branche unter Zugzwang. Die Ausgaben für Energie und Logistik sinken zwar wieder, liegen aber deutlich über dem Vorkriegsniveau.
So verwundert es nicht, dass laut Ifo-Institut im Saldo 35,2 Prozent der Nahrungsmittel- und Getränkehändler in den kommenden Monaten ihre Preise erhöhen wollen.
So führen Sie richtig in der Transformation
In einem Schwerpunkt wendet sich das Handelsblatt an Führungskräfte, die vor der Frage stehen: Wie klappt Führung und Change Management in Zeiten der Transformation? Lesen Sie hier das Programm im Überblick.
So führen Sie richtig in der Transformation
In einem Schwerpunkt wendet sich das Handelsblatt an Führungskräfte, die vor der Frage stehen: Wie klappt Führung und Change Management in Zeiten der Transformation? Lesen Sie hier das Programm im Überblick.
