Gut und gerne arbeiten: Performance durch ein motivierendes und psychologisch sicheres Umfeld stärken
Menschlichkeit vor Methode: Warum Haltung wichtiger ist als Tools! Die Führungsrolle ist heute ein „All-inclusive-Job“ – wie kriegen wir Professionalität, Menschlichkeit und Performance unter einen Hut? Ein paar Impulse, die zum Nachdenken und Nachmachen anregen.
Was macht gute Führung in Zeiten von hoher Komplexität, Dauerveränderung, Krisenmanagement und steigenden Erwartungen eigentlich aus? Reicht es, Prozesse zu optimieren und Aufgaben zu verteilen? Oder braucht es mehr?
Bei dem firmeninternen Workshops treffe ich regelmäßig auf inspirierende Führungspersönlichkeiten, die sich genau diese Frage stellen. Sie wollen mehr, als Abläufe managen oder Kontrollziele erreichen. Sie wollen in Verbindung sein mit ihren Mitarbeitenden und fragen sich gleichzeitig, wie das in einem fordernden Arbeitsalltag überhaupt gelingen kann.
Aus meiner Sicht ist Führung keine Handlung, sondern eine Haltung. Denn letztlich wollen Menschen geführt werden, nicht verwaltet. Und genau hier setzt moderne Führung an: mit gelebter Menschlichkeit, Sinn und Vertrauen. Wie können dazu konkrete Schritte aussehen?
Menschlichkeit vor Methode: Warum Haltung wichtiger ist als Tools
Die Führungsrolle ist heute ein „All-inclusive-Job“ – ohne Urlaub: Coach, Therapeutin, Krisenmanager, Feel-good-Manager, Wissensmaschine, Strategin, Visionär, Zukunftsforscher, Dirigent, Zirkusdirektor – und manchmal alles zugleich.
Klingt nach einem Superheld:innen-Job? Ganz im Gegenteil: Es braucht keine Übermenschen wie im Film, sondern eine Haltung, die zeigt: „Ich bin stark und dennoch verletzlich. Ich bin reflektiert, kann aber schnell reagieren. Ich bin direkt in meiner Kommunikation, zeige mich aber auch verständnisvoll.“
Kurzum, ein Verhalten, das zeigt: „Auch ich bin ein Mensch.“ Wenn Führungskräfte sich selbst gut kennen, authentisch handeln, regelmäßig reflektieren und empathisch handeln, können sie andere Menschen klarer begleiten, und zwar auf Augenhöhe.
Bei allen Führungsaufgaben, sei es Feedback geben, Gehälter verhandeln, Aufgaben priorisieren, Konflikte schlichten, sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen. Doch genau hier wird häufig gespart: Stress, Personalnot, akuter Druck führen dazu, dass viele Führungskräfte erschöpfen. In der Folge verlieren Teams Orientierung und Vertrauen. Zwischen To-do-Listen und Meetings geht oft das verloren, was am wichtigsten ist: echte Menschlichkeit. Wie können Führungskräfte also mehr Menschsein in den Arbeitsalltag holen?
Ein zentraler Hebel dabei ist die Wertschätzung. Studien zeigen, dass fehlende Wertschätzung am Arbeitsplatz der häufigste Kündigungsgrund ist. Dabei kann echte Anerkennung so einfach sein: ein ehrliches Lob zur richtigen Zeit, eine kleine Geste, ein sichtbares „Danke“ im Team-Chat. Im Arbeitsalltag kann das beispielsweise so aussehen:
Kudos-Karten: Ein kurzer Dank oder ein Lob schriftlich festgehalten, sei es für eine Kollegin, einen Assistenten oder die Rezeption. Dafür kann man angefertigte Kärtchen mit kleinen Komplimenten nutzen – ansonsten hilft auch ein einfacher Block mit Klebezetteln!
Komplimente to go: Eine Wand in der Praxis mit inspirierenden oder mutmachenden Worten oder Lob für das Team zum Mitnehmen.
Zeit: Unser wertvollstes Gut. Atmet vor einer Begegnung tief durch und schenkt euch sich selbst (und damit dann auch dem Gegenüber) einen achtsamen Moment zum Ankommen in der neuen Situation.
Warum ein starkes „Warum“ Leistung steigert
Wenn wir Menschlichkeit als Basis nehmen, stellt sich weiter die Frage, wie Führungskräfte die Motivation – und somit auch die Leistung – ihrer Mitarbeitenden steigern können. Der Schlüssel zu echter Motivation liegt nicht in Zielvorgaben oder Boni, sondern in der Sinnhaftigkeit der Arbeit. Menschen wollen verstehen, wofür sie etwas tun, welchen Beitrag sie leisten und was sie bewirken können. Führung heißt daher aus meiner Sicht also auch: Orientierung geben.
Das gelingt, wenn regelmäßig das Big Picture aufgezeigt und spürbar gemacht wird: Warum tun wir das? Was gewinnen wir gemeinsam? Was verändert sich dadurch?
Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, Teil von etwas Bedeutsamem zu sein, stärkt das ihre intrinsische Motivation. Doch Sinnvermittlung bleibt oft abstrakt, wenn sie nicht erlebbar wird. Deshalb gilt: Sinn nicht nur erklären, sondern erfahrbar machen. Das gelingt besonders gut durch kreative Methoden und partizipative Formate, die über den klassischen Meetingrahmen hinausgehen.
Wie wäre es zum Beispiel damit, einmal im Monat die gesteckten Ziele visuell auf Papier oder gar auf einem übergroßen Flipchart aufzumalen? Vielleicht sogar mit dicken, bunten Stiften, Bildern oder Symbolen. Dabei wird nicht nur visualisiert, sondern auch das innere Kind aktiviert: Kreativität, Leichtigkeit und Humor dürfen mitspielen. Denn neben der Sinnhaftigkeit ist auch Freude ein zentraler Faktor für Motivation und Verbundenheit im Team.
Gestalten statt reagieren: Selbstwirksamkeit im Arbeitsalltag
Doch selbst das schönste Lob, der stärkste Sinn oder auch der humorvollste Teamtag greifen zu kurz, wenn Menschen nicht das Gefühl haben, selbst etwas bewegen zu können. Genau hier kommt Selbstwirksamkeit ins Spiel.
Selbstwirksamkeit bedeutet: „Ich kann etwas bewirken.“ Dieses Gefühl ist einer der stärksten Motivationsfaktoren überhaupt, es stärkt das Vertrauen in die eigene Kompetenz, fördert Eigenverantwortung und macht Teams resilienter. Wenn Mitarbeitende erleben, dass ihre Handlungen spürbare Auswirkungen haben, steigt nicht nur ihr Engagement, sondern auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und über sich hinauszuwachsen.
Ein bewährter Ansatz ist hier das Modell des Circle of Influence. Lasst eure Mitarbeitenden regelmäßig die Fragen stellen und beantworten: Was kann ich kontrollieren? Worauf kann ich Einfluss nehmen? Was liegt außerhalb meines Einflussbereichs? Diese Reflexion schafft Fokus, senkt Stress und stärkt das Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft.
Führungskräfte können Selbstwirksamkeit gezielt stärken, indem sie beispielsweise Wissen sichtbar machen und teilen lassen. Zum Beispiel, indem im Teammeeting eine kurze Runde etabliert wird: „Was habe ich diese Woche gelernt, das anderen helfen könnte?“ Oder durch „Kolleg:innen zeigen Kolleg:innen“-Formate, in denen ein Skill, ein Tool oder eine Erfahrung vorgestellt wird. So wird Wissen nicht gehortet, sondern geteilt. Das stärkt sowohl das Wir-Gefühl als auch das Vertrauen in die eigene Wirkung.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Beteiligung zu fördern, statt ausschließlich Vorgaben durchzusetzen oder gezielt Experimentierräume zu schaffen, in denen Lernen wichtiger ist als Perfektion. Das kann zum Beispiel so aussehen: Einmal im Quartal stellt ein Teammitglied ein „gescheitertes“ Projekt oder eine nicht ganz geglückte Idee im Rahmen eines „Learning Lunch“ vor. Solche Formate entstigmatisieren Fehler, fördern psychologische Sicherheit und zeigen: Wir wachsen gemeinsam, und zwar nicht nur an Erfolgen, sondern auch an mutigen Versuchen.
Wenn alle im Team einander unterstützen und voneinander lernen, entsteht ein starkes Wir-Gefühl, das Verantwortung und Verbundenheit fördert. Motivation entsteht so nicht durch Druck, sondern durch Sinn, Freude und das Erleben der eigenen Stärke im Tun.
In einer Zeit, die von KI, Krisen und Konkurrenz geprägt ist, braucht es keine perfekten Führungs-Held:innen, sondern echte Menschen mit Haltung. Menschlichkeit ist dabei kein „Soft Skill“, sondern die Basis für Sinnstiftung und Selbstwirksamkeit.
Indem sich Führungskräfte offen mit allen Ecken und Kanten, die sie einzigartig machen, zeigen, geben sie ihren Mitarbeitenden Halt und Orientierung – und können so alte Muster aufbrechen und eine neue (Arbeits-)Welt gestalten. Darum mein Impuls an alle Führungskräfte: Führung beginnt nicht mit Methoden, sondern mit echtem Interesse an Menschen.