H.A.L.T.-Strategie: Trotz Stress cool bleiben und die richtigen Entscheidungen treffen
Sind unsere grundsätzlichen Bedürfnisse in einer stressigen Situation nicht erfüllt, reagieren wir im Job oft impulsiv und treffen schlechte Entscheidungen. Hier hilft die H.A.L.T.- Strategie, die wie ein kurzer innerer Check-up funktioniert. Die Strategie wird übrigens auch bei ADHS und in der Suchttherapie angewandt.
Wenn Stress, Angst oder Wut mal wieder das Ruder übernehmen, ist das kein guter Moment für Entscheidungen. Wir alle waren schon zigmal in solchen Situationen und haben dann das Falsche getan. Und es hinterher bedauert. Im Job kann eine impulsive Antwort auf eine Mail wochenlangen Ärger nach sich ziehen. Oft reagieren wir so, weil wir schon den ganzen Tag gereizt sind, schlecht geschlafen haben, angemessene Anerkennung vermissen und unsere Nerven schlicht blank liegen.
H.A.L.T. hilft, innere Risikozustände zu erkennen.
Handeln aus Impulsen, Stress und negativen Einflüssen heraus hat häufig unerwünschte Effekte. Die H.A.L.T.-Strategie kann helfen, die persönlichen Risikozustände besser zu erkennen und Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Sie ist ein Warnsystem, ein Check-up, mit dem wir kurz überprüfen, ob unsere grundsätzlichen Bedürfnisse gerade befriedigt sind.
Impulsives Handeln aus einem unerfüllten Bedürfnis heraus, fängt schon beim exzessiven Supermarkteinkauf mit einem knurrenden Magen an. Das „H“ wie Hunger – deutsch wie englisch – ist der erste Buchstabe und Schlüssel dieses Akronyms. Die H.A.L.T.-Strategie hat im wörtlichen und übertragenen Sinn mit Hunger zu tun. Im Falle eines leeren Magens nämlich fällt der Blutzuckerspiegel, und die Hormone geraten aus der Balance. Etwas „banales“ wie Unterzuckerung kann durchaus zu hitzigen Reaktionen und schlechten Entscheidungen führen. Ebenso wie zu wenig trinken – oft stecken wir so tief in der Arbeit, sind so konzentriert, dass wir buchstäblich vergessen zu trinken. Und mit Kopfschmerzen durch Dehydrierung steigt nicht unbedingt die Stressresistenz und Freundlichkeit.
Worauf haben wir wirklich „Hunger“?
Im übertragenen Sinn kann uns unser unreflektierter Hunger nach z. B. Anerkennung, Macht oder anderen Formen eines großen Egos auf Wege führen, die uns und anderen schaden. Von welchem Hunger also sind wir gerade geleitet? Und tut uns das und der Sache gerade gut?
H.A.L.T. erinnert uns an die kleinen Dinge der Selbstfürsorge, die wir oft vergessen.Dr. David Streem, Psychiater und Experte für Suchterkrankungen, Cleveland Clinic
Es macht viel Sinn, dass die H.A.L.T.-Strategie auch in der Suchttherapie angewandt wird. Denn dabei geht es um Impulssteuerung und die Auseinandersetzung mit Gefühlen, die unser Handeln steuern. Der Hunger bezieht sich im Zusammenhang mit Suchttherapie (z. B. American Addiction Centers) auf das Suchtmittel – in unserer Kultur oft Alkohol. Und natürlich steckt hinter der Sucht meist ein Hunger nach etwas ganz anderem. Das ist dann die übertragene Bedeutung für das „H“.
Bevor wir uns die Bedeutung der anderen drei Buchstaben anschauen: In deutscher Sprache macht auch der Name der Strategie Sinn. Zuallererst heißt es nämlich in brenzligen Situationen: Halt! Das heißt: Nicht sofort reagieren. Dies gibt uns die Möglichkeit, die Situation etwas abgekühlter und verstandesmäßiger anzugehen. Aber Step by Step ...
H.A.L.T. steht also für Risiken, die zu einer impulsiven Reaktion führen können und alles eher schlimmer als besser machen. Jeder Buchstabe von H.A.L.T. steht für so ein Risiko – wie gesagt, auch im übertragenen Sinn:
H: Hunger
A: Angry
L: Lonely
T: Tired
Das „A“ steht für „Angry“ – eine sehr starke Emotion, die das Handeln ebenso stark beeinflussen kann. Umso wichtiger ist es, sich die Ursache des Ärgers bewusst zu machen. Denn dann verlieren sie etwas von ihrer Macht, uns zu steuern. Unterdrückte und unbewusste Gefühle hingegen sind die mächtigsten und das wahre Problem. Ist der Ärger groß und uns dank H.A.L.T. bewusst, heißt es: jetzt keine eMails schreiben, kein hitziges Gespräch. Erst einmal (mindestens) ein paar Minuten abkühlen. Tipp: Bauchatmung. Beim Einatmen durch die Nase bis drei zählen und beim Ausatmen bis sechs – das probiere ich in meinen Trainings für Mitarbeiter und Führungskräfte direkt mit den Teilnehmern aus.
Fühlen wir uns gerade allein und ohne Verbündete?
Das „L“ steht für "Loneliness", das Gefühl von Einsamkeit. Möglicherweise reagieren wir in einem stressigen Moment zu stark auf einen Trigger, weil wir uns mit einem Problem allein (gelassen) fühlen. Wir machen die Sache dann oft größer als sie ist. Es fehlt die beruhigende Stimme von außen, die Stimme eines Verbündeten. Gerade Führungskräfte fühlen sich oft weniger stark eingebunden und meinen, auf sich allein gestellt zu sein. Also heißt es, sich zu vergewissern, dass es diese Verbündeten durchaus gibt: Kollegen, das Team, Freunde, Partner … Oder kurz mal einen Videocall und etwas plauschen, wenn das Homeoffice Gefühle von Isolation aufkommen lässt. Es kann auch heißen, selber die Stimme des Verbündeten zu sein und sich selbst innerlich positive, ermutigende Worte zuzuflüstern. Auch das kann etwas beruhigen und für mehr Ruhe und Coolness sorgen.
Schlechter Schlaf, schlechte Entscheidungen
Wie wir reagieren, wenn wir längere Zeit zu wenig Schlaf hatten, weiß wohl jeder aus eigener Erfahrung. Wenig Schlaf heißt durchschnittlich weniger als acht bis neun Stunden pro Nacht, sagen Schlafforscher. Richtig, nicht sechs und auch dauerhaft nicht sieben. Zu wenig Schlaf heißt ganz eindeutig, dass wir keine guten Entscheidungen mehr treffen können. Schlichtweg, weil unser frontaler Cortex, der das Verstandesmäßige steuert, nicht mehr gut arbeitet, und unser Gehirn nachts neue Informationen zuordnen und alte über Bord werfen soll. So leiden unter Schlafmangel auch das Erinnerungsvermögen und die Lernfähigkeit. Zudem findet nachts in unserem Gehirn so etwas wie eine Müllabfuhr von Stoffwechselprodukten statt.
Ein Powernap erhöht deine Kreativität, zeigt eine französische Studie.
Was helfen kann: Drei Tage lang wirklich mal um 22 Uhr ins Bett gehen – das Smartphone wird vorher auf Flugmodus gestellt und muss mal im Wohnzimmer übernachten. Am Wochenende dann ein 20-minütiges Nickerchen einschieben. Das erhöht nicht nur dein Konzentrationsvermögen und deine Kreativität, wie eine französische Studie zeigt, es werden auch Hormone ausgeschüttet, die uns im Wachzustand gegen chronischen Stress schützen. Ganz ehrlich: Die Effekte sind so positiv, dass schlaue Chefs und ihre Unternehmen – sofern es die Abläufe möglich machen – den Powernap empfehlen sollten. Kein Scherz.
Am Ende des Tages ist H.A.L.T. eine sehr praktisch anwendbare Resilienzstrategie, die eine bessere Emotionssteuerung und Impulskontrolle ermöglichen kann. Und sie ist einfach zu merken. Einfach mal drei Tage lang ausprobieren ...
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Quellen:
Football Mental Health Alliance
American Addiction Centers
clevelandclinic.org
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Studie "Sleep onset is a creative sweet spot" in "Science Advances", 2021: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abj5866