Neue Perspektive auf die Jobsuche | © Getty Images

Hauptsache, was Sicheres? 4 Dinge, die die Gen Z bei der Jobsuche von ihren Eltern unterscheidet

Sie ticken anders, arbeiten anders und suchen anders: Warum die Jüngeren bei der Jobsuche heute völlig neue Wege gehen können.

Elf Jahre – so lang bleiben Arbeitnehmende in Deutschland laut einer Studie bei einem Arbeitgeber. Und auch wenn andere Untersuchungen derzeit eine extrem hohe Wechselwilligkeit suggerieren, ist dieser Wert in den vergangenen 25 Jahren recht stabil geblieben. Und dennoch: Die Wechselquoten sind auf einem Allzeithoch. Im ersten Halbjahr 2023 wechselte mehr als ein Viertel der deutschen Arbeitnehmer*innen den Job.

Besonders wechselwillig scheinen jüngere Menschen zu sein. So waren 2023 43% der jüngeren Menschen offen für einen neuen Arbeitgeber – gerade zwischen der Gen Z und ihren Eltern scheint es also große Unterschiede bei der Jobsuche zu geben.

Das Spannende: Dieser historische Vergleich ist ein guter Gradmesser dafür, welch wunderbare Fortschritte wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in diesem Bereich gemacht haben. Schauen wir also genauer hin.

1. Zeitung vs. Onlineportale

Ich erinnere mich noch gut daran, dass die Regionalzeitung aus meiner Heimat früher vorzugsweise am Wochenende zu einem großen Teil aus der sogenannten Jobbörse bestand. Hier schrieben Unternehmen ihre offenen Stellen aus, man setzte sich mit Textmarker und Kugelschreiber an den Frühstückstisch und scannte die Angebote – heutzutage läuft alles über Online-Jobportale wie XING.

Dieser Unterschied mag banal erscheinen, hat aber ganz konkrete Konsequenzen: In der regionalen Tageszeitung suchte man eben auch insbesondere nach regionalen Jobs. Wenn man sich überregional bewerben wollte, brauchte man Zugriff zu den entsprechenden überregionalen Portalen oder musste selbst zu Hörer greifen und das Unternehmen der Wahl direkt kontaktieren. Der Aktionsradius unserer Eltern war also deutlich kleiner.

2. Reaktiv vs. proaktiv

Viele Jobs kommen heutzutage per Direktkontakt zustande. Über Online-Portale wird man durch eine*n Headhunter*in oder Recruiter*innen kontaktiert, die auf Basis öffentlicher Informationen auf dem eigenen Profil wie Lebenslauf und Qualifikationen vorab die Passung auf bestimmte Stellen prüfen. Und natürlich, Headhunter*innen gab es auch vor 25 Jahren schon. Deren Informationsbasis war aber deutlich geringer als in Zeiten von XING und Co.

Unsere Eltern waren also viel stärker darauf angewiesen, sich proaktiv zu bewerben, auf Stellenanzeigen zu antworten und persönlich bei Personaler*innen vorstellig zu werden. Die Sichtbarkeit von Arbeitnehmenden ist heutzutage deutlich größer – und damit auch die Chancen für den perfekten Match.

Aus der Brand-Kampagne von XING: „Finde den Job für Dich. Nicht für das Kind Deiner Eltern.“
Aus der Brand-Kampagne von XING: „Finde den Job für Dich. Nicht für das Kind Deiner Eltern.“

3. Sicherheit vs. Jobhopping

„Jobhopping“ beschreibt das Phänomen, bei dem eine Person häufig und wiederholt zwischen verschiedenen Arbeitsstellen oder Jobs wechselt, oft in kurzen Zeitabständen. Was aber in der Generation unserer Eltern oft als Zeichen für mangelnde Arbeitsstabilität und Loyalität gegenüber den Arbeitgebern behandelt wurde, ist heutzutage deutlich weniger negativ konnotiert. Natürlich hat Jobhopping auch immer eine volkswirtschaftliche Komponente – wenn die Wirtschaft brummt und gleichzeitig ein Fachkräftemangel herrscht, ist ein Wechsel schneller vollzogen, als wenn hohe Arbeitslosigkeit herrscht oder Stagnation droht.

Am wichtigsten ist für mich aber, den Jobwechsel, auch den schnellen, von einem negativen Beigeschmack zu befreien. Und jeden Grund, der einer Veränderung zugrunde liegt, als legitim zu erachten – ganz gleich, wie alt die Person ist, die ihn vollzieht.

4. Mut zur Lücke vs. Angst vor der Lücke

Als ich Abitur gemacht habe, hieß es von meinen Lehrer*innen immer wieder: „Achte auf den roten Faden in deinem Lebenslauf und sorge dafür, dass er keine Lücken hat.“ In einer Zeit, in der vieles ohnehin kaum mehr planbar ist und eine technologische Disruption auf die andere folgt, ist dieses Motto aus meiner Sicht vollkommen veraltet – und hat auch schon in der Vergangenheit dazu geführt, dass Menschen aus Angst davor, eine „Lücke“ im Lebenslauf zu haben, bei der Jobwahl weder ihrer Passion noch ihren Potenzialen gefolgt sind.

Heutzutage ist das glücklicherweise anders – es geht sogar so weit, dass Brüche und Lücken als individuelle Lern- und Reflexionserfahrungen geschätzt werden. Und ohnehin: Schon allein der Begriff „roter Faden“ stört mich gewaltig, rot steht für: Achtung, bloß nicht aus den Augen verlieren. Warum nicht grün, warum nicht bunt? Und warum nicht viele Fäden, die sich miteinander zu einem immer kunstvolleren Lebensteppich verknüpfen?

Bewerbung um Mitarbeitende vs. Bewerbung um eine Stelle

Die vielen Diskussionen um die angeblich verzogene Gen Z zeigen vor allem eins: Junge Menschen sind gegenüber Unternehmen deutlich selbstbewusster geworden. Auch das hat sicherlich eine konjunkturelle Komponente, ich glaube aber, dass auch hier ein Bewusstseinswandel eingesetzt hat. Die Menschen (und nicht nur die jüngeren) haben verstanden, dass sie bei der Jobsuche keine Bittsteller sind – sondern formulieren offensiv Ansprüche an Unternehmen und hinterfragen bereits im Vorstellungsgespräch Regelungen, die aus ihrer Sicht wenig sinnvoll sind. Beispiel gefällig?

Ein Bekannter von mir bewarb sich jüngst bei einem Start-up – mit drei Pflichtpräsenztagen. Da er aber nachmittags sein Kind aus der Kita abholen musste, bat er darum, fünf Vormittage pro Woche ins Büro kommen zu können, um Nachmittags von zu Hause zu arbeiten. Die Antwort: „Geht nicht.“ Statt zu verhandeln, zog mein Bekannter weiter – und dem Unternehmen ging ein guter Mitarbeitender durch die Lappen. Für die Unternehmen ist dieses neue Selbstbewusstsein auch eine Chance, althergebrachte Prozesse zu hinterfragen und zu wachsen. „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist immer ein schlechter Begleiter.

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Mein Buch „Du bist mehr als eine Zahl. Warum das Alter keine Rolle spielt“ ist kürzlich im Murmann Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.

Dr. Irène Y. Kilubi schreibt über Marketing & Werbung, Bildungswesen, Wirtschaft & Management, Internet & Technologie

Ihre langjährige Erfahrung in Sachen Digital Personal Branding, Entrepreneurship, Startups, Innovationen und Digital Learning möchte sie nun mit Ihnen teilen – ein Angebot, das Ihnen die Weichen für mehr Erfolg in Ihrem Business und Ihrer Karriere stellen soll.

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