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Lass klingeln: Die GenZ tut sich schwer mit der klassischen Telefonfunktion | ©SergioMendozaHochmann/GettyImages

Hemmung vor dem Hörer: Verlernt die Generation Z das Telefonieren?

Die junge Generation kann alles mit dem Smartphone – außer anrufen. Ein Blick auf die Veränderungen in der Kommunikation und warum Telefonieren im Job immer noch wichtig ist.

Wir taten es stun-den-lang. Auch wenn wir gerade erst aus der Schule gekommen und es keine 30 Minuten her war, dass wir uns gesehen hatten: Der Griff zum Hörer gehörte einfach dazu. Wie Süchtige hingen wir an der Telefonleitung, waren nur schwer davon zu trennen. Und nur unter großem Widerstand machten wir die Leitung frei, weil unsere Eltern einen wichtigen Anruf erwarteten. Flatrate? Eigenes Telefon? Fehlanzeige. Lang, lang ist’s her.

Wenn ich heute daran zurückdenke, wie viel Zeit ich früher mit meinen Freundinnen am Telefon verbracht habe, relativiert sich der Schock über die Mediennutzungsdauer der heutigen Jugend: 621 Minuten täglich gehen für Video, Audio, Text und Internet drauf. Laut einer Studie der Postbank verbringen Jugendliche 43,7 Stunden pro Woche am Smartphone – mehr als eine Vollzeit-Arbeitswoche! Nur am Ohr haben sie es selten.

Die Generation Z ist mit neuen Kommunikationsmitteln aufgewachsen, die unsereins (damit meine ich die Generation Y und älter) damals noch nicht kannte. Statt zu telefonieren, schreiben sie lieber kurze Nachrichten, nutzen Whatsapp, Instagram, Tiktok, Snapchat und andere Plattformen, um sich auszutauschen. Und seien wir ehrlich: Auch wir „Älteren“ sind mittlerweile Expertinnen und Experten darin, uns schriftlich auszudrücken – sei es per E-Mail oder über soziale Medien.

Manchmal muss man reden.
Vanessa Weber, Geschäftsführerin Werkzeug Weber

Versteht mich nicht falsch: Auch ich liebe es, Whatsapp und digitale Tools zu nutzen und einfach zeitunabhängig zu kommunizieren. Doch manchmal muss man reden. Weil sich manche Dinge eben telefonisch schneller klären lassen, weil es manchmal auf den Ton ankommt oder weil man direktes Feedback braucht.

Insbesondere junge Menschen scheinen gern ihr Smartphone vorzuschieben, wenn es um Gründe geht, warum sie ein Gespräch nicht abnehmen konnten: kein Netz, Akku leer, Handy auf lautlos, konnte gerade nicht rangehen, Telefon spinnt. Die Ausreden sind vielfältig.

Die nächsten Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt sind stark von der sogenannten Telefonangst betroffen: Fast jede fünfte Person zwischen 12 und 19 Jahren vermeidet laut der JIM-Studie 2018, Anrufe zu tätigen. Kontrollverlust spielt dabei eine große Rolle: Wer schriftlich kommuniziert, kann planen, sich Zeit nehmen und korrigieren.

Gespräche, die ich dazu mit Menschen aus meinem Umfeld geführt haben, lassen vermuten, dass zwischen privat und beruflich bzw. zwanglos und herausfordernd unterschieden werden muss. Mit dem Freundeskreis ist das Telefonieren kein Problem. Aber bereits, wenn der Tennis-Lehrer oder die Ärztin informiert werden soll, dass man es nicht zum vereinbarten Termin schafft, wird lieber geschrieben als geredet.

Warum ist Telefonieren immer noch wichtig?

Drei Gründe, die aus meiner Sicht fürs Anrufen sprechen:

a) Persönliche Verbindung

📱 🔔 🫣 Ja, Emojis können viel sagen, aber sie ersetzen nicht die menschliche Stimme und die Nuancen, die sie transportiert. Telefonieren ermöglicht eine unmittelbare und persönliche Verbindung, die in schriftlichen Nachrichten jeder Art oft verloren geht. Gerade in Geschäftsbeziehungen halte ich es für wichtig, diese persönliche Note beizubehalten. In Zeiten von künstlicher Intelligenz mehr denn je.

b) Effiziente Kommunikation

Mal ehrlich: Komplexe Fragen oder Probleme können oft schneller und effizienter telefonisch geklärt werden. In einem Gespräch lassen sich Missverständnisse sofort klären, und es eröffnen sich Möglichkeiten, die in kurzen Nachrichten oft unerreicht bleiben. Wie oft denke ich am Ende eines langen Kurznachrichten-Hin-und-Hers: „Hätten wir doch besser gleich gesprochen.“

c) Soft Skills entwickeln

Telefonieren verbessert wichtige Soft Skills wie Empathie, aktives Zuhören und Kommunikationsfähigkeit. Diese Fähigkeiten sind nicht nur im Geschäftsleben entscheidend, sondern auch im persönlichen Umfeld.

Rhetorik-Trainer Patric Kutscher schult Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Alters in der hauseigenen Weber Akademie.
Rhetorik-Trainer Patric Kutscher schult Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jeden Alters in der hauseigenen Weber Akademie.

Wie kann man die Kompetenz zum Telefonieren trainieren?

Drei Methoden, die ich recherchiert habe und die für mich vielversprechend klingen:

a) Rollenspiele

Führe Rollenspiele mit Kolleginnen und Kollegen oder Freundinnen und Freunden durch, um verschiedene Situationen am Telefon zu üben. Es mag anfangs vielleicht albern erscheinen, aber kann eine effektive Methode sein, um Sicherheit zu gewinnen.

b) Telefon-Tandems

Organisiere Telefon-Tandems im Unternehmen, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig miteinander telefonieren. So wird die Hemmschwelle abgebaut, und es entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre.

c) Bewusste Nutzung

Ermutige die GenZ-Mitarbeitenden dazu, das Telefon bewusst öfter zu nutzen, wenn die Situation es erlaubt. Anstatt immer eine Nachricht zu tippen, kann ein kurzes Telefonat oft viele Vorteile bringen.

Fazit: Da müssen wir rangehen!

Trotz der digitalen Revolution bleibt das Telefonieren meiner Meinung nach eine wichtige Fertigkeit. Als Chefin eines Unternehmens habe ich selbst festgestellt, wie verlockend es ist, sich in der schriftlichen Kommunikation zu verlieren. Doch lasst uns die Vorteile des Telefonierens nicht vergessen. Es ermöglicht eine persönliche Verbindung, effiziente Kommunikation und den Aufbau wertvoller Soft Skills. Ich freue mich schon auf die erste Bewerbung, in der ein junger Mensch von sich behauptet, gut telefonieren zu können ... Trotzdem möchte ich einmal betonen: Jede Generation hat Stärken und Schwächen. Wenn es zum Beispiel darum geht, selbstbewusst vor der Kamera zu agieren und Videos im Stile von Influencern zu drehen, ziehe ich meinen Hut vor der GenZ. Auch die Geschwindigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der sie sich neue Dinge aneignen und selbst beibringen, beeindruckt mich. Warum nicht etwas „Altes“ wie das Telefonieren neu lernen. Ihr schafft das! 💪 Also, liebe GenZ und auch wir Digital Natives, lasst uns das Telefon nicht vergessen und „den Hörer“ öfter in die Hand nehmen. Es kann uns in der Geschäftswelt und im privaten Leben weiterbringen und uns auf eine Weise verbinden, die keine Whatsapp-Signal-Telegram-Nachricht der Welt je erreichen kann.

In diesem Sinne: Ruf doch mal an! Es lohnt sich.

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf einen Kommentar von dir.

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Vanessa Weber schreibt über Unternehmertum, Marketing, Nachfolge, Führung

Vanessa Weber ist Geschäftsführerin und Unternehmerin aus Leidenschaft. Heute ist sie neben ihrer Tätigkeit für ihre Firma als Vortragsrednerin tätig und vermittelt ihr Fachwissen sowie ihren Erfahrungsschatz an andere Unternehmer. Sie ist eine Frau aus der Praxis für die Praxis.

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