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Herausforderung Digitalisierung: radikal oder inkrementell?

Die Digitalisierung hat das Potenzial, „bisherige, über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsmodelle in kurzer Zeit auszuhebeln“. Dieser Aussage von Ayla Busch, Co-CEO des Vakuumpumpen-Hidden-Champions Busch, ist kaum zu widersprechen, denn Digitalisierung vollzieht sich nicht im Tempo normaler industrieller Entwicklungen, sondern viel schneller.

Gleichwohl widersprüchlich ist für den Strategie- und Marketingexperten Hermann Simon die Art und Weise, wie Digitalisierung wahrgenommen wird. Viele Menschen begegnen dem Thema mit Sorge, weil das Neue und Unbekannte oft größer und gefährlicher als das Alte wahrgenommen wird. „Die Digitalisierung stellt alle Unternehmen und natürlich auch die Hidden Champions vor gewaltige Herausforderungen“, schreibt Hermann Simon in seinem aktuellen Buch, in dem er auch die Fragen diskutiert, ob sich Unternehmen völlig neu aufstellen und ihr Geschäftsmodell fundamental reorganisieren oder eine schrittweise, inkrementelle Digitalisierung praktizieren sollen. All dies muss differenziert betrachtet werden. Dabei bringen uns Alarmismus und Panik allerdings nicht weiter, auch sollte die Digitalisierung weder gefürchtet noch verehrt werden. Vor allem geht es doch zunächst einmal darum, dass ihre Rolle verstanden wird, um sie nachhaltig zu gestalten. Das gelingt nur, wenn darauf vertraut wird, dass sich unser Leben durch den digitalen Wandel signifikant verbessern.

„Veränderungsprozesse müssen strategisch auf allen Unternehmensebenen angebunden sein. Entscheidende Impulse und Maßnahmen müssen dabei von der Führungsebene ausgehen“, sagt Ulrike Böhm, zuständig für Changemanagement beim Druckluftspezialisten Mader in Leinfelden-Echterdingen. Voraussetzung ist ein tiefergehendes Verständnis der eigenen Unternehmenskultur – ein kurzer Wandel ist nicht nachhaltig. Eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit in der digitalen Transformation scheitert heute in vielen Unternehmen noch häufig an Abteilungs- und Silodenken sowie mangelhafter interner Kommunikation.

„Fundamental anders stellt sich die Situation bei Start-ups dar. Sie haben die Chance, ihr System völlig neu zu konzipieren und die Potenziale der Digitalisierung dabei voll auszuschöpfen“, schreibt Hermann Simon. Das erkennen zunehmend auch mittelständische Unternehmen, die Tradition und Innovation nachhaltig verbinden. So entschlossen sich 2018 die beiden Geschäftsführer der Mader GmbH & Co. KG, Werner Landhäußer und Peter Maier, zur Gründung des Start-ups LOOXR, einem Spin-off des Unternehmens – mit dem Ziel, den gesamten Druckluftprozesses zu digitalisieren. Inzwischen wurde die operative Führung an eine jüngere Generation übergeben. In bestehenden Strukturen von Großunternehmen ist es häufig noch schwierig, notwendige, disruptive Veränderungen umzusetzen. Start-ups haben die Möglichkeit, losgelöst von einengenden Vorgaben neue Wege zu gehen und erfolgreiche Business-Modelle zu entwickeln.

Das zukünftige wirtschaftliche Zentrum der Welt sind nicht mehr der Atlantik und Europa

Dabei sollte die Beschäftigung mit China nicht vernachlässigt werden, denn im Digitalisierungskontext geht es heute hauptsächlich auch um die „neuen Spielregeln im chinesischen Jahrhundert“, so Hermann Simon. „Die Zukunft wird sich um den Pazifik abspielen. Chinas Regierung wappnet sich für dieses kommende Zeitalter im 21. Jahrhundert. Wir in Europa und der EU sollten das besser auch tun“, sagt der Digitalisierungsexperte Tobias Loitsch, der mit seinem Engagement dazu beitragen möchte, Verständnis zu schaffen, Wissen zu vermitteln und persönliche Erfahrungen zu teilen. Schließlich kann nur Offenheit und gegenseitiger Respekt dazu beitragen, China zu verstehen – besonders aus deutscher Sicht. Vor allem können wir von der chinesischen Kultur lernen – hier besteht keine Angst vor IT und Innovationen, sondern im Gegenteil, diese werden (heraus-)gefordert“, so Olaf Schulze, der das Energiemanagement der METRO AG verantwortet.

  • Tobias Loitsch: China im Blickpunkt des 21. Jahrhunderts. Impulsgeber für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. 2. Aufl. SpringerGabler 2021.

  • Hermann Simon: Hidden Champions. Die neuen Spielregeln im chinesischen Jahrhundert. Campus Verlag GmbH Frankfurt/New York 2021.

  • Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer: Vorwort. CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage, SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

  • Alexandra Stefanov, Claudia Bünte, Till-Hendrik Schubert: Digitalisierung Made in China. Wie China mit KI und Co. Wirtschaft, Handel und Marketing transformiert. ExpertInneninterviews / Beispiele / Praxistipps. Norderstedt (Books on Demand) 2021.

Kommentare

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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