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Herausforderungen durch digitale Transformation und PSD2

Seit dem 13. Januar 2018 sind die letzten (und meisten) Regelungen der zweiten EU Payment Service Directive (PSD2) endgültig in Kraft getreten. Neben der starken Authentifizierung und Veränderungen bei Kreditkartengebühren und -regelungen ist die Stärkung des digitalen Wettbewerbs der wohl wichtigste und meistdiskutierte Bestandteil der Richtlinie. Neue Regeln sollen den Zahlungsauslöse- (ZAD) und Kontoinformationsdienstleistern (KID) den Markteintritt erleichtern. Digitale Kontoschnittstellen sollen allen zulässigen Anbietern – nicht mehr nur der Hausbank – Zugriff auf detaillierte Kontodaten erlauben.

Fabian Kroll und Dr. Michael Seibold von Berg Lund & Company haben die Auswirkungen und Herausforderungen durch PSD2 in einem Gastbeitrag für den Bank Blog hinterfragt. Sie stellen die Frage, ob PSD2 tatsächlich ein kompletter „Game-Changer“ sei?

Alter Wein in neuen Schläuchen

Viele der vermeintlichen Herausforderungen aus PSD2 sind ihnen schon vor Jahren in Projekten bei Finanzdienstleistern begegnet.

Beispiel standardisierte Schnittstelle. Die Debatte rund um die Regulatorisch Technischen Standards (RTS) für den Access to Accounts (XS2A) abspielte, zeigt, wie wichtig allen das Thema ist. Eine einfache, schnelle Schnittstelle wäre für jeden Drittanbieter ein Segen. Das Datenmonopol der Hausbank wäre gebrochen. Mit dem Verbot von Screen Scraping und der Bereitstellung einer – aus FinTech-Sicht zu leistungsschwachen – Schnittstelle ändere sich aber gegenüber den bisherigen Arrangements nur wenig.

Auch werden Kunden nicht erst jetzt zum Souverän über ihre Daten, weil sie dank PSD2 bestimmen könnten, welcher Drittdienstleistern darauf zugreifen darf. Schon vor PSD durfte keine Bank Daten einfach so verwenden oder herausgeben; gleichwohl konnten Kunden Dritten über ihre Credentials Zugriff auf die eigenen Daten verschaffen. Sonst hätten die Kontoaggregatoren bisher wohl kaum funktioniert.

Zweifel sind also angebracht, ob PSD2 tatsächlich neue Risiken für Banken durch einen Einbruch in deren Kundendatenwelt herbeiführt. Und auch bei den Chancen gilt: Es wird keine geben, die es nicht auch vorher schon gab.

Vom Kunden her denken

Auch das Vorgehen, ein Produkt vom Kunden ausgehend zu entwickeln, seine Bedürfnisse kennenzulernen und ihn in die Entwicklung direkt mit einzubeziehen, ist etwas, das die Digitalisierung – und nicht PSD2 – längst erfordert. Dabei waren und sind Startups diejenigen, die vormachen, wie es geht. Im Ergebnis erhält der Kunde möglichst einfach zugängliche und bequem zu bedienende Bedienoberflächen. Kernprämisse dabei ist, jegliche Abschlusshürde so niedrig wie möglich zu halten.

Am Ende geht es immer um die Grundbedürfnisse beim Banking: Die Kunden möchten zahlen, leihen, sparen, anlegen und vertrauen. Dienstleistungen, die ein Startup ohne Banklizenz und Kreditführerschein nicht bieten kann. Hier liegt eine Chance für die Banken: Produkte deutlich einfacher gestalten, Abschlusshürden senken, den Kunden in den Mittelpunkt rücken.

Die eigentliche Herausforderung liegt in der Digitalisierung

In vielen Fällen kodifiziert die Zahlungsdienstrichtlinie oft nur das, was längst Realität ist. Die eigentliche Herausforderung heißt Digitalisierung, nicht PSD2.

Dazu reiche es nicht, agile Entitäten einzurichten und mit Schlagwörtern aus der Welt von Scrum, Extreme Programming & Co. um sich zu werfen. Oft würde durch die neuen Einheiten lediglich ein neues Silo geschaffen, das nicht zum Rest der Bank passt. Unterschiede in der Kultur und Arbeitsweise erschweren dabei die alltägliche Zusammenarbeit – insbesondere, wenn es darum geht, neue Ideen auch wirklich umzusetzen.

Digitalisierung und die Öffnung für neue Kooperationsansätze erfordern vielmehr einen Kulturwandel in Governance und Steuerung von Unternehmen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die veraltete IT-Struktur vieler Banken. Sie möchten mit neuen Schnittstellen dem Kunden näherkommen und sind mit Hochdruck dabei, komplexe Bankprozesse in ihre Bestandteile zu zerlegen und einzeln anzubieten. Jedes individuell gestaltete Interface – sei es im Vertrieb oder im Backoffice – „zieht“ sich über die API-Schnittstellen den Service, den es gerade für den Frontend-Prozess benötigt.

Auf kurze Sicht betrachtet ist diese Entwicklung begrüßenswert und zahlt voll auf die oben genannten Chancen ein. Auch mag sie von PSD2 befeuert worden sein. Auf lange Sicht übertüncht sie aber nur oberflächlich ein Problem, das viel tiefer liegt: Jede API und Middleware übersetzt lediglich, was im Backend passiert. Die Kernbanksysteme aller alteingesessener Häuser sind jedoch eine Legacy, die bis in die Steinzeit der IT zurückreicht. Jede Veränderung, jede Produktinnovation zieht einen Programmieraufwand nach sich, der das bestehende System noch ein bisschen komplexer (und damit teurer) für nachfolgende Veränderungen macht. Da eine Bank zu 70 Prozent als ein IT-Unternehmen betrachtet werden kann, wird diese Entwicklung früher oder später in den „Deadlock“ für Produktinnovationen sowie schnellere und bessere Services führen.

Neue Wege gehen

Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, müssten Produktmanagement und IT immer weiter zusammenwachsen. Das gegenseitige Verständnis gilt es zu schärfen, Kompetenzen auszuweiten und die Prozesse an den Schnittstellen zu verschlanken. Das kann so weit gehen, dass IT und Produktmanagement auch organisatorisch bis hin zur Vorstandsebene miteinander verschmelzen.

Eine solche Überwindung der Silos – sowohl zwischen alter Bank und „hippen“ Unternehmenseinheiten also auch zwischen IT und Produktmanagement – erlaube es jeder Bank, sich selbstbewusst den Herausforderungen der digitalisierten Welt zu stellen. Auch in Zeiten der PSD2.

Ausführlich im Bank Blog: Digitale Innovation und PSD2 – alter neuer Hut

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Dr. Hansjörg Leichsenring schreibt über Finanzdienstleistung, Banken und Sparkassen

Seit über 30 Jahren befasse ich mich beruflich mit Banken und Finanzdienstleistern und berichte als Herausgeber und Autor des Bank-Blogs regelmäßig über aktuelle und grundsätzliche Entwicklungen und Trends rund um Banken und Finanzdienstleister.

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