Hitze, Übersterblichkeit und enorme Kosten
Der „Hitzeaktionstag“ am 4. Juni war groß angelegt, doch die meisten Aktionen fallen eher banal aus und kosten wenig bis nichts. Dafür werden wirkungsvolle Maßnahmen in Zukunft richtig teuer.
Am vergangenen Mittwoch zeigte sich das Wetter in Deutschland so gemäßigt, wie es dem Namen der Klimazone entspricht. Aber die Erinnerung an 2022 und ’23 sollte noch so frisch sein, dass der internationale Hitzeaktionstag für seine zentrale Aussage Gehör findet: „Hitze ist das größte klimabedingte Gesundheitsrisiko.“
Anstieg geringer als erwartet
Dazu wurden neue Zahlen zur hitzebedingten Übersterblichkeit in Deutschland geliefert: In den Sommern 2023 und 2024 gab es jeweils etwa 3000 hitzebedingte Todesfälle, vor allem bei Menschen über 75 Jahren mit Vorerkrankungen. Die Untersuchung von Wissenschaftlern des Umweltbundesamts und des Robert Koch-Instituts (RKI) diente vor allem dazu, die Berechnungen dieses Risikofaktors zu präzisieren. Tatsächlich kommen die Forscher zu dem Schluss, der Anstieg sei geringer, als es aufgrund der steigenden Temperaturen in der Folge des Klimawandels zu erwarten gewesen wäre.
Zwei Drittel machen sich Sorgen
Weitere Erkenntnisse, die mit der Studie nun besser belegt werden können: Die Hitzeinseln in Städten führen dort wohl nicht zu mehr Todesfällen, die Belastung der Luft durch Schadstoffe ebenso wenig. Auch das Geschlecht spielt offenbar keine besondere Rolle. Das Alter ist der alles überragende Faktor.
Womöglich waren die ebenfalls passend zum Aktionstag präsentierten Zahlen einer Forsa-Umfrage (im Auftrag der AOK) aufrüttelnder: Rund ein Viertel der Befragten litt im vergangenen Jahr unter gesundheitlichen Folgen durch Hitze. Bei den über 60-Jährigen war es ein Drittel. Wetterextreme machen zwei Dritteln der Menschen große oder sogar sehr große Sorgen. Solche Zahlen erklären die Neigung vieler Medien, nach einigen warmen Frühjahrstagen einen „Jahrhundertsommer“ zu prognostizieren. Meteorologen werden allmählich müde zu erklären, dass so etwas niemand seriös voraussagen kann.
Ein Drittel leidet stark
Dabei ist die Realität dramatisch genug. Es gibt kaum eine Organisation oder Institution, die sich zum Aktionstag nicht mit den immer ähnlichen Tipps gemeldet hätte: Verschatten, Schonen, Trinken, Lüften, auf Ältere aufpassen. Eine Sonderseite des Deutschen Städtetags zeigt „Best Practice“-Beispiele aus vielen Städten, die regelmäßig auf einige Trinkwasserbrunnen, Infobroschüren und eine Hitzesorgen-Telefonnummer hinauslaufen.
Die Kühle-Orte-Karten
Einige Städte warten mit „Kühle-Orte-Karten“ auf. Hamburg verweist neben Schwimmbädern und „Trinkwasser-Refill“ überraschend auf seine öffentlichen Bücherhallen. In München tauchen dafür Kirchen auf, ein ewiger Geheimtipp von Urlaubern, die sich sommers in den Süden trauen. Solche Ideen haben eine Gemeinsamkeit: Sie verursachen keine oder geringe Kosten.
Ein Stück Schwammstadt
Das gilt nicht für die markante Ausnahme Bremen: Der klimaangepasste Umbau der Dechanatstraße im historischen Schnoorviertel kostete knapp eine Million Euro. Nach dem Prinzip der „Schwammstadt“ wurde dort vor allem die Regenwasserversickerung umgebaut, das Wasser fließt nicht in die Kanalisation, sondern wird für Bäume und Sickerbeete gespeichert. Was hier in einer kleinen Altstadtgasse gemacht wurde, wäre in zehntausendfacher Ausführung eine gigantische Aufgabe.
Die Kosten für wirklich effektive Anpassungen sind noch kaum kalkuliert. Beispielhaft sagt Michaela Engelmeier, Vorstand des Sozialverbands Deutschland: „Wir müssen endlich anfangen, hitzetauglich zu bauen.“ Dazu gehört vor allem die Entsiegelung von Flächen, die aber stets auf lokalen Widerstand stößt. Die Renovierung des Gendarmenmarkts in Berlin mit 14.000 Quadratmetern hellem Pflaster löste einige Fassungslosigkeit aus – der Platz ist preußisch-denkmalgerecht, wird aber im Hochsommer nicht viel Freude machen. Immerhin wird auch dort das Regenwasser versickert, nicht kanalisiert.
Kaltluft von den Ingenieuren
Tatsächlich gibt es schon eine auf städtische Hitze zugeschnittene VDI-Richtlinie, verheißungsvoll „Lokale Kaltluft“ betitelt. Dabei geht es um nicht ganz so heiße oder auch nur stärker bewegte Heißluft. Der VDI empfiehlt Begrünung, Entsiegelung und Verschattungssysteme, als zentralen Punkt aber eine „Schaffung von Frischluftschneisen und Ventilationsbahnen“.
Diese Idee betrifft die Stadtplanung ganz fundamental: Es geht um große, verbundene Grünschneisen und Schluchten in der Bebauung, die Heißluft vor allem nachts in Bewegung bringen und kühlere Luft heranführen. Solche Pläne werden international unter dem Stichwort „Sikkak“ geführt. Das verweist auf den arabischen Raum, wo man sich mit extremer Hitze auskennt, Luftschluchten gehören dort zur traditionellen wie zur modernen Bauweise.