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Hören Sie auf, sich zu bewerben! Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt

Kennen Sie das Spiel „Die Reise nach Jerusalem“? Mich hat es immer gestresst: Kinder laufen im Kreis um Stühle und müssen sich bei einem Signal oder stoppender Musik auf einen Stuhl setzen. Immer ist ein Stuhl zu wenig da und ein Kind scheidet aus. Zuletzt ergattert nur eines den letzten Stuhl.

So ähnlich verläuft immer noch das klassische Bewerbungsritual, nur mit verschärften Bedingungen. Anstelle von ein oder zwei finalen Bewerber*innen, wollen Nzig Jobsuchende eine Stelle, wobei eben von Anfang an nur ein Stuhl frei ist (Nzig steht für 5zig, 4zig, 7zig). Denn das ist die Wahrheit: Trotz des vielfach beschworenen Fachkräftemangels bewerben sich im offenen Stellenmarkt relativ viele Menschen auf eine einzige Stelle.

Jedoch dürfte mittlerweile bekannt sein: Der offene Stellenmarkt (Stellenanzeigen, Ausschreibungen, Jobbörsen) bildet nur einen Bruchteil der zu besetzenden Stellen ab. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (kurz: IAB) zeigt regelmäßig in seiner sehr umfassenden Stellenerhebung, dass nur etwas mehr als 30 Prozent der Stellen über Jobbörsen und Printanzeigen besetzt werden.

Dieser Beitrag handelt von den anderen Prozent, dem sogenannten verdeckten Stellenmarkt, der gerade in diesen bewegten Zeiten an Bedeutung gewinnt.

Etwa 30 Prozent der Stellen werden offen besetzt

Möglicherweise werden zwar mehr als 30 Prozent der zu besetzenden Stellen ausgeschrieben, nur werden diese dann bisweilen trotzdem anders besetzt. Nach meiner Erfahrung konzentrieren sich jedoch mehr als 90 Prozent der Bewerber nach wie vor genau auf diesen offenen Stellenmarkt. Daher das Bild von der Reise nach Jerusalem mit verschärften Bedingungen. Spätestens wenn jemand in seiner Bewerbung eines der folgenden Merkmale präsentiert, rufe ich dann: „Hören Sie doch auf sich zu bewerben!“

Zu wenig Berufserfahrung, zu viel Berufserfahrung, die falsche Berufserfahrung, zu häufig gewechselt, zu wenig gewechselt, überqualifiziert, keine Branchenerfahrung (und wir reden jetzt mal nicht von Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund) – bei sowas könnte sie oder er beim Balgen um den heißen Stuhl regelmäßig leer ausgehen. „Obwohl ich fachlich geeignet bin…“, „Obwohl ich die Aufgaben erledigen könnte…“.

Manche Bewerber*innen flüchten sich dann in noch mehr Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen, bei denen sie gar nicht mehr wirklich erwarten, zu den Bewerbungsgesprächen eingeladen zu werden. Dabei werden viele Stellen ganz anders besetzt, eben nicht durch offene Ausschreibungen. Ganz gleich ob nun 70 oder nur 50 Prozent – gerade interessante, anspruchsvollere Stellen werden bisweilen im verdeckten Stellenmarkt vergeben.

Verdeckter Stellenmarkt: Vertrauen, Empfehlungen, Kontakte

Was genau ist der verdeckte Stellenmarkt? Er umfasst alle Stellen, die nicht über offene Ausschreibungen in Jobbörsen, Stellenportalen oder Anzeigen besetzt werden.

Jobs im verdeckten Stellenmarkt werden durch Kontakte und Empfehlungen besetzt. Mitarbeiter empfehlen dabei Kunden, Lieferanten, Geschäftspartner oder gar ehemalige Kollegen, Mitstreitende aus der Weiterbildung von vor drei Jahren, die Freundin aus dem ehrenamtlichen Engagement beim Kinderschutzbund.

Die Regeln des verdeckten Stellenmarktes basieren auf Vertrauen und Empfehlungen. Wer da mitmachen möchte, sollte zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Oder Sie stehen bereits im Adressbuch der potentiellen Mitarbeiter*innen Ihrer Branche. Xing lässt grüßen.

Vernetzung, digital und analog, gezielte Initiativbewerbung, Gespräche führen mit Bekannten und ehemaligen Kolleg*innen, sich in Erinnerung bringen - ich nenne diese Strategie gerne auch „Systematisch Kaffeetrinken“. Diese funktioniert auch virtuell per Social Media, Video Calls oder klassischem Telefonat - was aktuell natürlich in der aktuellen Zeit sehr wichtig ist.

Job per Zufall? Nee, verdeckter Stellenmarkt

Spannend ist übrigens, dass viele Menschen, die regelmäßig und viele Bewerbungen schreiben, mir in Vorträgen antworten, dass sie den verdeckten Stellenmarkt gar nicht beackern, schon gar nicht systematisch. Glücklicherweise stimmt das nur halb. Während die Jobsuche per Bewerbung systematisch und bewusst verläuft, werden Aktivitäten im verdeckten Stellenmarkt bei den meisten dem Zufall überlassen.

Wenn Sie Menschen dann fragen, wie sie letztlich die neue Stelle gefunden haben, kommen oft Antworten wie: „Das war totaler Zufall! Ich hatte mich 2undNzig mal beworben, treffe dann beim Shoppen auf eine ehemalige Kollegin und wir trinken spontan einen Kaffee miteinander. Sie klagt von der Überlastung im Job und dass sie Verstärkung bräuchte. Ich sage, ich hab Zeit, sie stellt mich am nächsten Tag ihrem Chef vor. Eine Woche später habe ich schon angefangen. Obwohl ich längst nicht 100 Prozent passte…“

Zufall? Nee, verdeckter Stellenmarkt. Das ist also der Grund für meine zugespitzte Aufforderung am Eingang des Artikels: „Hören Sie doch mal auf, sich zu bewerben!“

Jetzt fragen Sie, wie die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt funktioniert? In meinem kommenden Beitrag hier bei XING werde ich dazu drei Einblicke geben.

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Eine Langfassung erschien zuerst drüben im LVQ-Karriereblog.

Der Autor: Lars Hahn ist der Entdecker von ‘Systematisch Kaffeetrinken’ und Social Media Enthusiast. Als Geschäftsführer der “LVQ Weiterbildung gGmbH” beschäftigt er sich mit Weiterbildung, Arbeitswelt, Karriere. Lars Hahn ist zu finden in vielen sozialen Netzwerken und natürlich hier bei XING.

Lars Hahn schreibt über Weiterbildung, Digitalisierung, Arbeitsmarkt

Als Trendschnüffler, Karriereberater und Leiter der LVQ Weiterbildung gGmbH schreibe ich über die Veränderung unserer Arbeitswelt durch die Digitalisierung und darüber, wie Sie sich per Weiterbildung und andere Wege fit für Ihre berufliche Zukunft machen.

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