Humor ist ein Evolutionsvorteil – und der hilft auch in Jobs des dritten Jahrtausends
Er ist ein unterschätzter Resilienzfaktor: Humor. Dabei zeigen Studien viele positive Effekte, an die man nicht sofort denkt: etwa wie mit Humor mehr Kreativität im Team entsteht, Führungskräfte an Authentizität gewinnen und Unterstützung aktiviert wird. Kein Wunder, dass Klassenclowns sehr gute Führungsqualitäten haben sollen. Plus: drei Praxis-Tipps ...
Humor ist keiner der üblichen Verdächtigen, wenn es um Faktoren geht, die uns innere Stärke, Resilienz, verleihen. Stattdessen zählen zu den Klassikern der Resilienzforschung Eigenschaften und Strategien wie Selbstwirksamkeit, Akzeptanz oder Zielorientierung. Damit lassen sich Herausforderungen und Krisen bewältigen, im Job wie auch sonst im Leben. Nur wenige Experten (z. B. Southwick & Charney, 2012) zählen Humor explizit zu diesen Resilienzfaktoren – und das ist angesichts zahlreicher Studien mit Blick auf ganz unterschiedliche Effekte von Humor erstaunlich.
Nur eines vorweg: Schon der Psychologe Victor Frankl, einer der Väter der Resilienzforschung nach dem Zweiten Weltkrieg, sah in Humor eine Strategie, die mehr als alles andere erlaubt, über jede noch so schwere Situation hinauszuwachsen.
Humor bei Führungskräften schafft Sicherheit im Team.
Eine humorvolle Sicht auf die Dinge sei ein Evolutionsvorteil, sagt der emeritierte Psychologieprofessor und Humorforscher Willibald Ruch („SZ“, 26./27.07.2025) Weshalb? „Wer am Lagerfeuer unterhalten und die Stimmung der Gruppe regulieren konnte, galt als attraktiver Partner für die Fortpflanzung“, so Ruch. Zwar geht es im Job eher selten um Fortpflanzung, aber die evolutionäre Funktion von Humor und deren positive Bewertung wirken nach wie vor. So kann eine humorvolle Bemerkung während einer Besprechung Stress im Team verringern, wenn es zum Beispiel um unangenehme Themen wie schlechte Zahlen, mühsame Transformationen oder schleppende Projekte geht.
Spannend dabei: Der von der Führungskraft eingesetzte Humor gibt Sicherheit und nimmt die Angst vor negativer Kritik oder gar Sanktionen. Wer als Führungskraft humorvoll Kritik üben kann, erleichtert es seinem Team, aus Fehlern oder Misserfolgen zu lernen (Ama Marston und Stephanie Marston, 2018). Das macht mehr Kreativität im Team möglich. Übrigens: Ehemalige „Klassenclowns haben besonders große Führungsfähigkeiten“, hätten Studien gezeigt, sagt Ruch.
Humor aktiviert das „Exekutivzentrum“ des Gehirns.
Die angesprochene Regulation der Emotionen gilt nicht nur für die Stimmung im Team, sondern auch für die Selbstregulation von Mitarbeitern und Führungskräften. Wer seine Verärgerung, Sorge oder Enttäuschung mit einer humorvollen Haltung modulieren kann, wird sich nicht nur besser fühlen: Er reagiert auch vernunftgesteuerter, weil die entsprechenden Hirnregionen (u. a. Präfrontaler Cortex) aktiviert werden. Und damit sinkt das Potenzial für Konflikte mit Kollegen und im Privatleben.
Diese (Evolutions-)Vorteile von Humor galten einst am Lagerfeuer vor Tausenden Jahren genauso wie heute in der Teams-Konferenz zu Beginn des dritten Jahrtausends. Und die positiven Effekte gehen weit darüber hinaus, wie zahlreiche Studien zeigen (Southwick & Charney).
Wer lacht, setzt das Belohnungs- und Motivationshormon Dopamin frei.
Vieles dabei ist eine Sache der Chemie. So setzt Humor Endorphine frei. Oft als Glückshormone bezeichnet, sind es tatsächlich körpereigene Opioide, die ein wohliges Gefühl vermitteln – zum Beispiel besagte gute Stimmung im Team. Wer lacht, schüttet zudem das Belohnungshormon Dopamin aus, das wir brauchen, um motiviert zu sein. Als sogenannte Herzensstärke hat Humor mehr Einfluss auf Zufriedenheit als kognitive Stärken wie Mut, Fleiß oder Ausdauer, zeigen Ruchs Studien am psychologischen Institut der Universität Zürich.
In schwierigen oder sogar ausweglos erscheinenden Situationen ermöglicht Humor auch neue Sichtweisen und verringert die empfundene Bedrohung. Das haben Studien an Krebspatienten, chirurgischen Patienten und Kriegsveteranen gezeigt. Diese Strategie nennen Psychologen kognitive Neubewertung.
Im Arbeitsleben kann diese Neubewertung sehr hilfreich sein. So können durch Humor besonders schwierige, möglicherweise festgefahrene Situationen nicht nur entspannt werden, es ermöglicht auch wieder neue Perspektiven. Das lohnt sich. Denn Studien zeigen: Menschen, die kognitive Neubewertung einsetzen, erzielen bessere Ergebnisse, als Menschen, die dies nicht tun. Dahinter steckt der gesündere Umgang mit negativen Emotionen.
Ausweglose Situationen: Auf Intensivstationen wird total viel gelacht.Psychologieprofessor und Humorforscher Willibald Ruch („SZ“, 26./27.07.2025)
Ärzte kennen diesen Mechanismus von Patienten, die an potenziell tödlichen Erkrankungen leiden. Denn oft haben sie einen speziellen, nämlich schwarzen Humor. Warum? Bitterböser Humor schafft in diesen Situationen die so wertvolle Distanz, auch Selbstdistanz. Wenn ich über etwas lachen kann, dann bin ich damit nicht Deckungsgleich. Oder, wie eine an Brustkrebs erkrankte Frau zu mir sagte: „Ich bin ja so viel mehr als mein Krebs.“
In meinen Trainings für Mitarbeiter und Führungskräfte gibt es fast immer Teilnehmer, die diesen Effekt selbst erlebt oder beobachtet haben. Auf Intensivstationen werde „total viel gelacht“, sagt Humorforscher Ruch.
Depressive Menschen: Wer trotzdem lacht, bekommt mehr Unterstützung.Resilienzforscher Steven M. Southwick und Dennis S. Charney
Psychische Erkrankungen wie Depressionen gehören in den jährlichen Krankenkassenstatistiken regelmäßig zu den Top-Drei-Gründen für Arbeitsausfälle. Bei manchen Menschen kann Humor Depressionen verringern, zeigen Studien. Das mag zynisch klingen, denn das Lachen fällt den Betroffenen ganz sicher nicht leicht. Aber in manchen Momenten ist es eben doch möglich, oft mit dem besagten schwarzen Humor. Ein spannender Effekt dabei: Die Betroffenen bekamen mehr Unterstützung von ihrem Umfeld.
Humor hilft heilen, heißt es zu Recht. Wie oben erwähnt, gilt dies im übertragenen, emotionalen Sinn, aber es gilt auch körperlich. Humor stärkt etwa unser Immunsystem. Und wenn Endorphine freigesetzt werden, fühlt man sich nicht nur glücklicher, auch Schmerzen verringern sich. Kein Wunder, dass es Lach-Yoga und Lach-Therapien gibt.
Führungskräfte: Wer Humor zeigt, wirkt authentischer.
Lachen entspannt zudem die Muskulatur, die bei Stress zu Verspannungen führt. So zählen Rückenschmerzen jedes Jahr wie die oben genannten psychischen Erkrankungen zu den Top-Drei-Gründen für Arbeitsausfälle. Mehr Humor könnte gegen Verspannungen und Schmerzen helfen, neben Massagen und Katze-Kuh-Übungen auf der Matte.
Und kann die Führungskraft auch mal über sich selber lachen – und das im Kreis ihres Teams –, kann ihr das mehr Authentizität geben. Natürlich nur, wenn es echt ist.
Durch die gemeinsame positive Erfahrung des Lachens wird zudem das Kuschel- und Bindungshormon Oxytocin freigesetzt. Lachen im Job kann so buchstäblich die Teambindung fördern. Wie damals am Lagerfeuer. Und für die Zahlen im Unternehmen ist all das auch gut.
Übungen und Tipps für Führungskräfte und Mitarbeiter:
Neubewertung: Gab es kürzlich etwas, das dir im Job nicht so gut gelang? Kannst du rückblickend darin etwas Komisches erkennen?
Vertrauen und Teambuilding: Frage in einem Teammeeting: Was habt ihr in den letzten Tagen im Unternehmen erlebt, das euch zum Schmunzeln brachte? Mit Kollegen, Kunden oder mir als eurem Vorgesetzten?
Selbstakzeptanz: Welche deiner Eigenschaften, die du nicht besonders magst, hat auch etwas Komisches?
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Quellen:
„Resilience - The Science of Mastering Life's Greatest Challenges“, 2012, Steven M. Southwick und Dennis S. Charney
„Type R – Transformative Resilience for Thriving in a Turbulent World“, 2018, Ama Marston und Stephanie Marston
„Süddeutsche Zeitung“, 26./27.07.2025