Hunderte neue Worte und Namen in zehn Minuten mixen: Wie Provotainment entstanden ist
„Darm mit Charme“ ist ein genialer Buchtitel. Und eine kreative Meisterleistung. Frech kombiniert aus zwei bekannten Worten, ungewöhnlich, einprägsam und unterhaltsam. Im Erscheinungsjahr 2014 war es mit über einer Million verkaufter Exemplare das meistverkaufte Sachbuch.
Wellenbrecher und Pflexit
Seit 1977 kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache jährlich eine Top Ten der Wörter, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben sprachlich bestimmt haben. „Wellenbrecher“ bekam im Corona-Jahr 2021 eine ganz neue Bedeutung und wurde Wort des Jahres. Auf Platz drei stand der Pflexit, dramatisch kombiniert aus Pflege und Exit, also der Flucht aus Pflegeberufen aufgrund katastrophaler Arbeitsbedingungen.
Wortkreationen erfüllen einen weiteren Zweck. Sie positionieren Ideen und Angebote mit einem einmaligen, wiedererkennbaren Namen. Für Konzepte gibt es kein Schutzrecht. Deshalb nutzen Unternehmen, Initiativen und Vereine für ihre Angebote häufig den Markenschutz.
Viele Wortkreationen stehen als eingetragene Marke im Register des Deutschen Patent- und Markenamts. Am 31.12.2020 waren in Deutschland 845.583 Marken angemeldet, darunter sind Wortschöpfungen wie der Name meiner Firma.
Provozieren klang zu hart
Ein Kunde rief mich an: „Können Sie bei unserer Feier zum 50. Firmenjubiläum einen Vortrag halten?“ Ich sagte spontan: „Sehr gern. Ich verbreite allerdings keine Jubelstimmung, ich provoziere!“
Das war ehrlich, klang aber am Telefon so hart, dass ich schnell ergänzte: „Dabei entertaine ich. Die Gäste lachen sehr viel, ich steige auf Leitern und mache eine Bühnenshow. Ich provoziere und entertaine – das ist Provotainment.“
In diesem Gespräch platzte die neue Kombination aus mir heraus. Seit 2016 heißt meine Firma Provotainment. Den Auftrag zum Vortrag beim 50. Jubiläum bekam ich. Seitdem habe ich in 550 Vorträgen und Workshops rund 95.000 Menschen provotaint.
Selbst neue Worte mixen
Worte beschreiben Gefühle, Methoden, Produkte, Vereine, Firmen. Das beste Wort ist das passende Wort, das zu deinem Zweck passt. Ist es eher ein Kunstwort wie Kununu oder beschreibend wie Good News Magazin?
In den vergangenen Jahren habe ich in Cafés tausende Postkarten gesammelt, die dort kostenlos verteilt werden. Produziere damit neue Wortkombinationen wie am Fließband.
Nimm zwei Postkarten. Kombiniere assoziativ, was du darauf siehst und liest.
Die Worte und Bilder sind die Zutaten für neue Worte. Nimm zwei weitere Postkarten, erfinde andere unbekannte Worte. Mit acht Postkarten kannst du eine ganze Seite neuer Worte kombinieren.
Noch mehr Spaß macht diese Übung zu zweit. Lade Freunde zum Mixen ein. Die Bilder und Worte regen das Gehirn an, ungewöhnlich neu zu kombinieren.
In Workshops kreieren 20 Gäste in Zweiergruppen innerhalb von 10 Minuten 200 neue Worte.
Wenn deine Postkartensammlung noch nicht groß genug ist, nimm zwei Bücher, schlage sie zufällig auf, tippe in jedem Buch auf ein Wort und kombiniere diese beiden Worte. Das wiederholst du, bis du eine Seite neuer Worte gesammelt hast.
Neue Wortcocktails
Diese Wortcocktails ergeben häufig keinen Sinn. Das ist gut so. Sie können lustig, absurd und unverständlich wirken. Wie gefallen dir diese Postkarten-Wortcocktails von Gästen meiner Workshops? Sternengarten, Sonnendimension, Sonnenkunst, Respektbrause, Bierbonbon, Blumenbier, Glutengeiz, Bauchkino, Hosenkino, Saxoboot, Herzensgold, Faltenfalle, Aussichtslust, Lauttreter, Tonsand, Kurventurm, Kaktusparty, Tanzklinikum, Popkater, Ökoparty, Klimawandelknacker, Wertemuseum, Klingelwandel, Donnerlaune, Lackschuhteiler, Spaßstrumpf, Realitätsdrecksack, Monstergedächtnis, Justizliebe, Brillenhund, Kümmerstück, Ordnungshölle, Stückvergnügen, Sonnenlocken, Herzenswiese, Blumenleiter, Apfelblau, Apfelmaus, Sitzbär, Ideenidol, Blattohr, Wundergold, Barschuh, Bärenfuchs, Zitronenblau, Erbsensex, Staunbar, Frittentrainer, Tattoobruder, Düsselroggen, Hauchplosion, Tempoblick, Faulmacher, Pionierleuchten, Drehgeist, Vogeljazz, Snackmönch, Knalltag, Krisenschwimmer, Alltaginsel, Spaßstrumpf, Rückwärtsminute, Kaktusherz, Flyerfeier, Feierkunst, Seitenchance, Randnotizposaune, Königsklappe, Abenteuerfrust, Wasserkran, Realitätsdrecksack, Leistungskrawatte, Anbeißberuf, Bauchbühne, Ökolaune, Wahrheitsladen, Rausstellung, Fluchtmensch, Spendengott, Zaundecke, Kunstkönigin, Machtverbesserer, Würdevergesser, Weltmuseum, Kraftschwanger, Grenzlichkeit, Ideensuppe, Bürolücke, Respektraum, Nachtbunt, Netzwerkschwimmer, Fluchtholz, Gewaltfrieden, Bürogarten, Nudelstifte, Glücksmarkt, Lustinfarkt, Würdewandel, Rosenhaupt und Changeplosion.
Täglich können wir neue Worte kombinieren, die besser passen als etablierte Worte. In ein paar Jahren könnten Klingelwandel und Popkater im Duden stehen. Sie müssten nur häufig genug genutzt werden. Bekannte Worte wie Feuerwerk, Geistesblitz, Bilderhaken, Schlafsack, Lagerfeuer, Landlust, Radiergummi, Menschenwürde, Bergwerk, Schulweg, Kindergarten, Nacktschnecke, Dachfenster, Heckenschere, Tortenheber, Umweltschutz, Blumenwiese, Pendlerpauschale, Maschendrahtzaun und Hundeleine waren auch mal neu. Bevor sie normal wurden, waren es unbekannte Worte. Klobürste klang anfangs genauso seltsam wie Blattohr.
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