Immobilienmarkt: Zinsanstieg setzt Käufer unter Druck
Die Entwicklung der Bauzinsen sorgt aktuell für spürbare Unruhe – sowohl bei Kapitalanlegern als auch bei Käufern, die ein Eigenheim erwerben möchten. Doch Abwarten kann Immobilienkäufer jetzt teuer zu stehen kommen.
Viele hatten gehofft, dass die bisherigen zwei Leitzinssenkungen der Europäischen Notenbank (EZB) bereits zu einer spürbaren Entlastung bei den Baufinanzierungen führen würden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Seit Anfang März sind die Bauzinsen für zehnjährige Finanzierungen von rund 3,4 Prozent auf 3,69 Prozent gestiegen – der stärkste Anstieg innerhalb weniger Tage seit der Finanzkrise 2008. Die Zinssenkungen der Notenbank haben bislang kaum Wirkung entfaltet, da gleichzeitig neue Unsicherheiten an den Kapitalmärkten entstanden sind.
Milliardenpaket der Regierung – verändert viel
Hinter dem jüngsten Zinsanstieg steckt vor allem die geplante Schuldenpolitik der Bundesregierung. Union und SPD wollen ein „Sondervermögen“[sis1] in Milliardenhöhe auflegen, das über neue Staatsanleihen finanziert wird. Und hier schlägt das Herz der Finanzmärkte schneller: Mehr Schulden bedeuten mehr Anleihen am Markt, was wiederum die Renditen nach oben treibt. Die Folge: Baufinanzierungen werden teurer – schneller, als viele erwartet hatten. Für Immobilienkäufer und Investoren ist das ein Warnsignal. Denn sobald die Staatsanleihen anziehen, steigen die Bauzinsen mit.
Wohnkonzerne unter Druck – aber (noch) keine Krise
Die Ersten, die den Druck der steigenden Zinsen zu spüren bekamen, waren börsennotierte Wohnimmobilienkonzerne wie Vonovia oder LEG. Innerhalb weniger Tage sackten deren Aktienkurse ab – für viele Anleger ein Déjà-vu aus den Krisenjahren. Doch Brancheninsider bleiben gelassen: Von einer neuen Immobilienkrise sprechen derzeit nur die wenigsten. Die Nachfrage nach Wohnraum – vor allem in Ballungsräumen – bleibt hoch. Dennoch sorgt die aktuelle Lage dafür, dass Projektkalkulationen und Finanzierungsmodelle vieler Unternehmen auf dem Prüfstand stehen.
Ich sehe derzeit in Gesprächen mit Kunden oder auch institutionellen Investoren, dass die Unsicherheit wächst – auch wenn noch niemand von einer echten Krise spricht. Viele überlegen, Projekte zu verschieben oder ihre Finanzierungsmodelle neu zu denken.
Lage, Lage, Lage – regionale Unterschiede nehmen zu
Was sich klar zeigt: Der Markt differenziert sich regional immer stärker aus. In Städten wie Köln oder Hamburg steigen die Preise moderat weiter, während Randlagen und kleinere Städte bereits die ersten Bremsspuren zeigen. In den Metropolen halten Toplagen ihre Preise – oft sogar trotz höherer Bauzinsen. Anders sieht es an den Stadträndern oder in ländlicheren Gegenden aus, wo Verkäufer schneller bereit sind, über Nachlässe zu sprechen.
Der Klassiker gilt mehr denn je: Lage, Lage, Lage. Wer in den besten Vierteln sucht, zahlt weiter einen Aufpreis, während in B-Lagen oder im Umland oft Verhandlungsmasse entsteht.
Käufer gewinnen an Verhandlungsmacht
Trotz der gestiegenen Zinsen eröffnet sich aktuell eine seltene Gelegenheit für entschlossene Käufer: Die Verhandlungsmacht hat sich verschoben. Viele Verkäufer wissen, dass Finanzierungen schwieriger geworden sind und zeigen sich verhandlungsbereit – oft mehr als noch vor wenigen Monaten.
Wer jetzt mit Eigenkapital oder einer stabilen Finanzierung auf den Markt geht, erlebt ein neues Kräfteverhältnis. Ich sehe in der Praxis, dass Kaufinteressenten aktuell deutlich bessere Konditionen erzielen können – sei es beim Kaufpreis, der Ausstattung oder beim Übergabetermin.
Das große Fragezeichen: die Zinsen
Die entscheidende Unsicherheit bleibt: Wie werden sich die Bauzinsen im Jahresverlauf entwickeln? Die EZB hält sich mit weiteren Schritten bislang zurück, doch viele Marktteilnehmer gehen davon aus, dass sie noch in diesem Jahr Zinssenkungen vornehmen dürfte. Gleichzeitig belasten geopolitische Spannungen und das Regierungsmilliardenpaket die Kapitalmärkte weiterhin – ein Spannungsfeld, das die Bauzinsen auf hohem Niveau hält.
Viele Käufer zögern – in der Hoffnung auf günstigere Finanzierungen. Doch wer zu lange wartet, riskiert, dass attraktive Immobilien von anderen übernommen werden. Ich erlebe häufig, dass in solchen Phasen nicht allein der Zinssatz entscheidet – sondern der Mut, zur richtigen Zeit zu handeln.
Zwischen den Zeilen
Für Kapitalanleger zählt unterm Strich die Rendite – und die entscheidet sich oft an der vierten Stelle hinter dem Komma. Die Kalkulation muss passen, das Projekt sich tragen. Für Eigenheimbesitzer aber, die selbst einziehen, gilt eine andere Rechnung. Hier geht es nicht nur um den Zins, sondern um das, was das Zuhause bedeutet: Sicherheit, Vertrautheit, neue Geschichten mit der Familie.
Die echte „Rendite“ liegt oft in der Lebensfreude und ist meist höher als die der Zahlenkolonne. In der Lage, wo das Leben der Familie spielt. In den Geschichten, die dort geschrieben werden. Ein gut gelegenes Haus mit emotionalem Mehrwert kann über Jahre unbezahlbare Erinnerungen schaffen – da rückt der Bauzins in der Nachkommastelle schnell in den Hintergrund. Wer das versteht, trifft Entscheidungen nicht nur mit dem Taschenrechner, sondern mit Herz und Weitblick. Und manchmal auch mit einer Portion Mut.
