Immobilienunternehmer Smethurst droht eine lange Haftstrafe
Der Strafprozess gegen Charles Smethurst hat begonnen. Die Staatsanwaltschaft zeichnet in ihrer Anklage das Bild eines skrupellosen Betrügers. Smethurst ist weitgehend geständig.
Köln. Auf diesen Tag haben Tausende Anleger jahrelang gewartet: Am Landgericht Hildesheim hat der Strafprozess gegen Charles Smethurst begonnen. Der einst international gefragte Immobilienunternehmer war Kopf der German Property Group.
Die Staatsanwaltschaft Hannover wirft dem vorbestraften Unternehmer gewerbsmäßigen Betrug vor. Smethurst soll Anleger gezielt getäuscht und um ihr Geld gebracht haben. Schätzungen zufolge beläuft sich der angerichtete Schaden auf rund 1,5 Milliarden Euro.
Zum Prozessauftakt hat der ermittelnde Staatsanwalt Florian Balken das Wort. „Charles Smethurst wird angeklagt, durch 27 Straftaten das Vermögen anderer dadurch beschädigt zu haben, dass er durch pflichtwidriges Unterlassen falsche Tatsachen vorspiegelte oder wahre Tatsachen entstellte oder unterdrückte und so einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführte“, sagte Balken.
Nachdem Balken seine Anklageschrift verlesen hatte, gab es eine überraschende Entwicklung.
Das Gericht informierte über einen Erörterungstermin, in dem die Kammer, die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft über das bevorstehende Verfahren gesprochen haben. Darin habe man sich auf einen Verständigungsvorschlag geeinigt. Danach steht Smethurst eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Jahren und neun Monaten bevor, höchsten soll er für sieben Jahre und drei Monate in Haft. Bezüglich eines Teils der Vorwürfe legt der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab.
Smethurst musste offenbar erkennen, dass die Beweislage gegen ihn erdrückend war. So führte Staatsanwalt Balken aus, dass der Angeklagte noch Kapital eingeworben habe, als sein Unternehmen faktisch bereits zahlungsunfähig war. „Smethurst wusste, dass er schon Mitte 2018 zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet gewesen wäre“, so Balken. Die Anklage umfasst einen Schaden von 56 Millionen Euro – doch das tatsächliche Ausmaß ist weitaus größer.
Investorengelder zweckentfremdet
„Der Skandal um die German Property Group zählt zu den größten Fällen von Anlegertäuschung – in einer Liga mit dem P&R-Skandal“, sagt Rechtsanwalt Peter Mattil, der viele geschädigte Investoren vertritt. „Insgesamt wurden Anleger um rund 1,5 Milliarden Euro betrogen. Die Anklage der Staatsanwaltschaft erfasst nur einen Bruchteil des tatsächlichen Schadens.“
Die Ermittlungen zeigen, wie systematisch und skrupellos Smethurst vorgegangen sein soll. Zahlreiche frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der German Property Group sagten bei der Staatsanwaltschaft aus, was sie in dem Unternehmen erlebt hätten. So seien Projekte in Asien vertrieben worden, die in Wirklichkeit nie erworben worden waren, berichtete ein für diesen Markt zuständiger Manager.
Ein weiterer Zeuge schilderte, dass zweckgebundene Investorengelder regelmäßig umgeleitet worden seien – ohne Wissen der Anleger. Das Geld sei stets dorthin geflossen, wo es gerade benötigt wurde.
Millionen für die Firma der Ehefrau
Die German Property Group mit Sitz in Langenhagen bei Hannover schrieb unter dem Strich nahezu durchgehend Verluste, weil die Kosten außer Kontrolle gerieten, wie Zeugen berichteten. Die Buchführung sei chaotisch gewesen, Jahresabschlüsse seien seit 2015 nicht mehr erstellt worden.
Gleichzeitig verstand es Smethurst, seine Projekte zu inszenieren und Investoren zu beeindrucken. Im Juni 2018 etwa reisten asiatische Geldgeber nach Deutschland, um ein Projekt in Berlin zu besichtigen. Die Inszenierung war ambitioniert: Möglichst viel mediale Aufmerksamkeit sollte erzeugt werden – sogar ein Auftritt der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel war angedacht, da sich das Projekt in ihrem Wahlkreis befand.
Am Ende blieben sowohl Merkel als auch die Presse fern – doch das Anlegerinteresse blieb ungebrochen.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft soll Smethurst auch Firmengelder für fachfremde Zwecke verwendet haben. So flossen rund zehn bis elf Millionen Euro in Gesellschaften, die seiner Ehefrau zuzurechnen sind – etwa zur Produktion von Fernsehsendungen über Geldanlage. Weitere Millionen versickerten im Aufbau eines Finanzdienstleisters sowie in einem Kraftwerksprojekt – beide Vorhaben scheiterten.
Ein Jeansverkäufer entdeckt die Geldbranche
Smethursts Aufstieg zu einem gefragten Immobilienentwickler verlief ungewöhnlich. 17 Jahre lang arbeitete der Deutschbrite bei C&A, Kik und Jeans Fritz, bevor er sich Anfang der 2000er-Jahre in der Modebranche selbstständig machte.
Als die Sparkasse eine Finanzierung ablehnte, beschaffte er sich Kapital am grauen Finanzmarkt. Die Rückzahlung sollte über ein zweifelhaftes Lastschriftmodell abgesichert werden. Bereits nach wenigen Monaten kam es zu Zahlungsausfällen – mehrere Banken, darunter die Postbank, erstatteten Anzeige wegen Betrugs.
2003 verurteilte das Amtsgericht Hannover Smethurst zu drei Jahren und drei Monaten Haft. Während seiner Inhaftierung vermittelte ihm ein Bekannter eine Stelle in der Immobilienbranche – dort setzte er sein fragwürdiges Geschäftsgebaren fort.
Smethurst lässt denkmalgeschützte Immobilien sanieren
Smethurst arbeitete zunächst bei einem Unternehmen, das denkmalgeschützte Immobilien erwarb, sanierte und weiterverkaufte. 2008 machte er sich mit diesem Modell selbstständig und gründete Dolphin Capital – die Vorgängerfirma der German Property Group (GPG).
Laut Smethurst ist das Geschäftsmodell anfangs solide und steuerlich vorteilhaft gewesen. Erst lange Genehmigungsprozesse und steigende Baukosten hätten ab 2014 zur Schieflage geführt.
Nach und nach gestand er, Anleger bewusst getäuscht zu haben. Am 9. August 2023 erklärte er, dass ihm bereits Mitte 2018 klar gewesen sei, dass die GPG zahlungsunfähig war. Der vorläufige Insolvenzverwalter Gerrit Hölzle sah es als erwiesen an, dass eingeworbene Gelder im Sinne eines Schneeballsystems verwendet wurden.
Langsame Justiz frustriert die Geschädigten
Smethurst musste schließlich selbst eingestehen, Investoren bei mehreren Projekten betrogen und die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens verschleiert zu haben. Die Lage sei ihm entglitten, sagte er in einer Vernehmung.
Sein Geständnis könnte ihm nun vor Gericht zugutekommen. Einsicht gilt als mildernder Umstand – doch für viele Geschädigte ist das schwer zu akzeptieren.
Jan Erik Spangenberg vertritt ausländische Investoren. „Aus Sicht meiner Mandanten ist es sehr zu begrüßen, dass sich mit Charles Smethurst der Kopf der German Property Group jetzt endlich strafrechtlich verantworten muss“, sagt Spangenberg.
Dennoch sei die Enttäuschung groß, dass die Geschäfte nicht früher durch die Aufsichtsbehörden unterbunden wurden und die Insolvenz- und Strafverfahren sich bis heute hinziehen. Spangenberg: „Meine Mandanten warten seit über fünf Jahren auf die Rückzahlung jedenfalls eines Teils ihrer Gelder und die Bestrafung der Täter. Bis heute ist der Verbleib der veruntreuten Millionen nicht vollständig aufgeklärt.“
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