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Inklusion in Unternehmen: US-Cafékette beschäftigt Menschen mit Behinderung

Eine US-Cafékette stellt überwiegend Menschen mit Behinderung ein – und ist damit extrem erfolgreich. Ein Beispiel für gelungene Inklusion, von dem andere Unternehmen lernen können.

Von Amy und Ben Wright

Es klingt wie ein Klischee, aber die Idee zu Bitty & Beau’s ­Coffee kam Amy unter der ­Dusche. Damals, im Jahr 2015, waren unsere beiden jüngsten Kinder sechs und elf Jahre alt. Beide ­haben das Downsyndrom. Wir sprachen immer wieder darüber, wie ihre Zukunft als Teenager und als Erwachsene aussehen würde.

Als wir erfuhren, dass 80 Prozent der Menschen mit Behinderung in den Vereinigten Staaten arbeitslos sind, nahmen wir uns vor: Unsere Kinder Bitty und Beau sollten nicht Teil dieser Statistik werden. Wir waren überzeugt: Die Lösung bestand darin hervorzuheben, welchen Wert wir in ihrem Leben und dem anderer Menschen mit Behinderung sahen.

Welche Idee hatte Amy unter der Dusche? In unserer Heimatstadt Wilmington in North Carolina ein Café zu eröffnen, in dem hauptsächlich Menschen mit geistigen Behinderungen und Entwicklungsstörungen arbeiten. Gibt es eine bessere Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen und Menschen zusammenzubringen?

Innerhalb von drei Monaten stellten wir 19 Mitarbeitende ein und eröffneten das erste Bitty & Beau’s Coffee. Nach sechs Monaten lief das Geschäft so gut, dass wir an einen Standort umziehen konnten, der zehnmal so groß wie das ursprüngliche Café war. Dort richteten wir auch eine eigene Rösterei ein. Acht Jahre später haben wir 23 Standorte in zwölf US-Bundesstaaten und beschäftigen mehr als 400 Menschen mit Behinderung.

Unsere Mission ist es, Menschen mit Behinderungen – ob angeboren oder erworben – in Arbeit zu bringen. Es wäre schön, wenn andere Unternehmer unserem Vorbild folgen würden. Aber wir glauben auch, dass sich jedes Unternehmen für Menschen mit Behinderung öffnen und sie als Wettbewerbsvorteil betrachten kann. Im Grunde sollte dies eine Verpflichtung sein, die sich in allen DEI-Strategien für Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (Diversity, Equity, Inclusion) wiederfindet.

Wir haben durch Erfahrung gelernt, Herausforderungen zu meistern, das Beste aus unseren Teammitgliedern herauszuholen und Nutzen aus dem Wert zu ziehen, den sie besitzen. Unsere Kinder haben uns motiviert, etwas in der Welt zu bewirken. Wir hoffen, dass wir dasselbe für sie tun können.

Zur Gastronomie kamen wir über viele Umwege. Kennengelernt haben wir uns in unseren Zwanzigern an der Musikhochschule der University of Cincinnati. Ben war bereits als Teenager am Broadway aufgetreten. Als wir unseren Abschluss hatten, heirateten wir und zogen für eine Weile nach New York, um im Showgeschäft Fuß zu fassen. Wir hatten das Glück, gemeinsam im Musical „State Fair“ am Broadway aufzutreten. Aber als wir Kinder bekamen, wollten wir lieber nahe bei unserer Familie in North Carolina sein. Dort arbeiteten wir beide für Amys Vater, der ein Unternehmen für Präzisions­blechverarbeitung besaß, und wurden in Betrieb und Fertigung ausgebildet.

In dieser Zeit zeigte sich Amys Unternehmergeist. Sie startete ein Programm für Kinder, die nach der Schule Theater spielen wollten. Damals kamen auch unsere beiden älteren Töchter Lillie und Emma Grace zur Welt. Ben probierte verschiedene Karrierewege aus. Er überlegte zunächst, Theologie und Jura zu studieren, arbeitete dann aber in mehreren Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche.

Als 2004 unser Sohn Beau mit dem Downsyndrom geboren wurde, erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle: Angst vor dem Unbekannten, weil keiner von uns Erfahrung mit Behinderungen hatte; Sorge darüber, was unser neugeborener Sohn brauchte, und wie wir ihm helfen konnten, sich in der Welt zurechtzufinden; und – offen gesagt – auch Trauer über den Verlust des Kindes, das wir eigentlich erwartet hatten. Glücklicherweise fanden wir beide schnell zu einer positiveren Einstellung zurück. Wir nahmen Beau so an, wie er ist, und sind sehr glücklich, dass wir ihn haben.

Als fünf Jahre später auch Bitty mit dem Downsyndrom geboren wurde, waren wir weder ängstlich noch besorgt oder traurig. Nicht nur, dass unser viertes Kind es auf die Welt geschafft hatte, obwohl die Ärzte ihr eine Überlebenschance von nur 25 Prozent gegeben hatten; sie hatte auch die gleiche Behinderung wie Beau.

Als Eltern von Beau und Bitty haben wir schnell gelernt, dass Menschen mit Behinderungen – insbesondere mit geistigen und entwicklungsbedingten – anders behandelt werden als andere. Natürlich kämpfen Wohltätigkeitsorganisationen, Interessengruppen und einige Schulsysteme dagegen an. Seit vielen Jahren sammeln wir Spenden, bloggen und sprechen öffentlich über die Probleme. Doch wir hatten immer das Gefühl, nur die zu erreichen, die für das Thema ohnehin offen sind. Die Community behinderter Menschen ist nach wie vor eine vom Großteil der Gesellschaft abgekoppelte Subkultur. Vor allem Erwachsenen wird es schwer gemacht, sich zu integrieren. Eines der größten Hindernisse ist der fehlende Zugang zu Beschäftigung.

Bitty & Beau’s Coffee ist unser Versuch, das zu ändern. Im November 2015 begannen wir mit der Planung unseres ersten Cafés. Freunde aus der Kaffeebranche berieten uns beim Einkauf von Qualitätsbohnen und bei der Auswahl der Maschinen. Im Internet sammelten wir weitere Informationen zum Thema Gastronomie.

Wir mieteten eine Gewerbefläche von knapp 50 Quadratmetern und begannen mit der Einrichtung. Wir brachten Schilder an, die unsere Mission erläuterten, und einen Monitor, auf dem in einer Endlosschleife Statistiken über Behinderungen sowie über unsere Mitarbeitenden zu sehen waren. Über die sozialen Medien machten wir unseren Plan im Ort bekannt und riefen zu Bewerbungen auf.

Im Dezember luden wir potenzielle Mitarbeitende zu einer Informationsveranstaltung ein. Der Raum, den wir angemietet hatten, war brechend voll: 50 Personen aus unterschiedlichen Altersgruppen und mit unterschiedlichen Fähigkeiten waren gekommen, oft in Begleitung von Familienmitgliedern. Die meisten von ihnen hatten noch nie ein Vorstellungsgespräch geführt und besaßen keinen Lebenslauf, daher war alles ganz formlos. Wir erklärten einfach, dass wir Menschen mit einer positiven Einstellung suchten, die daran interessiert waren, etwas Neues zu lernen. Wir sagten, dass wir während der Ausbildung herausfinden wollten, welche Tätigkeiten am besten zu den jeweiligen Fähigkeiten und zur jeweiligen Persönlichkeit passen. Dann machten wir die Runde und lernten alle kennen.

Am Ende stellten wir 19 Personen aus dieser Gruppe ein – einige mit Downsyndrom, einige mit Autismus-Spektrum-Störungen, einige mit zerebraler Lähmung, andere ohne offizielle Diagnose. Wir verbrachten einige Zeit mit ihnen und wiesen Rollen zu: Kunden begrüßen, die Kasse bedienen, Getränke zubereiten, ­fertige Bestellungen aufrufen. Amy und andere neurotypische Manager, die wir später dazuholten, sollten sich im Hintergrund halten und nur bei Bedarf helfen. Wir machten das sehr deutlich: Mitarbeitende mit Behinderung würden das Gesicht unseres Unternehmens sein. Die Gäste würden sehen, wie sie Jobs ausführten, die ihnen vertraut waren, und direkt mit ihnen interagieren.

Eine Menschenrechtsbewegung, getarnt als Coffee Shop.

Wir eröffneten im Januar 2016 unter großer lokaler Anteilnahme, und es war genauso, wie wir es uns vorgestellt hatten: Die Menschen kamen herein, entschleunigten, wurden freundlich und ­effizient bedient, tranken hervorragenden Kaffee und – was am wichtigsten war – kamen in einen echten persönlichen ­Austausch mit unseren Mitarbeitenden. Unsere Kundschaft kam nicht nur aus unserem Stadtteil. Einige hatten in den sozialen Medien unsere Storys über die Beschäftigten gesehen („Schaut mal, was Matt heute geschafft hat“ – „Das ist Joanns erster Job“) und kamen aus dem ganzen Land, um unser Café zu besuchen. Andere planten ihren Urlaub so, dass sie bei uns vorbeischauen konnten.

Es herrschte so viel Betrieb, dass wir schnell merkten: Wir brauchen mehr Platz. Im Juni zogen wir in ein fast 500 Quadratmeter großes Gebäude, in dem zuvor ein Autohändler gewesen war. Bald darauf investierten wir in unsere eigene vollautomatische Rösterei. Ben verkaufte sein Finanzdienstleistungsbüro, um Vollzeit ins Unternehmen einzusteigen.

Da es so viel Interesse von außerhalb unserer Stadt gab, überlegten wir, wie unser Unternehmen wachsen konnte. E-Mails von Menschen, die ein Café wie Bitty & Beau’s betreiben wollten, fluteten unseren Posteingang; jede Woche erhielten wir etwa zwei Dutzend. Unser erster Gedanke war, die Café-Idee als Franchise zu betreiben, also nahmen wir Bewerbungen an. Doch in den folgenden Monaten gingen Hunderte Bewerbungen ein, und uns wurde uns klar: Wir müssen auf die Bremse treten und zunächst mit einer Expansion experimentieren.

Wir beschlossen, eine Filiale ein paar Autostunden südlich von Wilmington zu eröffnen, in Charleston, South Carolina. So wollten wir beweisen, dass unser Konzept skalierbar war und der Erfolg nicht davon abhing, dass wir beide jeden Tag vor Ort waren. Für das neue Café rekrutierten wir auf dieselbe Weise Personal wie für das erste: Wir suchten uns Leute, die gern arbeiten und lernen wollten, und teilten sie den Stationen zu, für die sie am besten geeignet waren.

Wir hießen jede Art von Behinderung willkommen und sorgten für die entsprechende Einrichtung. Unser Ziel war es, flexibel zu bleiben und den Teammitgliedern eine sinnvolle Aufgabe zu geben – unabhängig davon, ob sie nur Gebärdensprache beherrschten, im Rollstuhl saßen, in ihrer Geschicklichkeit eingeschränkt waren oder sich bei sozialen Interaktionen unwohl fühlten. Wenn sich herausstellte, dass jemand die falsche Aufgabe bekommen hatte, ließen wir sie oder ihn einfach eine neue ausprobieren.

Die Schichtleitenden wählten wir nach ihrer Fähigkeit aus, sich daran anzupassen. Sie brauchten nicht zwingend Erfahrung mit Menschen mit Behinderung, sondern nur den Mut und das Herz, ihr Fachwissen weiterzugeben und im Hintergrund die Beschäftigten unseres vielfältigen Arbeitsplatzes anzuleiten.

Die Filiale in Charleston war ebenso ­beliebt wie die in Wilmington, also eröffneten wir eine weitere ein Stück weiter südlich an der Atlantikküste, in Savannah. Die nächste kam in Annapolis bei Washington, D. C., dazu, und schließlich zwei weitere in Wilmington. Jetzt hatten wir eine Art Handbuch, das wir Franchise-Nehmern anbieten konnten. Uns war klar: Dies war der schnellste Weg, um Filialen von Bitty & Beau’s Coffee in so viele Städte wie möglich zu bringen und unsere Mission zu erfüllen.

Wir begannen den Prozess im Jahr 2021, mitten in der Corona-Pandemie. Trotzdem gelang es uns, allein in den ersten zwei Jahren elf Franchise-Filialen in den USA zu eröffnen.

Unser Personal in der Zentrale hat sich in der gleichen Geschwindigkeit entwickelt. Wir haben jetzt Franchiseverbindungsteams, bieten Kreativdienstleistungen an, haben eine viel größere Rösterei und eine Versandabteilung, die unsere Kaffeebohnen ins ganze Land verschickt. Vielleicht eröffnen wir auch irgendwann weitere unternehmenseigene Filialen, aber das wird noch eine Weile dauern. In der Zwischenzeit hilft uns das Franchising, die Dynamik aufrechtzuerhalten. Wir denken auch über eine Expansion ins Ausland nach. Wir haben Anfragen aus Australien, Kanada, England, Irland, Italien, Japan, Süd- und Mittelamerika und der Schweiz erhalten, in denen es hieß: „Bringt Bitty & Beau’s in unser Land.“

Natürlich wählen wir unsere Franchisenehmer sorgfältig aus und versuchen, sie in einer Reihe von Zoom-Calls genau kennenzulernen. Es ist schön, wenn jemand bereits über einige Geschäfts- und Franchiseerfahrung verfügt. Aber wir wollen auch sichergehen, dass er oder sie sich voll und ganz hinter die Mission von Bitty & Beau’s stellt.

Viele Bewerberinnen und Bewerber sind Menschen wie wir: Sie haben Familienmitglieder mit Behinderung und wollen einen Ort schaffen, an dem diese arbeiten können, ohne sich ausgegrenzt zu fühlen. Andere glauben einfach an das, was wir tun, und erkennen, was sie bewegen könnten, wenn sie eines unserer Cafés in ihre Heimatstadt holen.

Im Franchisevertrag ist festgelegt, dass jeder Franchisenehmer Eigentümer der Vermögenswerte seines Franchise ist. Er besitzt eine Lizenz, unser Markenzeichen, unser Erscheinungsbild, unsere Systeme, Verfahren und Betriebsabläufe zu nutzen. Trotzdem sind wir die Eigentümer des Unternehmens und arbeiten intensiv ­daran, unsere Kultur aufrechtzuerhalten, weiterzuentwickeln und das Engagement dafür zu stärken.

Wenn sich ein Einzelhändler am falschen Standort niederlässt, kann es schwierig werden. Also beraten wir auch, welche Standorte am besten funktionieren. Wir haben keine Drive-throughs, weil wir nicht nur Kaffee verkaufen. Wir verkaufen ein Erlebnis.

Wir haben keine Drive-throughs, weil wir nicht nur Kaffee verkaufen. Wir verkaufen ein Erlebnis.

Alle Filialen verwenden unsere Schilder, Getränkeautomaten und besondere Ausrüstungsgegenstände. So geben wir den Kundinnen und Kunden etwa Spielkarten, die mit ihren Bestellungen übereinstimmen, anstatt ihre Namen auf die Papp­becher zu schreiben, was für einige Mitglieder des Teams schwierig wäre. Wir legen großen Wert darauf, dass jedes Bitty & Beau’s die Qualität der Getränke und Speisen, den ausgezeichneten Service und die gemeinschaftliche Atmosphäre beibehält, für die wir bekannt ­geworden sind. Schließlich stehen die ­Namen unserer Kinder auf dem Eingangsschild.

In den vergangenen Jahren waren wir sehr auf unsere Geschäfte konzentriert. Wir hatten nicht viel Zeit, mit anderen Unternehmen darüber zu sprechen, wie sie etwas von dem übernehmen können, was wir bei Bitty & Beau’s tun. Als ersten Schritt könnten sich Führungskräfte vielleicht einfach ein Beispiel an uns nehmen: Wenn die Mehrheit unserer Belegschaft aus Menschen mit Behinderung besteht, die direkt mit den Gästen arbeiten – könnten nicht auch Sie eine solche Person ­einstellen?

Wir haben aber noch weitere Tipps: ­Zunächst einmal sollten Sie anerkennen, dass Behinderungen Teil der menschlichen Natur sind. Manche Menschen werden mit ihnen geboren, andere erwerben sie durch eine Erkrankung oder einen Unfall. Das kann jedem von uns passieren. Trotzdem führt Behinderung nach wie vor zu starker Ausgrenzung. Das sollte sich ändern. Wir müssen Menschen mit Behinderung genauso in die Gesellschaft integrieren, wie wir es bei allen anderen Gruppen ­versuchen, die nicht der Mehrheit angehören.

Deshalb reicht es nicht, nur Spendengelder zu geben. Führungskräfte aus der Wirtschaft sollten echtes Kapital in diese Bevölkerungsgruppe investieren und Innovationen für sie entwickeln, denn sie können in vielen Bereichen Mehrwert bringen. Doch oft bekommen Menschen mit Behinderung nicht einmal eine Chance. Viele Arbeitgeber glauben, es sei zu mühsam, sie zu schulen. Unserer Erfahrung nach lernen sie jedoch schnell hinzu, das heißt: Sie werden schon bald äußerst zuverlässige, engagierte und ­loyale Teammitglieder haben.

Sie müssen nicht gleich all Ihre Energie in eine große Initiative stecken. Es ist in Ordnung, klein anzufangen. Beginnen Sie, indem Sie eine Person mit Behinderung finden, die Sie an Ihrem Arbeitsplatz einsetzen können, und sei es nur für ein paar Stunden pro Woche. So können sich Nichtbehinderte daran gewöhnen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der eine Behinderung hat. Vertrauen Sie uns: Wenn diese Menschen die richtigen Aufgaben zugewiesen bekommen und gut vorbereitet werden, zeigen sie viel En­gagement, und ihre Begeisterung steckt andere an. Dann können Sie Ihre Initiative weiter ausbauen.

Versuchen Sie einmal, Ihre neuen Mitarbeitenden mit den Augen einer Mutter oder eines Vaters zu betrachten. Sehen Sie ihr ungenutztes Potenzial; eröffnen Sie ihnen Chancen; stellen Sie hohe Erwartungen an sie, aber zeigen Sie auch Verständnis und Nachsicht. Seien Sie ihr größter Bewunderer und Unterstützer. Ehrlich gesagt: Dies sind auch gute Ratschläge, wie Sie Menschen ohne Behinderung führen sollten.

Um herauszufinden, wer für welche Aufgabe am besten geeignet ist, gibt es leider keine Abkürzung. Betrachten Sie jede Bewerberin, jeden Bewerber mit Behinderung als einzigartiges Individuum mit bestimmten Stärken und Schwächen, aber auch mit der Fähigkeit zu lernen und zu wachsen. Bewerten Sie dann, wie gut die Person für die gewünschte Rolle geeignet ist, und nehmen Sie gegebenenfalls Anpassungen vor.

Wenn eine Belegschaft auf diese Weise diverser wird, bemerken dies auch die anderen Beschäftigten. Vielleicht hat einer von ihnen ein Kind mit Autismus-Spek­trum-Störungen, eine Schwester oder einen Bruder mit Hirnschaden oder ein Elternteil, das wegen Arthritis in den Vorruhestand gehen musste. Diese Menschen werden es zu schätzen wissen, dass Sie eine vollständige Inklusion anstreben.

Andere Mitarbeitende werden davon profitieren, wenn sie die Resilienz, Entschlossenheit und die positive Einstellung ihrer Kollegen mit Behinderung sehen. Das öffnet ihren Blick für das, was möglich ist, und fördert kreatives Denken. Wir haben festgestellt, dass die Moral unserer gemischten Belegschaft extrem hoch ist.

Bisher haben wir mit drei anderen Unternehmen direkt zusammengearbeitet – nicht, um sie bei ihren DEI-Strategien zu beraten, sondern weil wir in ihren Büros Bitty-&-Beau’s-Kaffee ausschenken. Unsere beiden neuesten Standorte in Wilmington befinden sich in den Unternehmenszentralen des Labortechnikspezialisten Thermo Fisher Scientific und des Cloud-Banking-Anbieters nCino. Der Softwarehersteller Salesforce bietet unseren Kaffee ebenfalls an seinem Hauptsitz an und verschickte ihn während der ­Pandemie-Lockdowns an seine Kunden. Zudem sind wir im Gespräch mit zahlreichen Krankenhäusern und Universitäten, die sich für eine Filiale von Bitty & Beau’s interessieren.

Am liebsten wäre es uns, wenn jedes Geschäfts- oder Regierungsgebäude ein solches Café in seinem Eingangsbereich hätte. Dann würden auch andere Unternehmen erkennen, dass sie Menschen mit Behinderung erfolgreich beschäftigen können.

Wie Sie sich vorstellen können, arbeitet unsere gesamte Familie für Bitty & Beau’s. Zwar sind Beau, der jetzt auf der Highschool ist, und Siebtklässlerin Bitty noch zu jung, um offiziell mitzuarbeiten. Aber sie vertreten das Unternehmen stolz bei Neueröffnungen. Bitty liebt es, in unserem Stammhaus die Runde zu machen, mit Gästen zu plaudern und Kaffee zu ­servieren. Beau sagt, dass er vielleicht eines Tages an der Theke arbeiten werde. Aber vermutlich wäre es ihm lieber, an einem Ort zu arbeiten, an dem Burger ­serviert werden oder wo er Geschmackstests für den US-Fernsehkoch Guy Fieri machen kann.

Unsere zweitälteste Tochter Emma Grace hat kürzlich ihr Studium der Film- und Fernsehwissenschaften an der New York University abgeschlossen und ist jetzt unsere Kreativdirektorin. Und unsere Älteste, Lillie, mit einem Abschluss in Politikwissenschaften, ist eine echte Leistungsträgerin in unserem Logistikzentrum. Vor vier Jahren wurde bei ihr eine Störung aus dem Autismus-Spektrum diagnostiziert.

Bei Familienessen sprechen wir immer darüber, was bei Bitty & Beau’s als Nächstes ansteht und wie wir noch mehr in der Welt bewirken können.

Was als Idee unter der Dusche begann, ist zu unserem Lebenswerk und unserem Vermächtnis geworden. Wir kennen kein anderes Unternehmen, das sich auf die Beschäftigung von Menschen mit Be­hinderung konzentriert hat und so expandiert wie wir. Wir bewegen uns Schritt für Schritt voran und freuen uns, dass wir die Ersten sind, die es geschafft haben.

Aber wir hoffen sehr, dass andere sich uns anschließen. Unternehmen sind in einer einzigartigen Position: Sie können Menschen mit Behinderung helfen, durch ihre Arbeit einen Sinn zu finden, Werte zu schaffen und Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen. © HBP 2023

Autorin und Autor

Amy und Ben Wrightsind Eltern von vier Kindern, ­ davon zwei mit Downsyndrom, ­sowie Aktivisten für die Inklusion von Menschen mit geistiger ­Behinderung und Entwicklungs­störungen. 2016 gründeten sie die nach ihren Kindern benannte Cafékette Bitty & Beau’s Coffee in ­Wilmington, North ­Carolina, die vor allem Menschen mit ­Be­hinderung beschäftigt. ­Mittlerweile führen sie 23 Filialen in zwölf US-Bundesstaaten mit mehr als 400 Mitarbeitenden. Zudem kooperieren sie mit ­Unternehmen, an deren Stamm­sitzen sie ebenfalls Coffeeshops einrichten. Der Fernsehsender CNN zeichnete Amy Wright 2017 als „Hero of the Year“ aus.

Dieser Beitrag erschien erstmals in der Juli-Ausgabe 2023 des Harvard Business managers.

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