Intel-Investition in Magdeburg: Die freundliche Alternative zu Tesla
Ein riesiger Standort in Irland ist die Blaupause für die Ansiedlung in Ostdeutschland. Der Chipkonzern ist sichtlich um gute Beziehungen zu den Menschen vor Ort bemüht.
**Leixlip.**Das Intel-Management hat gerade seine Vorträge in der irischen Chipfabrik in Leixlip im Großraum Dublin beendet. Die Delegation aus Sachsen-Anhalt setzt bereits an, um sich zu erheben. Da ergreift Ministerpräsident Reiner Haseloff überraschend das Wort: „Genau so wollen wir es haben“, kommentiert der CDU-Politiker die Ausführungen der Firmenvertreter zu Umweltschutz und Bürgerbeteiligung.
Er sei überzeugt, es bei Intel mit einem Unternehmen zu tun zu haben, das sich nicht nur an geltendes Recht halte, sondern auch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz verfolge, also die Leute vor Ort mitnehme. „Das ist eine andere Unternehmensphilosophie als anderswo“, erklärt der 68-Jährige.
Tesla erwähnt Haseloff mit keiner Silbe. Doch auch so ist klar: Der Landesherr geht fest davon aus, dass Intel seine neuen Werke in Magdeburg – anders als der amerikanische Elektroauto-Pionier im brandenburgischen Grünheide – nicht gegen, sondern im Einvernehmen mit Behörden und Menschen vor Ort errichtet.
Mehr als fünf Milliarden Euro macht der Staat an Subventionen locker, um den US-Konzern nach Deutschland zu holen. Angesichts dieser gewaltigen Summe an Steuergeldern ist es aus Sicht der Politik enorm wichtig, dass Intel das Volk nicht gegen sich aufbringt.
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Was der Ministerpräsident in dieser Woche bei einem Besuch in Irland gesehen hat, lässt ihn auf ein harmonisches Miteinander hoffen. Seit 1989 baut der zweitgrößte Halbleiterhersteller der Welt seinen Standort vor den Toren von Dublin Zug um Zug aus – und das offenbar weitgehend mit der Unterstützung der Menschen der einst bäuerlichen Gegend.
Die Anlieger hätten nichts zu meckern, erzählt eine Nachbarin dem Ministerpräsidenten, wirklich gar nichts. Dabei sind auf einem mehrere Fußballfelder großen Areal am Rande der Kleinstadt bis zu 7000 Arbeiter gerade dabei, eine der modernsten Chipfabriken der Welt zu errichten.
Das geht nicht ohne Verkehr: Einige Monate lang hat alle zwei Minuten ein Laster die Baugrube verlassen. Wo Ende der 80er-Jahre noch die Kühe weideten, hat Intel inzwischen rund 18 Milliarden Euro investiert; weitere zwölf Milliarden sollen folgen.
Leixlip ist die Blaupause für Magdeburg – und deshalb für die Landesregierung von Sachsen-Anhalt so interessant. So wie jetzt an der Elbe, so war es einst auch in Irland der Staat, der den Chip-Pionier mit finanziellen Anreizen anlockte.
Nie hat Intel einen Hehl daraus gemacht, dass die öffentliche Unterstützung die wichtigste Voraussetzung für eine Ansiedlung ist. So auch vor fast 20 Jahren: Kurz nach der Jahrtausendwende eröffnete der damalige Intel-Chef Craig Barrett eine neue Chipfabrik in Leixlip. Der irische Ministerpräsident Bertie Ahern bedankte sich für die Milliardeninvestition und forderte den Manager auf, doch bald wieder auf der Insel zu bauen. Die Antwort des Amerikaners fiel deutlich aus: Solange Steuern, Löhne und Lebenshaltungskosten in Irland niedriger seien als anderswo in Europa, komme der Halbleiterkonzern gern.
Die Kosten sind unterdessen längst nicht mehr entscheidend: Der Großraum Dublin ist so teuer wie München. Wer heute ein Reihenhaus in Leixlip und Umgebung erwerben will, muss eine halbe Million Euro und mehr hinlegen. Der Coffeeshop an der Kreuzung der beiden Hauptstraßen in dem Flecken verlangt für einen Espresso stolze 2,80 Euro.
Vielmehr sind es heute Skalenvorteile, die Intel in Leixlip immer weiter bauen lassen. Je größer ein Standort in der Halbleiterindustrie, umso effizienter ist er. „Wenn wir uns einmal irgendwo niederlassen, dann bleiben wir dort für eine lange Zeit“, sagt Ann-Marie Holmes. Die Irin verantwortet die weltweite Fertigung von Intel.
Schlägt Intel in Magdeburg denselben Weg ein, sind die beiden dieses Frühjahr von Vorstandschef Pat Gelsinger angekündigten Fabriken nur der Anfang. In den Werken werden Intel zufolge zunächst 3000 Arbeitsplätzen entstehen. Die Bauarbeiten sollen 2023 beginnen, 2026 sollen die ersten Wafer, so nennen sich die Scheiben, auf denen Chips entstehen, das Werk verlassen. 17 Milliarden Euro sollen die Produktionsstätten kosten.
In Irland zeigt sich, dass neue Werke technologisch hochspannend sein können. Derzeit ist Intel dabei, die erste Serienfertigung des Konzerns im fortschrittlichen EUV-Verfahren aufzubauen. EUV steht für extrem ultraviolettes Licht, mit dem die Halbleiter belichtet werden. Einzig diese Technologie ermöglicht es, Chips der modernsten Generation mit Strukturgrößen von unter fünf Nanometern zu produzieren.
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Der Taiwaner Auftragsfertiger TSMC hat früher als Intel auf EUV gesetzt – und sich dadurch einen technologischen Vorsprung erarbeitet. Eine Maschine des niederländischen Herstellers ASML kostet 170 Millionen Euro, mindestens sieben werden in Leixlip installiert. So will sich Intel wieder an die Spitze der Branche katapultieren.
In Magdeburg wird Intel vermutlich bereits die nächste EUV-Generation einsetzen, High-NA. Die Kosten einer Maschine: mehr als 200 Millionen Euro. Von der Ansiedlung in Magdeburg erhofft sich die Landesregierung auch einen Schub für die Forschung.
Dass Amerikaner keine Zeit verlieren wollen, zeigt ein Blick auf die Stellenausschreibungen für Magdeburg. Intel sucht bereits Ingenieure für den Bau der Fabriken sowie Verantwortliche für den Betrieb. Darüber hinaus sind Jobs im Personalwesen zu haben – und in der Öffentlichkeitsarbeit.
Bei Tesla ist Gründer und CEO Elon Musk selbst mit seinen Tweets das Sprachrohr. Die Kommunikation überlässt Intel in Leixlip der Managerin Lisa Harlow. Sie leitet den Nachbarschaftsbeirat und sorgt dafür, den Konzern in einem günstigen Licht dastehen zu lassen, indem sie etwa Spenden für wohltätige Zwecke freischlägt oder sich für den Umweltschutz engagiert.
Ein Posten, der sich für Intel ganz offensichtlich auszahlt – und ein Engagement, das sich auch Ministerpräsident Haseloff für Magdeburg wünscht. Schließlich lassen sich Subventionen für einen freundlichen Investor deutlich besser rechtfertigen als für Turbokapitalisten.
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