Ist Scrum das richtige Framework für uns?
Wann machen agile Frameworks wie Scrum und Kanban Sinn, wann nicht? Wann braucht es Mischformen wie Scrumban? Funktioniert Scrum auch außerhalb der IT? Sollte man von Scrum nach Kanban wechseln oder besser umgekehrt?
Diese Fragen gingen mir schon länger durch den Kopf. Als Agile Coaches arbeiten wir gern mit dem Scrum-Guide: Das Lehrbuch verhilft Unternehmen zu mehr Agilität und erklärt die Grundregeln des Frameworks bis ins Detail. Doch ist es immer gut, Regeln dogmatisch zu folgen? Gibt es Umgebungen, in denen das Biegen und Brechen der Regeln nach dem Shu-Ha-Ri-Prinzip sinnvoller ist?
Scrum macht Agilität in Unternehmen umsetzbar
„Der Sinn von Scrum liegt darin, agiles Arbeiten in Unternehmen oder Teams durch das Vorgeben von Regeln zu etablieren und zu fördern“, findet auch Isabella Hillmer, die früher als Agile Coach bei Share Now gearbeitet hat, jetzt bei HelloAgile.
Isabella hat nach Psychologie und Neurowissenschaft Industriedesign studiert und ein Start-up für taktile User-Interfaces mitgegründet – mit kurzem „Intermezzo“ als Wein-Sommeliere im 2-Sterne-Restaurant, wo Fehlerfreiheit im Service großgeschrieben wurde. Warum ich das erzähle? Weil diese intuitiven Richtungswechsel in der beruflichen Laufbahn eben auch mit Agilität zu tun haben.
Fehlerkultur als tragende Säule für den Erfolg von Agilität
„Ein Grundpfeiler von Agilität ist es, dass wir immer hinterfragen, was wir gerade tun und ob es noch das Richtige ist. Wir müssen Platz für Veränderungen lassen. Das kostet extrem viel Headspeace“, weiß Isabella. Der Knackpunkt aus ihrer Sicht: Wer Projekte agil umsetzen will, muss Fehlerkultur bewusst leben. Leitfragen sind z.B.: • Wie viel Raum gebe ich mir selbst, um aus Fehlern zu lernen? • Wo darf mein Unternehmen auch mal auf die Nase fallen? „Solche Risiken gehen Menschen jedoch nur ein, wenn sie wissen, dass sie für Fehler nicht bestraft werden. Dann übernehmen sie gern Verantwortung.“ Ist eine solche Fehlerkultur im Unternehmen nicht vorhanden, scheitert die erfolgreiche Scrum-Einführung in der Regel. Dann macht das Framework keinen Sinn.
Scrum als Werkzeugkoffer: Rausholen, was man gerade braucht
Ob Scrum das richtige Framework für die eigene Umgebung ist, lässt sich also nicht pauschal beantworten und hängt in erster Linie vom Reifegrad der Agilität im Unternehmen ab. Grundsätzlich gilt: Scrum lässt sich nicht blind für alle empfehlen. Wird Scrum falsch umgesetzt – etwa unbegleitet – oder passt die Methode nicht richtig für das Unternehmen, bleibt die radikale Transformation der Abteilung aus.
Wer agile Frameworks sinnvoll nutzen will, beherzigt am besten meine folgenden Learnings:
Für größere Unternehmen ist es zunehmend erstrebenswert, ihrer Workforce mehr Freiheit zu schenken und dahingehend eine Wertschätzung zu etablieren.
Scrum funktioniert auch außerhalb der IT, aber man muss das Framework so adaptieren, dass es für die jeweilige Branche passt.
Umso komplexer ein Problem ist, desto eher passt Scrum.
Bei starken Vorgaben von außen eignet sich das agile Framework Kanban unter Umständen besser. Scrum ist in hochregulierten Umgebungen zwar durchaus möglich, braucht aber eine gute Begleitung.
Meine Kollegin Isabella schätzt übrigens, dass der Scrum-Trend noch ein gutes Jahrzehnt andauern wird. Der Nachfolger? Scrumban. Dieses Mix-Framework aus Scrum und Kanban nutzt aus beiden Philosophien das Sinnvollste und kann so bestimmte Gruppen an Entwicklerteams besonders gut bedienen. Mehr zum Thema erfahrt ihr in der aktuellen Folge meines Podcasts „Unboxing Agile“, dem Podcast für besseres Arbeiten.