Jobs, die noch nie divers besetzt wurden (und warum das ein Problem ist)
Diversität im Job? Klar, ist mittlerweile Standard-Vokabular in HR-Abteilungen, auf Karriere-Websites und in Employer-Branding-Kampagnen. Aber wenn man mal etwas genauer hinschaut, gibt es bestimmte Berufe, bei denen Diversität scheinbar nie mitgedacht wurde. Oder schlimmer: nie erlaubt war.
Man scrollt durch eine Pressemitteilung, sieht das Gruppenfoto – und denkt: Schon wieder nur Männer? Schon wieder nur dieselben Gesichter?
Das sind nicht nur Einzelfälle, sondern symbolträchtige Rollen. Machtpositionen. Ämter mit Strahlkraft. Und genau deshalb ist es so bezeichnend, wenn dort seit Jahrzehnten – oder Jahrhunderten – exakt ein Typ Mensch sitzt.
Weiß. Männlich. Hetero. Cis. Akademisch. Unbeirrbar in seiner Selbstverständlichkeit.
Man nennt das gern „Tradition“. Oder „Erfahrung“. Oder einfach: „So war das halt schon immer.“ Doch wer sagt eigentlich, dass „immer schon“ auch „für immer“ bedeuten muss?
Zeit, mal hinzuschauen. Zeit, Fragen zu stellen. Und vielleicht auch mal zu sagen: „Wirklich? 2025 – und immer noch niemand anders?“
1. Der Papst – der vielleicht exklusivste Männerclub der Welt
In der katholischen Kirche kann eine Frau eine Heilige sein. Eine Märtyrerin. Eine Nonne. Aber kein Priester. Und schon gar nicht Papst.
Über 2.000 Jahre Kirchengeschichte – und keine Frau hat es je in ein Weiheamt geschafft. Und auch andere Gruppen. Komplett unsichtbar. Schwarze Päpste? Fehlanzeige. Offene LGBTQ+-Personen? Ein theologischer Skandal. Menschen mit Behinderung? In der Geschichte kirchlicher Fürsorge oft eher Betreute als selbstbestimmte Akteur·innen.
Schon die Idee, dass eine Frau den Vorsitz einer katholischen Messe übernimmt, ist für viele Kirchenmänner ein rotes Tuch. Dabei hätte gerade eine Institution wie die Kirche die Power, ein starkes Zeichen zu setzen. Tut sie aber nicht. Warum? Tradition.
2. Der Bundestrainer – Fußball bleibt Männerbusiness
Fußball ist Leidenschaft. Fußball ist Integration. Fußball ist (angeblich) für alle da. Außer beim DFB. Dort gilt: Nationaltrainer wird, wer MANN ist. Sepp, Helmut, Jupp, Franz, Berti, Erich, Rudi, Jürgen, Joachim alias Jogi, Hansi, nochmal kurz Rudi, Julian.
In über 75 Jahren hat es keine Frau geschafft, das Männer-Nationalteam zu trainieren. Nicht mal als Co-Trainerin. Nicht mal als Debatte. Dabei trainieren längst Frauen Männerteams auf Amateurniveau – mit Erfolg.
Und bevor jetzt jemand ruft: „Ja, aber die müssen ja selbst mal Profi gewesen sein!“ – Fun Fact: Einige der erfolgreichsten Trainer der Welt waren nie Profis. (Siehe: Arrigo Sacchi, José Mourinho)
Also warum nicht mal mutig sein? Warum nicht die beste Taktikerin Deutschlands an die Seitenlinie stellen?
3. Chef der Bundesbank – Wo Diversität an der Glastür scheitert
Die Bundesbank – Hüterin der Geldwertstabilität. Klingt trocken, ist aber ein echter Machtposten.
Seit ihrer Gründung 1957 wurde sie nur von Männern geführt. Meist älter. Meist weiß. Meist mit ähnlichem Karrierepfad (Jurist, Volkswirt, Ministerium, zack: Chefetage). Namentlich: Wilhelm, Karl, Karl, Karl, Otmar, Karl, Helmut, Hans, Ernst, Axel, Jens, Joachim. Gallerie gefällig? Kannst Du Dir hier anschauen.
Und obwohl man heute bei jeder Bankenveranstaltung ein Diversity-Panel findet, sind es am Ende immer die gleichen Leute, die über unser Geld entscheiden.
Wie glaubwürdig ist das eigentlich, wenn ein ganzes Land über Gleichstellung spricht, aber beim Thema „Finanzmacht“ keinerlei Vielfalt sichtbar ist?
4. DAX-CEO als Woman of Color – Noch immer ein blinder Fleck
Ja, es gibt sie: Frauen in DAX-Vorständen. Und ja, manche haben sogar das Ruder übernommen (👋 Belén Garijo, Merck).
Aber eine Woman of Color ganz oben im DAX? Fehlanzeige.
Deutschland tut sich schwer mit Intersektionalität. Wenn Du eine Frau und nicht-weiß bist, und noch dazu Karriere machen willst – dann brauchst Du nicht nur Kompetenz, sondern auch eine Rüstung gegen strukturelle Hürden.
Und selbst Unternehmen, die sich öffentlich zu Diversität bekennen, scheinen bei der finalen Besetzung oft plötzlich wieder auf Nummer sicher zu gehen.
5. Regierende·r Bürgermeister·in von Berlin – mit sichtbarer Behinderung? Nope.
Berlin – weltoffen, bunt, laut, queer, subversiv. Schwul an der Spitze? Kein Problem hier, und das ist auch gut so. Und trotzdem: Noch nie wurde eine Person mit sichtbarer Behinderung zur regierenden Bürgermeister·in gewählt.
Was sagt das über uns aus?
Es zeigt, wie tief Barrieren in unserem politischen System verankert sind – und dass Repräsentation nicht automatisch mit Progressivität einhergeht. Denn echte Inklusion heißt: Macht mit allen teilen. Nicht nur die Bühne.
6. CEO eines großen deutschen Unternehmens – mit ADHS, Autismus oder Depression? Kaum sichtbar.
In Deutschland reden wir inzwischen über mentale Gesundheit. Über ADHS bei Erwachsenen. Über Autismus-Spektren. Aber wer mit einer neurologischen Diagnose Karriere macht, tut das meistens still. Unsichtbar. Aus Angst vor Stigma.
Gibt es neurodivergente Führungskräfte? Ja, sicher. Reden sie offen darüber? Fast nie.
Wir haben keinen einzigen prominenten DAX-CEO, der offen sagt: „Ich habe ADHS und leite dieses Unternehmen erfolgreich.“ Oder: „Ich bin auf dem Autismus-Spektrum und das ist Teil meiner Stärke.“
Und das ist ein Problem. Denn Sichtbarkeit schafft Akzeptanz. Und Vorbilder öffnen Türen.
Warum das alles keine Nebensache ist
Weil Diversität kein Goodwill-Thema ist. Sondern ein Spiegel von Machtverhältnissen.
Denn wenn ganze Gruppen nie in bestimmten Jobs vorkommen – dann liegt das nicht an mangelnder Eignung.
Sondern an Strukturen, die verhindern, dass diese Eignung überhaupt gesehen wird.
Die Lücke ist sichtbar. Und sie bleibt schmerzhaft, solange sie ignoriert wird.
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