Jobsuche über 50: „Nicht nur auf Stellenausschreibungen verlassen“
Ältere sollen länger am Arbeitsmarkt bleiben. Doch trotz Fachkräftemangel haben sie es oft schwer, einen neuen Job zu finden. Dafür gibt es einige Gründe. Aber es gibt auch Möglichkeiten, wie man trotzdem fündig werden kann.
Dieser Artikel ist am 05.05.2025 durch Katrin Schreiter beim RND erschienen.
Hannover. Nach 14 Jahren war plötzlich Schluss. Dienstwagen, Sekretärin, Visitenkarte – das alles gehörte von heute auf morgen der Vergangenheit an. 14 Jahre lang hatte Karsten S. die Auslandsabteilung eines Architekturbüros im Süden Deutschlands geleitet. Doch nachdem 2022 die Geschäftsführung gewechselt hatte und der Fokus aufs Inlandsgeschäft gelegt wurde, musste Karsten S. die Firma verlassen. Nach Monaten der Arbeitslosigkeit sucht der heute 52-Jährige händeringend eine neue Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt – bisher ohne Erfolg.
Jedes siebte Unternehmen plant nur mit Jüngeren
So wie Karsten S. geht es vielen. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) waren im Jahr 2023 Arbeitssuchende über 50 im Schnitt 108 Tage länger arbeitslos als jüngere Menschen – und das, obwohl Fachkräfte gesucht werden. Zwei von fünf Betrieben würden gar keinen Mitarbeiter mehr beschäftigen, die älter als 50 Jahre sind. Jedes siebte Unternehmen hierzulande habe in Umfragen zugegeben, grundsätzlich keine Älteren einzustellen.
„Gründe dafür gibt es einige“, sagt Sabine Votteler, Expertin für beruflichen Umbruch. „Vor allem sind es Vorurteile: Die Älteren sind zu teuer, sind häufig krank, können sich nicht so gut ins Team einbringen.“
Die Karriereberaterin räumt ein, „dass es auch Ältere gibt, die unflexibel sind und schon ihren Rentenbeginn im Blick haben. Doch das ist keinesfalls die Regel.“ Und selbst wenn so mancher ab 50 in Richtung Ruhestand schielen würde, „kann sich nicht jeder eine Frührente leisten“.
Politik lockt mit Anreizen
Personal fehlt an jeder Ecke. Die Politik will deshalb sogar, dass die Deutschen länger arbeiten und lockt mit Anreizen. Wer den Renteneintritt über den regulären Zeitpunkt hinaus verschiebt, erhält für jeden zusätzlich gearbeiteten Monat ein Leben lang sogar 0,5 Prozent mehr Rente. Doch das macht das Jobfinden im Alter nicht einfacher.
„Die guten Chancen verbauen sich viele ältere Arbeitssuchende schon mit ihrer Bewerbung. Die sind teilweise einfach schlecht – sowohl formal als auch stilistisch“, weiß Sabine Votteler aus Erfahrung. „Unabhängig davon rate ich davon ab, sich ausschließlich auf Stellenausschreibungen zu verlassen. Das bringt vor allem Absagen und schadet nur der eigenen mentalen Verfassung“, sagt die Fachfrau und erklärt: „Oft sortiert die KI schon automatisch die Älteren aus dem Stapel der Bewerbungen aus.“
Die guten Chancen verbauen sich viele ältere Arbeitssuchende schon mit ihrer Bewerbung. Die sind teilweise einfach schlecht – sowohl formal als auch stilistisch.
Die Karriereberaterin empfiehlt stattdessen, sich zu fragen, „was mich ausmacht und wo ich gut wäre, um ein Problem zu lösen“. Statt mit unzähligen Bewerbungsschreiben sollte man gezielt nach passenden Firmen suchen – und dort dann das Gespräch mit einer verantwortlichen Person. „Vor allem auch, um herauszufinden, welche Herausforderungen es derzeit in der Branche und im Unternehmen gibt.“
Oft ergebe sich über dieses Fachgespräch dann der zweite Schritt – die konkrete Bewerbung. „Das klingt zwar langwierig, ist aber erfolgversprechender“, weiß Votteler. „Das heißt aber auch, dass man sich aus der Komfortzone herausbewegen muss.“
Die Vorteile der älteren Arbeitsuchenden
Das Alter müsse also kein Nachteil sein. „Jüngere Arbeitsuchende haben zwar meist das fachliche Know-how beziehungsweise die speziellen Fähigkeiten, ältere dagegen sehen häufig die Dinge in ihrem Zusammenhang, können besser kombinieren und ihre Erfahrung einbringen. Das sind gute Argumente auf dem Arbeitsmarkt“, ist sich die Karriereberaterin sicher.
„Es gibt allerdings auch viele Ältere, die sich selbstständig machen wollen, um ihre Erfahrung weiterzugeben“, sagt Votteler und erzählt von einem Kunden, der lange Zeit Geschäftsführer einer Werbeagentur war und der nun mittelständische Unternehmen berät. Dabei gehe es vor allem um das Thema, wie man sich auf den Ausfall des Geschäftsführers vorbereiten kann – um einen Notfallplan. „Der Kunde war einst selbst wegen einer Krankheit länger ausgefallen – eine Erfahrung, die ihn auf die Geschäftsidee brachte.“
Meine fünf Tipps für die Selbstständigkeit
Auf dem Weg in die Selbstständigkeit gebe es einige Fallen, sagt Votteler. Die Expertin in Bezug auf Neuorientierung, die selbst mit 49 Jahren ausgestiegen ist und sich selbstständig gemacht hat, hat fünf Tipps, wie es gelingen kann:
Geduld mitbringen: Viele glauben, der Schritt in die Selbstständigkeit würde schnell gehen, nur weil man zahlreiche technische Möglichkeiten und entsprechendes Vorwissen hat.
Ein finanzielles Polster haben: Auch, wenn man ein Geschäftsmodell wählt, das mit geringem Investment zu starten ist. Man muss auf jeden Fall eine Anlaufzeit überbrücken.
Einen Fokus suchen: Viele machen den Fehler, sich zu breit aufzustellen. Doch wer kein spezifisches Problem für eine spezifische Zielgruppe löst, geht im Wettbewerb unter.
Nicht den Arbeitsaufwand unterschätzen: Es sind nicht nur fachliche Kenntnisse gefragt, sondern auch Management, Marketing, operative Aufgaben usw. Viele Dinge, die man noch nie gemacht hat.
Netzwerk knüpfen: Hilfreich ist es, sich Unterstützung zu suchen, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben, um sich auf Augenhöhe austauschen zu können.