Kein Murks! Woran wir Qualitätsprodukte erkennen
Es ist kein Zufall, dass die Lebensdauer von Produkten heute immer kürzer wird. Damit verbunden ist ein neues Wort in der Warenwelt: „Geplante Obsoleszenz“. Der Murks hat heute Methode, denn Produkte werden mit Sollbruchstellen absichtlich so konstruiert, dass ihre Lebensdauer auf einen kurzen Erstnutzerzyklus reduziert ist. Das Ziel: viel Umsatz bei geringen Kosten. Der Betriebswirt und Autor Stefan Schridde, der vom Film „Kaufen für die Müllhalde“ aufgerüttelt wurde, setzt sich dafür ein, die Verantwortung vom Konsumenten weg zu verlagern – beispielsweise mit einer Kennzeichnungspflicht. So müsste bei einem Tablet stehen, dass sich das Gehäuse nur schwer zur Reparatur öffnen lässt oder dass der Akku im Handy fest eingebaut ist und nicht selbst ausgewechselt werden kann. Auch das Manifest der eigenständigen Reparatur fordert im Internet dazu auf, dass Geräte von Nutzern geöffnet werden können, ohne dass die Garantie erlischt, dass wir Verbrauchsmaterialen selbst ersetzen können und dass Ersatzteile zu einem vernünftigen Preis erhältlich sind.
Nachhaltige Produkte setzen, so Schridde, Milliardenbeträge für andere Käufe und Arbeitsplätze frei, zudem würden Arbeitsplätze eher im Ausland wegfallen, wo billig produziert werde. Und letztlich würden gerade Repair Cafés die Kultur der Reparatur wiederbeleben. Das MURKS.CENTER öffnete Ende November 2014 in Berlin. Es ist der zentrale Ort aller Aktivitäten der von ihm initiierten bürgerschaftlichen Organisation MURKS? NEIN DANKE! e.V. und bietet eine Dauerausstellung zum Thema "Geplante Obsoleszenz" sowie Aktionsräume für Vorträge, Seminare und Workshops. Gezeigt wird auch, wie möglichst viel Murks verhindert werden kann, wenn bewusster geplant wird.
Immer wieder wird Stefan Schridde nach konkreten Beispielen gefragt.Im liegt deshalb daran, konkrete Produkte möglichst mit einer spezifischen persönlichen Geschichte vorzulegen. Diese Objekte setzt er dann auch ein, um in Präsentationen und Vorträgen auf das Thema aufmerksam zu machen. Deshalb begann er, eine Sammlung solcher Objekte anzulegen.
In den letzten Jahren ist bei allen Generationen ein genereller Trend zu mehr Qualität und Naturbelassenheit von Produkten erkennbar. Sie sollten aus Materialien hergestellt werden, die für Mensch und Umwelt ungefährlich und gesund sind sowie die Wasserversorgung und –qualität nicht beeinträchtigen. Sie sind zudem so zu entwerfen, dass alle Materialien wiederverwertet werden können (die Schaffung entsprechender Rückholsysteme ist darin eingeschlossen). Montage und Herstellung der Produkte sollten mit erneuerbarer umweltfreundlicher Energie erfolgen.
Worauf geachtet werden sollte:
Die verwendeten Materialien gewährleisten eine lange Lebensdauer.
Kennzeichnung Herkunftsort des Produkts.
Das Produkt muss problemlos für eine Reparatur geöffnet werden können.
Ersatzteile müssen über einen längeren Zeitraum frei verfügbar sein.
Typische Verschleißteile sollten erkennbar sein.
Bedienungsanleitungen müssen verfügbar sein.
Es sollte einen Reparaturservice vor Ort geben.
Auch das kleinste Detail ist im Murks-Kontext wichtig: So werden in technischen Geräten beispielsweise auch Schrauben oder Zahnräder aus Plastik eingesetzt, weil sie dann schneller verschleißen. Es lohnt ein weiterer Blick auf den deutschen Mittelstand, denn hier zeigt sich, wie das Kleine mit dem Großen verbunden ist – und wie Murks durch Qualitätsarbeit verhindert wird: Als derzeit einziges Unternehmen deutschlandweit deckt die Mader GmbH & Co. KG mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart mit ihrem Leistungsspektrum die gesamte „Druckluftstrecke“, von der Erzeugung der Druckluft im Kompressor über deren Aufbereitung und Verteilung bis zur Druckluftanwendung, beispielsweise mit Pneumatik-Zylindern, ab. Zum Leistungsportfolio gehört neben einem umfangreichen Produktprogramm auch eine Reihe von Dienstleistungen, beispielsweise die Analyse, Auslegung, Planung und Installation von kompletten Druckluftanlagen sowie deren Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur.
Murks wird hier auch beim kleinsten Teil ausgeschlossen, beispielsweise beim Rundzylinder MDU. Die Produkte bestehen aus dem gleichen ISO-Zylinder-Profil (DIN ISO 6432) wie die MDI-Reihe, sind jedoch in den Kolbendurchmessern von 32 und 40 Millimetern lieferbar, die nicht von der ISO-Norm abgedeckt werden. „Durch die Programmerweiterung bedienen wir die steigende Nachfrage nach Rundzylindern mit ISO-Profil in größeren Durchmessern“, so Thomas Lang, der hier als verantwortlicher Produktmanagerarbeitet. Die doppeltwirkenden Rundzylinder werden in der hohen Unternehmensqualität geliefert: Zylinderrohr und Kolbenstange sind aus Edelstahl (!) und mit der bewährten NBR-Dichtung ausgestattet.
Interessant ist, dass die Bedeutung von Resilienz hier ebenfalls einfließt: „Resilient“ leitet sich vom lateinischen „resilire“ ab, was so viel bedeutet wie „zurückprallen, zurückschrumpfen“. Die alltagssprachliche Verbreitung des Wortes „resilient“ im Englischen führte dazu, dass das Wort in mehreren Wissenschaftsdisziplinen unabhängig voneinander eingesetzt wurde. Die technischen Wissenschaften setzten ihn früh ein, um die Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit bzw. Elastizität von Materialien zu erfassen. „Die Materialien haben sich, was Widerstandskraft und Robustheit betrifft, in der Praxis bewährt“, sagt Thomas Lang. Zubehör kann direkt über den Online-Shop des Unternehmens, das auch Reparaturen durchführt, bezogen werden.
Gründe für viel Murks sieht Stefan Schridde nicht im vorsätzlichen und kriminellen Handeln, sondern in strengen Zielvorgaben, die mit unzureichender Organisation einhergehen. Dazu gehören für ihn fehlende Abstimmungsprozesse, keine Möglichkeit für Feedbacks und den gemeinsamen Austausch, zufällige Wareneingangskontrollen bei Kleinstbauteilen. Aber es gibt auch viele positive Beispiele – und es lohnt, in diesem Zusammenhang auch einen Blick auf Nachhaltigkeitsberichte zu werfen: Sie sind dann ein glaubwürdiges Qualitätsprodukt, wenn sie aus dem Unternehmen heraus entstehen, wenn sie nachprüfbar das wiedergeben, was wirklich ist, und wenn Menschen dahinter greifbar sind, die Auskunft geben können.
Am Beispiel der memo AG, einem ökologischen Versandhandel, lässt sich das Gesamtthema gut darstellen. Die Umwelt- und Sozialverträglichkeit eines Produktes während der gesamten Wertschöpfungskette ist dabei unerlässlich - von der Rohstoffgewinnung, über das Herstellungsverfahren, den Vertrieb und Gebrauch bis zum Recycling bzw. der Entsorgung. Im Nachhaltigkeitsbericht finden sich zahlreiche Belege dafür, dass Qualität auch ein wichtiger Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagementsystems und ein relevanter Aspekt ist, um Kundenzufriedenheit zu fördern und sicherzustellen. Sie bedeutet aber auch, bei den internen Prozessen und Maßnahmen die jeweils höchstmöglichen Standards anzulegen. So umfasst der Listungsprozess eine ganzheitliche Analyse der Umweltauswirkungen und der Gesundheitsverträglichkeit der Produkte: „Relevant sind Aspekte wie verwendete Materialien, ressourceneffiziente Herstellung, sparsame recyclingfähige Verpackung, möglichst geringe gesundheitliche Belastung des Benutzers während des Gebrauchs, Energieeffizienz sowie die Recyclingfähigkeit bzw. problemlose Rückführung des Produktes in natürliche Kreisläufe“, so Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation leitet. Aus den Ergebnissen regelmäßiger Reklamationsanalysen und Kundenanregungen können Verbesserungsmöglichkeiten der Produkte gezielt erkannt und geeignete Optimierungsmaßnahmen eingeleitet werden.
Das Beispiel zeigt, dass sich ein Blick auf das Thema Produktverantwortung in Nachhaltigkeitsberichten und Ökobilanzen lohnt. Sie sind wichtig, um das „unternehmerische Engagement für die werdende Kreislaufgesellschaft messbar und vergleichbar“ zu machen, so Stefan Schridde, dessen Kernbotschaft ist: Hört auf, „Endverbraucher“ zu sein und entwickelt ein neues Selbstverständnis als „Erstzahler und Nutzer“ in der Kreislaufgesellschaft! In Zukunft besser leben ist keine finanzielle, sondern eine Einstellungsfrage, die Murks verhindern kann.
Weiterführende Informationen
Stefan Schridde: Murks? Nein danke! Was wir tun können, damit die Dinge besser werden. Oekom Verlag München 2014.
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler, Heidelberg und Berlin 2017.