Autor Mustafa Suleyman - REUTERS
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KI als größtes Dilemma unserer Zeit

Düsseldorf. Mustafa Suleyman ist Mitgründer von DeepMind, einem der heute führenden KI-Unternehmen. Dessen KI AlphaGo schlug 2016 den Weltmeister in dem chinesischen Spiel Go – und löste so einen neuen Hype um KI aus. Nun appelliert Suleyman in „The Coming Wave“ (mit Michael Bhaskar) dafür, diese Technologie zu regulieren.

Zunächst blickt der Autor jedoch ganzheitlich auf die gemeinsame Evolution von Mensch und Technologie: Innovationen wie Feuer, Elektrizität und das Internet haben die Lebensqualität der Menschen verbessert und immer neue Errungenschaften hervorgebracht. Technologischer Fortschritt baut sich so in Wellen auf und bedingt neue Technologien. Künstliche Intelligenz sei dabei die Schlüsseltechnologie der nächsten großen Innovationswelle.

Um den Aufstieg und die Zukunft von KI zu verstehen, erweist sich das Werk als unverzichtbare Lektüre. Fesselnd und anschaulich schildert Suleyman aus einer sehr persönlichen Perspektive, wie sich die KI-Welle auch durch das steigende Interesse an seinem Start-up, DeepMind, aufgebaut hat. Er selbst sei überrascht von AlphaGos Fähigkeiten gewesen: „Unsere KI hatte Ideen aufgedeckt, die den brillantesten Spielern seit Tausenden von Jahren nicht eingefallen waren“, schreibt Suleyman.

Die KI-Zukunftsvision des Autors zeigt die Vorteile, die KI mit sich bringen wird. Herausforderungen wie den Klimawandel sieht er als so gut wie gelöst an. Robotik, Quantencomputer und Fusionsenergie würden von der KI-Welle ebenfalls weiterentwickelt.

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Warnung vor täuschend echten Deepfakes

Suleyman schwenkt aber auch schnell von naiv wirkendem Optimismus in Pessimismus um. Er selbst habe bereits nach der Gründung von DeepMind vor den Risiken von KI gewarnt, aber sei nicht durchgedrungen. Man fragt sich, woher diese Vorahnung kam und wieso er trotzdem zwei KI-Start-ups gründete. Er sagt dazu nur, dass er eben Optimist sei. Malt aber dennoch düstere Szenarien einer unregulierten KI: massenhafte Desinformationskampagnen, täuschend echte Deepfakes, autonom agierende Kampfdrohnen und Roboter, neuartige Biowaffen und Chaos durch eine Neuordnung der Gesellschaft. Dieser innere Konflikt wirkt auch nach der Lektüre ungelöst – die Warnung ein bisschen wie eine Rechtfertigung.

Dystopischen Folgen und Herausforderungen, vor denen die Menschheit mit der KI-Welle stehen wird, widmet Suleyman viele Seiten. Als Leserin verzweifelt man im zweiten Drittel beinahe und fragt sich, wie diese Dystopie noch aufgehalten werden könnte. Suleyman zieht dabei Vergleiche zur Atombombe, der einzigen Innovation, die laut ihm bisher einigermaßen vom Menschen eingedämmt werden konnte.

Die KI-Welle sei jedoch schwieriger zu kontrollieren. Sie dringe in jeden Lebensbereich ein und entwickle ein Eigenleben, da sie sich selbst optimieren kann. „Die unvermeidbare Herausforderung von Technologien ist, dass ihre Erfinder schnell die Kontrolle über den Kurs verlieren, den ihre Erfindungen nehmen.“

Das kommerzielle Interesse an der Weiterentwicklung sei weiterhin sehr hoch und Staaten träten gegeneinander an, um Vorreiter der Technologie zu werden. Das „größte Dilemma des 21. Jahrhunderts“ sei deshalb die Regulierung der KI, während die Menschheit gleichzeitig ihre Vorteile genießen will.

Konkrete Regulierungsansätze für KI

Um dieses Dilemma aufzulösen, schlägt Suleyman zehn Schritte vor. Sie wirken fast zu simpel: Transparenz über die Funktionsweisen der Technologie, angepasste KI-Systemarchitekturen, Regulierung durch Gesetze und internationale Zusammenarbeit. Den europäischen AI Act sieht Suleyman als positiven Hoffnungsschimmer und einen guten ersten Versuch.

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Er entwirrt das komplexe Geflecht von KI-Innovationen und skizziert anschaulich die aktuellen und zukünftigen Entwicklungsstufen von KI-Modellen. Sein Buch bietet dabei eine Mischung aus hoffnungsvollen Perspektiven und dystopischen Visionen. Auch wenn es einen verzweifeln lässt, bietet „The Coming Wave“ konkrete Ansätze zur Regulierung von KI. Das Buch ist ein Appell, das Dilemma ernst zu nehmen: Demokratien zu stärken und internationale Zusammenarbeit zu fördern, um einen „Tsunami“ zu verhindern.

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