Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Worauf es in der Bauwirtschaft jetzt ankommt
Der Bausektor, einer der ressourcenintensivsten Sektoren unserer Wirtschaft, befindet sich seit Jahren im Wandel. Damit verbunden ist auch der immer lauter werdende Ruf nach umweltfreundlichen und innovativen Materialien und Technologien.
Bereits 2018 sprach sich auch der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Klaus Töpfer auf der Mitgliederversammlung des Instituts Bauen und Umwelt (IBU) für eine Kreislauwirtschaft in der Baubranche aus, die etwa auf Ressourceneffizienz, langfristige Nutzungszeiten von Produkten und dynamische Produktentwicklungen setzt. Vordergründig spricht in der Baubranche alles für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit: Seit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2007 nimmt die Zahl zertifizierter Immobilien in Deutschland stetig zu. Die Bewertungskriterien für Green Buildings gehen hier weit über bloße Umweltgesichtspunkte hinaus. Es fließen auch ökonomische und soziologische Kriterien ein, ebenso Technik, Prozesse, Standortqualität und Lebenszykluskosten.
Trotz dieser positiven Einzelentwicklungen beklagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführende Vorständin der DGNB, einen „gefühlten Stillstand“ in der Baubranche. Häufig fehlt es an Einsicht und Überzeugung. Viele Strukturen sind so tief verankert, dass die Angst vor Komfortverlusten oder Rückschritten gegenüber einer aktuellen Anpassung an neue Erkenntnisse und Entwicklungen dominiert. Vor diesem Hintergrund hat Christine Lemaitre sieben Stellschrauben für eine Transformation im Bausektor herausgearbeitet, die hier verkürzt vorgestellt werden:
1. Handeln statt Ausreden suchen und finden
Investor:innen und Bauschaffende sollten nicht nur halbherzig die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsanforderungen verfolgen, sondern handeln und sich auch gegen Widerstände durchsetzen.
2. Gestalten statt korrigieren
Je früher und genauer im Prozess nach der besten Lösung gesucht wird, desto besser. Der Schlüssel ist eine richtige, differenzierte Planung, die Varianten durchspielt, damit später nicht korrigiert werden muss (was zeit- und kostenintensiv ist).
3. Ganzheitliche Zusammenhänge verstehen
Der Begriff Nachhaltigkeit ist mit seiner ganzheitlichen Definition der richtige für die Baubranche. Begriffe wie Smart, Circular oder Healthy Building sollten lediglich als integraler Bestandteil einer nachhaltigen Bauweise verstanden werden. Worauf es wirklich ankommt, ist, umfassende Nachhaltigkeitslösungen zusammenzuführen.
4. Mut zur Einfachheit: Pragmatisch diskutieren statt zu viel theoretisieren
Werden die Planungs- und Optimierungstools wie eine DGNB-Zertifizierung genutzt, kann von einem zielgerichteten Vorgehen ausgegangen werden, und es werden die wirklich relevanten Aspekte adressiert. Hinzu kommt, dass oft die einfachen Lösungen die besten sind. Es braucht Pragmatismus und Einfachheit.
5. Auf Fakten setzen und auf fundierte Antworten bauen
Häufig werden Mehrkosten als Argument genutzt, um das eigene Nichthandeln im Nachhaltigkeitskontext zu rechtfertigen. Es sollte differenziert hingeschaut und kritisch hinterfragt werden, wo mögliche Mehrkosten herkommen (häufig sind es Zusatzwünsche).
6. Ehrlicher Dialog: Voneinander lernen
Es gibt viele gute Beispiele, von denen gelernt werden kann, um für das eigene Projekt die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es muss vieles selbst nicht noch einmal erfunden werden. Hilfreich sind eine gelebte Fehlerkultur und ehrliche Stakeholder-Dialoge.
7. Gebäude als fortlaufenden Prozess verstehen
Fehlerkultur ist auch wichtig im Umgang mit dem einmal gebauten Gebäude. Denn damit wurden lediglich die Voraussetzungen geschaffen, dass es in seinem Betrieb auch nachhaltig ist. Gebäude sollten als fortlaufender Prozess verstanden werden. Worauf es ankommt: genau hinsehen, das Gebäude verstehen, Schwachstellen erkennen und systematisch verbessern.
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Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.