Die neue Radhaubitze RCH 155 des Panzerherstellers KNDS in Aktion auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. Foto: dpa
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KNDS droht zum Opfer des eigenen Erfolgs zu werden

Der Bieterkampf um den Militär-LKW-Hersteller Iveco zeigt: Soll der Panzerbauer KNDS erfolgreich bleiben, muss der deutsche Eigentümerclan aussteigen.

Wer Frank Haun nach dem Erfolgsrezept des deutsch-französischen Rüstungskonzerns KNDS fragte, bekam über Jahre eine ähnliche Antwort. „Wir sind Jäger und Sammler und vereinen einfach von allem das Beste“, so der Manager, der das vor allem für den Kampfpanzer Leopard bekannte Unternehmen bis Ende 2024 leitete. In seine – von ihm „Autos“ genannten – Kampfwagen verbaue er nur die besten Komponenten, egal ob die aus dem eigenen Haus oder von Zulieferern stammten. Und weil KNDS je zur Hälfte dem französischen Staat und deutschen Familien gehöre, verbinde es die Schnelligkeit und Risikofreude eines Familienunternehmens mit der breiten Aufstellung eines Weltkonzerns und der Finanzkraft eines Staatsunternehmens, unterstreicht Haun.

Hauns Nachfolger Jean-Paul Alary, der seit April den Konzern aus einer Büroetage im Amsterdamer Büroviertel Zuid führt, braucht ein anderes Konzept. „Gerade aktuelle Entwicklungen wie der beginnende Bieterwettstreit um die Militärsparte des italienischen LKW-Produzenten Iveco zeigen: In der gegenwärtigen Form kann die Gruppe im Wettbewerb wohl nicht erfolgreich bleiben“, kommentiert ein KNDS-Insider. Verändern müsse sich angesichts des nötigen Kapitalbedarfs dabei vor allem die deutsche Hälfte. „Um weiter stark zu wachsen und eine führende Rolle in Europas Verteidigung zu spielen, müssten die beiden Familienstämme mehr oder weniger aussteigen“, meint ein Manager aus der Branche. Am leichtesten zu erreichen sei das über einen Börsengang, wie ihn Haun bereits Ende vorigen Jahres in der WirtschaftsWoche ankündigte. Mehr noch: Dies könnte am Ende der einzig gangbare Weg sein.

Auf den ersten Blick erscheint das überzogen. Denn das Unternehmen überstand zwischen Kaltem Krieg und Zeitenwende drei Jahrzehnte mit wenigen und manchmal sogar fast ohne Aufträge. Dazu kam eine branchenfeindliche Stimmung, in der die Bundesregierung den Waffenbauer laut Haun behandelte, „wie eine Mätresse. Jeder will, was wir bieten, aber am liebsten würden sie uns tot sehen, wenn sie nur keiner beim Mord erwischt.“ Erfolgreich war der Konzern trotzdem. 2022, als die Zeitenwende noch stotterte, erzielte KNDS eine Nettorendite von fast 9,2 Prozent vom Umsatz. Rheinmetall schaffte damals 8,3 Prozent.

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In fünf Jahren die Produktion verdreifachen

Inzwischen befindet sich KNDS sowohl von der Produktion wie von der Finanzlage in der besten Form, seit in den 1960er-Jahren der erste Leopard bei der Vorgängerfirma Krauss-Maffei entstand. Laut dem Financial Report 2024 blieben im vorigen Jahr von 3,8 Milliarden Euro Umsatz 412 Millionen Euro Nettogewinn. Eigenkapital und Barmittel lagen zum Jahreswechsel bei jeweils gut 2,3 Milliarden Euro und der Auftragsbestand verdoppelte sich nahezu auf 23,5 Milliarden Euro. Und der Ausblick bleibe sehr gut, heißt es in der Ende März fertiggestellten Bilanz.

Trotzdem kommt das Erfolgsmodell ausgerechnet jetzt finanziell an seine Grenzen. Denn um die vielen Aufträge für den Leopard 2, den Schützenpanzer Boxer oder die Haubitzen abzuarbeiten, muss die Produktion in Deutschland deutlich steigen. Die Standorte München und Kassel werden ihren Output bald verdoppelt haben. Mit weiteren Fabriken wie dem Waggonwerk des Zugherstellers Alstom in Görlitz will der künftige Deutschlandchef Andreas Hohenwarter binnen drei Jahren auf 500 Panzer pro Jahr kommen – viermal mehr als 2023. Bereits das dürfte inklusive Vorleistungen mehr als eine Milliarde Euro kosten. KNDS will sich zu alldem nicht äußern.

Hinzu kommen reichlich Investitionen in zusätzliche Technik. Dazu zählen einerseits Neuentwicklungen wie Drohnenabwehr oder Künstliche Intelligenz, deren Bedeutung der Ukrainekrieg gezeigt hat. Gleichzeitig will der Konzern sein Angebot erweitern und etwa für angeblich zwei Milliarden Euro die Militärsparte des italienischen LKW-Produzenten Iveco kaufen.

Die vor allem bei der Fahrerkabine verstärkten Trucks sollen in der Produktpalette die Lücke schließen zwischen einerseits geschützten Geländewagen wie dem Dingo oder dem Fennek sowie andererseits dem Radpanzer Boxer. „Hier ist es ein Vorteil, Komplettanbieter zu sein“, betonte Haun vor ein paar Monaten.

Leopard statt Panther

Noch wichtiger dürfte es jedoch für den Konzern sein, mit dem Kauf von Iveco in Italien Fuß zu fassen und dort als eine Art einheimisches Unternehmen zu gelten. Denn das Land will seine Landstreitkräfte neu ausrüsten und dafür bis zu 380 Kampfpanzer und mehr als 1000 Infanteriefahrzeuge in der Größe eines Schützenpanzers kaufen. „Der Gesamtwert könnte bei gut 25 Milliarden Euro liegen“, schätzt Roberto Cingolani, CEO des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo.

Sein Gemeinschaftsunternehmen mit Rheinmetall gilt eigentlich als gesetzt für den Auftrag. Doch seit einem Jahr tut sich wenig, obwohl im nächsten Jahr die ersten Fahrzeuge fertig sein sollten. Kenner führen das darauf zurück, dass die italienische Regierung den Auftrag zwar gern an die teilstaatliche Leonardo geben will. „Doch die Armee wirbt nach Kräften für KNDS, weil sie statt einer Variante des noch unerprobten Rheinmetallpanzers Panther den neuesten Leopard 2 will“, kommentiert ein Rüstungsmanager. „Und da könnte der Kauf von Iveco einen Unterschied machen.“

Doch der Vorteil hätte Nebenwirkungen. Denn am Ende könnten bei Iveco neben bis zu zwei Milliarden Euro Kaufpreis ein paar hundert Millionen Euro Integrationskosten anfallen. „Spätestens dann braucht KNDS frisches Geld“, prophezeit ein Manager der Konkurrenz. „Und das wird kaum ohne einen Beitrag der Aktionäre gehen.“

Das wird nicht leicht. Denn während der französische Staat über eine Kapitalerhöhung von gut 100 Millionen wohl nicht lange nachdenken müsste, dürfte die deutsche Seite kaum mitziehen. „Den allermeisten Gesellschaftern dürften die Mittel fehlen“, sagt ein Kenner der Eigentümerfamilien. Denn auch wenn KNDS gut verdient hat und allein in den drei vergangenen Jahren laut den Geschäftsberichten auf fast eine Milliarde Euro Nettogewinn kam: Ausgeschüttet hat das Unternehmen nur einen Bruchteil. So flossen demnach an die Familienholding Wegmann & Co mit Sitz in Fürstenfeldbruck im Mai 2024 immerhin 54,9 Millionen Euro und im August 2024 weitere zehn Millionen Euro „Interimsdividende“. Doch den Betrag mussten sich gut zwei Dutzend Empfänger und ihre Angehörigen teilen. „Da kann wohl keiner viel ansammeln“, meint ein Kenner der Eigentümerfamilien.

Anteilsverkauf bislang unmöglich

Gleichzeitig können die deutschen Anteilseigner sich die Mittel für eine Kapitalerhöhung auch nicht ohne weiteres besorgen. Denn zumindest in einem Familienstamm gilt ein spezielles Beteiligungsmodell, das garantieren soll, dass keine Außenstehende in den Kreis der Anteilseigner eintreten. Deshalb dürfen die Anteilseigner ihre Beteiligung nicht zu Geld machen, und sie, wenn überhaupt, nur im Kreise der anderen Aktionäre verkaufen. Doch dort kann sich eine Aufstockung kaum einer leisten – was wiederum auf die gut laufenden Geschäfte zurückzuführen ist.

Bereits gemessen am vom Ex-Chef Haun geschätzten Unternehmenswert von acht Milliarden Euro dürfte jeder der rund zwei Dutzend Anteilstranchen im Schnitt 150 Millionen Euro wert sein. Sollte der in Presseberichten geschätzte Börsenwert von gut 20 Milliarden Euro zutreffend sein, wären es bis zu 400 Millionen Euro.

Somit bleibt am Ende nur ein Ausweg, um das Kapital aufzustocken: ein Börsengang, bei dem aus den zwei Dutzend Anteilen laut Geschäftsbericht bis zu 150.000 werden könnten, die alle deutschen Anteilseigner in beliebigem Umfang verkaufen könnten.

Allerdings wären auch damit noch nicht alle Hürden aus dem Weg geräumt. Denn als Rüstungsbetrieb genießt KNDS eine besondere Aufmerksamkeit seiner beiden Heimatländer. Der französische Staat kann seine Interessen relativ leicht durchsetzen. Er verfügt neben seinen Anteilen (50 Prozent) über eine sogenannte „goldene Aktie“, die ihm besondere Mitspracherechte garantiert. Um sich ähnlichen Einfluss zu sichern, könnte sich die Bundesregierung bei einem Rückzug der Familien 25 Prozent der Anteile und damit eine Sperrminorität sichern, mit deren Hilfe sie im Ernstfall ein französisches Übergewicht verhindern könnte.

Nach diesem Muster ist Deutschland auch am Rüstungselektroniker Hensoldt beteiligt. Und der Erfolg spricht für das Modell. Denn in seiner Branche ist Hensoldt ebenso erfolgreich wie es KNDS bisher war.

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KNDS droht zum Opfer des eigenen Erfolgs zu werden

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