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Kommt alles anders. 2021, das Jahr der umgeschmissenen Entscheidungen.

„Das Internet wird kein Massenmedium“ hat vor zwanzig Jahren der bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx pointiert prognostiziert. Wie gut, dass er sich geirrt hat, denn wie würden wir sonst die Corona-Zeit überstehen? „Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen“ wussten schon abwechselnd Karl Valentin oder Mark Twain. Und doch versuchen wir Menschen es immer wieder. Per statistischer Hochrechnung oder Kaffeesatz-Leserei. Ich halte es diesmal anders.

Denn „erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt.“ Sicher kennen Sie dieses Sprichwort. Es hilft mir, Sie durch diesen Beitrag mitzunehmen. Ich wage einen kleinen Rückblick über die vergangenen Monate in Arbeitswelt und Weiterbildungsszene . Am Ende blicke ich schon mal auf das Jahr 2022, ohne dass ich mich auf das glatte Parkett der Prognoseforschung oder gar Wahrsagerei traue – frei nach Herbert Grönemeyers „Bleibt alles anders“.

2021 - Das Jahr der revidierten Entscheidungen

2021 wird ein gutes Jahr, hieß es allenthalben zu Jahresbeginn. Wir werden wieder aufmachen, wenn alles gutgeht. Zuerst wagte man noch ein Event zu planen, meinetwegen einen runden Geburtstag, eine schöne Reise oder ein präsenziges Business-Event. Dabei war man dabei schon vorsichtig, mit Plan B in der Tasche, und doch schmissen die Umstände dann doch kurzfristig viele Planungen über den Haufen. Weihnachtsfeiern finden auch dieses Jahr kaum oder nur virtuell statt. Alle Urlaube konzentrierten sich auf drei, vier Monate im Sommer und Ziele und Termine mussten bisweilen kurzfristig verlegt werden. Und auch große Events, wie Messen, Konzerte oder Feiern zum Landesjubiläum von NRW: Planungen sind fragil, vorläufig, immer auf Abruf zu ändern. 2021 – im Rückblick sicherlich für viele das Jahr der umgeschmissenen Entscheidungen.

Das gilt in diesen Zeiten auch für Wirtschaft, Arbeitswelt und Arbeitsmarkt: Während in den ersten Monaten der Corona-Krise der Arbeitsmarkt fast komplett zum Stillstand kam, sinken die Arbeitslosenzahlen seit Monaten auf fast so niedrige Werte, wie vor der Krise. Ist denn schon wieder Fachkräftemangel? Zurzeit stellen insbesondere Branchen ein, die in der Krise besonders litten oder die besonders gefragt sind: Tourismus, Gastro, Handel müssen erst mal wieder durchstarten, Pflege und Pharma laufen unter Hochdruck und brauchen Entlastung. Und darüber hinaus? Kurzarbeit durch Lieferengpässe. Strukturbedingte Ängste und Sorgen in Automobilbranche und Energiesektor. Zum Jahresende dann auch noch Lockdownfurcht.

Auch sonst in der Arbeitswelt: Konnte man gerade wieder ins Office zurück und freute sich auf neue Formen des Arbeitens, angekommen im Büro der Zukunft, ganz im Sinne von New Work: Remote plus Office, 2/3/3-Modelle oder Mixed-Office, so zwingen die aktuellen Umstände viele wieder zurück ins gezwungene Home-Office ohne Alternativen. Selbst die betriebliche Weihnachstfeier geht wieder nur remote, ob man will oder nicht

Weiterbildungsbranche 2021 - kam alles anders

Auch wir in der Weiterbildungsbranche hatten so unsere Erfahrungen mit umgeschmissenen Planungen. War zu Beginn allenthalben an Präsenzunterricht kaum zu denken, weil a. entweder verboten oder b. eher nicht so behaglich, öffneten sich ab Frühling in viele Weiterbildungsinstitutionen wieder die Türen. Ob berufliche Business-Seminare, VHS-Kurs oder Schweißer-Trainings, viele Präsenzunterricht sehnten sich geradezu nach physischem sozialen Miteinander in Kursen und Unterrichten. Zwischenzeitlich bestimmen wieder coronabedingte Einschränkungen und Regeln das Geschehen. Kommt alles anders.

Die breite öffentliche Diskussion in Sachen Bildung konzentriert sich derweil mal wieder auf den Präsenzunterricht von Schulen. Durchhalteparolen und Lüftungskonzepte bestimmen die Debatte: "Präsenzunterricht hat höchste Priorität". Gab es eigentlich umfassende, geplante, strategische Bemühungen zur Digitalisierung schulischer Bildung?

Es gilt auch hier: "Vergesst die Weiterbildung nicht". Denn in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung gab es diese. So wie wir mit unserem Online-Präsenzunterricht verlagerten viele Insitute und Akademien ihre Weiterbildungsangebote in den digitalen Raum - bisweilen auch mit phygitalen oder hybriden Mischformen. Dabei ist die Zeit grad günstig für eine berufliche Weiterbildung - Leerlaufzeiten im Betrieb oder gar die Situation zwischen zwei Jobs bieten sich an, neue berufliche Skills zu lernen. Und die Förderung von beruflicher Weiterbildung steht bei der Bundesagentur für Arbeit und anderen Förderstellen ganz oben auf der Agenda.

Das VUCA-Jahr - nicht nur in Sachen Corona

Dynamiken und Unvorhersehbarkeit bestimmen die Arbeitswelt. Die Welt ist mehr VUCA denn je und das bleibt sie auch: volatil, unsicher, complex und ambivalent. VUCA beschreibt dabei nicht nur die akuten pandemiebedingten Dramatiken: Klimawandel, damit verbundene Dekarbonisierung, d.h. Veränderungen in Wirtschaften, Gesundheit, Mobilität, Wohnen; demografische Herausforderungen mit Alterungen von Gesellschaft und Belegschaft, die Ambivalenzen globaler, vernetzter Welten mit Chancen und Risiken von Big Data und künstlicher Intelligenz. Da werden manche Trends schnell wieder einkassiert und andere tauchen schneller auf, als irgendjemand prognostiziert hätte. Oder glauben Sie, es wäre wenigstens einer der Zukunftsforscher*innen Ende 2019 so hellsichtig gewesen, vorauszusagen, dass Mitte 2020 ein großer Teil der Berufstätigen in der Lage sein würde remote zu arbeiten? Prognosen? Von wegen - kommt alles anders.

Ausblick 2022: Kommt alles anders

Ach ja, ich hatte anfangs versprochen, auf das Jahr 2022 zu blicken. Denn einen Art Trend gibt es dann ja doch, sie ahnen es: Es ist die permanente Unvorhersagbarkeit – „Kommt alles anders" Ganz gleich, ob Technik-Trends, Pandemieprognosen, Arbeitsmarktausblicke, Klimawandelschätzungen. Ständig kommen Umstände dazwischen, die die vorhergesagten Ziele und Ergebnisse verhageln.

Einstweilen wünsche ich Ihnen erholsame Feiertage und ein gutes Jahr 2022! Wer weiß, vielleicht kommt alles anders? Was denken Sie?

Lars Hahn schreibt über Weiterbildung, Digitalisierung, Arbeitsmarkt

Als Trendschnüffler, Karriereberater und Leiter der LVQ Weiterbildung gGmbH schreibe ich über die Veränderung unserer Arbeitswelt durch die Digitalisierung und darüber, wie Sie sich per Weiterbildung und andere Wege fit für Ihre berufliche Zukunft machen.

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