Kompetenzmanagement im Mittelstand
Das Thema beschäftigt mich täglich, und es ist hochspannend die Hintergründe zu „erforschen“, was Lernen betrifft: Wann lernt eine Person, welche Möglichkeiten gibt es etc. Im Unternehmen, für das ich tätig bin, wird das Lernen großgeschrieben. Alle möchten sich stetig weiterentwickeln, gefordert wird dies sogar explizit von unseren Mitunternehmern – dabei ist es allerdings wichtig, dass die Schulungen und Aktivitäten zielorientiert geplant werden. Nur so haben die Mitunternehmer Lust und Antrieb an der Weiterentwicklung. Es gibt nichts Schlimmeres als zu denken „Schon wieder eine Schulung.“ Oder: „Der Chef schickt mich.“ Der Antrieb muss vom Mitunternehmer ausgehen. Nur so hat es einen nachhaltigen Nutzen.
Für die Personalentwicklung im Allgemeinen stellt sie die Basis dar. Ausgerichtet an den aufgedeckten Potentialen aus der Kompetenzmessung werden entsprechende Maßnahmen geplant, durchgeführt und die Nutzbarmachung gemessen. Vor allem in einer Zeit, die sich schnell wandelt und in der Wissen schnell veraltet sowie stetig neue Kompetenzen von Mitarbeitern verlangt werden, ist es unabdingbar, die Entwicklung kompetenzorientiert zu forcieren. Einmalig erlangtes Wissen ist nicht mehr ausreichend, sondern muss in einem laufenden Prozess unaufhörlich aktualisiert und vermittelt werden. Dabei steht das zielorientierte und lebenslange Lernen im Mittelpunkt – die stetige Weiterentwicklung der Mitarbeiter- und Unternehmenskompetenzen entscheidet zukünftig über den langfristigen Erfolg von Unternehmen.
Dafür ist ein Lernprozess notwendig. Diese Lernprozesse können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: formales Lernen (Ziel, einen Zertifikatsabschluss zu erreichen, nicht-formales Lernen (und direkte Verwertung und Anwendung in der Praxis, ohne Zertifikatsabschluss), informelles Lernen (unabhängig von prozessgesteuerten Maßnahmen, aufgaben- oder situationsbedingt), impliziertes Lernen (beiläufig und unbewusst). Alle vier Lernformen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine entsprechende Aktivität bzw. Aktion mit ihnen verbunden ist. Lernen kann zu jeder Zeit stattfinden, unabhängig vom Lern- oder Arbeitsprozess, also auch in der täglichen Arbeit, vorausgesetzt die Mitarbeiter werden anhand von herausfordernden Aufgaben und einer lernorientierten Kultur dazu motiviert.
Sie dient dem Lernen in allen Ebenen. Mitarbeiter müssen im Rahmen einer positiven Fehlerkultur dahin-gehend motiviert werden, etwaige zu Fehler zuzulassen und zu machen, um daraus Lernimpulse und Verbesserungspotentiale abzuleiten. Neben klassischen „off-the-job"-Maßnahmen rücken „near-the-job“- und „on-the-job“-Maßnahmen mehr und mehr in den Mit-telpunkt der Kompetenzentwicklung. Es bedarf zunehmend arbeitsnaher und -integrativer Maßnahmen, um eine Agilität zu gewährleisten und die Reaktionsschnelligkeit zu erhöhen.
Vor allem in Bezug auf das informelle und implizierte Lernen liegt die Herausforderung darin, Lernfelder und -prozesse sichtbar zu machen und aktiv zu gestalten, um eine individuelle Kompetenz-entwicklung zu ermöglichen. Immerhin werden 60-80 % der Handlungskompetenz in den arbeitsnahen Prozessen entwickelt. Gleich-zeitig ist zu konstatieren, dass das informelle und implizierte Lernen nie losgelöst von pädagogisch organisierten Lernformen betrachtet werden darf – sie funktionieren zum großen Teil im Zusammenspiel.
Es bedarf einer entsprechenden Kultur und Arbeitsumgebung. Hierbei sind z.B. Handlungsspielräume für selbstorganisiertes und -gesteuertes Handeln sowie experimentelles Lernen oder eine ausgeprägte Fehlerkultur zweckmäßig. Ein gemeinsames Verständnis, dass die Aufgaben und Tätigkeiten zwar in erster Linie dem Arbeitsprozess dienen, aber gleichzeitig als Lernprozess zu sehen sind, ist wichtig für die Akzeptanz bei Mitarbeitern und Führungskräften. Die Führungskräfte müssen Handlungsspielräume geben, selbstorganisiertes Han-deln ermöglichen und ihren Teams auf einer Vertrauensbasis mit Offenheit begegnen.
• Flache Hierarchien: Mitarbeiter haben die Möglichkeit selbstorganisiert und -gesteuert zu handeln
• Kompetenzbewusstsein: Kompetenzen werden von allen Beteiligten bewusst wahrgenommen, reflektiert und auch kommuniziert
• Kommunikation: Geforderte und geförderte Kompetenzpotentiale werden offen und transparent kommuniziert
• Transparenz: Freie Informationsverfügbarkeit im Unternehmen für alle Beteiligten
• Unternehmensführung und Mitarbeiter streben nach Exzellenz und Spitzenleistung und sehen dabei Fehler als Chance zur Verbesserung.
Die Bereitschaft, Kompetenzen voll zu entfalten und weiterzuentwickeln ist sehr stark abhängig von der Stabilität und Akzeptanz der Rahmenbedingungen. Es sollte hinsichtlich der Mitgestaltungs- und Veränderungsmöglichkeiten und -erwartungen ein einheitliches Verständnis herrschen. Vor allem die Verfügbarkeit und Transparenz von notwendigen Informationen ist wichtig für eine Kultur, die das Mitgestalten fördert.
Als Ansatzpunkte dienen das Kompetenzprofil sowie etwaige „Kompetenzlücken“ aus der Kompetenzbewertung. Bei den entsprechenden Maßnahmen bedarf es dann einer guten Planung und auch Kommunikation. Meist sind Kursangebote und Trainings sinnvoll, die sich an den gesamten Aufgaben der professionellen Tätigkeit, z.B. einer bestimmten Berufsgruppe orientieren. Die Angebote bilden in diesem Kontext Bausteine zur Kompetenzentwicklung in speziellen Bereichen und Teilbereichen spezieller Unterkompetenzen. Im Gegensatz dazu sind Angebote der Aus- und zertifizierten Weiterbildung eher an kompletten Kompetenzprofilen orientiert, d.h. entsprechend strukturiert und aufgebaut, um den Teilnehmern möglichst alle notwendigen Kompetenzen in vollem Umfang zu vermitteln. Wichtig dabei ist zu jeder Zeit der unbedingte Praxisbezug.
Dies birgt die Gefahr, dass die Kompetenzentwicklung am Bedarf der Zukunft vorbeigeht und eine Vielzahl der Mitarbeiter mit Kompetenzen ausgestattet werden, die nicht zielführend sind bzw. benötigt werden. Um eine optimale Verzahnung von Organisationsstrategie, Personalmanagement und Kompetenzmanagement zu erreichen, ist es vor allem von Vorteil, wenn die Verantwortungsträger im Personalmanagement am Strategieentwicklungsprozess beteiligt sind. Damit wird sichergestellt, dass die für die strategischen Ziele benötigten Kompetenzen identifiziert werden und direkt in das Kompetenzmanagement fließen können. Es bedarf einer strategischen und vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Personalmanagement und Geschäftsführung.
Grundsätzlich sollte die Strategie in heterogenen Teams entwickelt werden. Beteiligte sollten dabei zwingend umfassende Kenntnisse hinsichtlich der Unternehmensorganisation und etablierter Prozesse sowie fundiertes Markt- und Branchenwissen einbringen. Hierbei ist es ratsam, weniger „Top-down“ vorzugehen und stattdessen Beteiligte einzubeziehen, die in den wichtigsten Wertschöpfungsprozessen aktiv sind. So kann vermieden werden, dass sich die strategischen Überlegungen ausschließlich an sehr langfristigen Zielen orientieren. Vor allem in sich schnell wandelnden Märkten ist es von großer Be-deutung, die Entwicklung von Strategieansätzen und darauf aufbauende Ziele und Maßnahmen auf kurz- und mittelfristigen Perspektiven auszurichten. Vorteilhaft ist hierbei auch, dass Mitarbeiter sich und ihren persönlichen Beitrag in den weniger langfristigen und visionären Zielen besser erkennen und sich somit wahrscheinlicher damit identifizieren können. Kurzfristige Strategien umfassen einen zeitlichen Horizont 18 bis 24 Monaten.
Vor allem auf die richtige Balance zwischen langfristigen Strategien und der strategisch zu entwickelnden Kernkompetenzen des Unternehmens einerseits sowie der kurz- und mittelfristigen Ausrichtung und Zielstellung andererseits einfließen zu lassen. Die Basis des Kompetenzmanagements, die Unternehmensstrategie, muss für alle transparent, verständlich und erreichbar sein. In jedem Fall sollte eine entsprechende Konsistenz zu erkennen sein. Die Mitarbeiter müssen verstehen können, wie die Kompetenzanforderungen entstanden sind und warum sie bedeutsam sind. Das richtige Bewusstsein der Beteiligten ist der Grundstein für Akzeptanz und somit für das praktische Verfolgen der Ziele des Kompetenzmanagements.
Hier kommt es regelmäßig vor, dass einzelne Mitarbeiter flexibel eingesetzt werden (müssen), da es die Rahmen-bedingungen erfordern oder der Mitarbeiter selbst eine Umorientierung anstrebt. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die kurzfristige Übernahme von Führungsaufgaben oder die temporäre Annahme umfangreicher Verantwortung für bestimmte Aufgaben oder Bereiche zu sehen. Auch in solchen Situationen muss das Kompetenzmanagement in der Lage sein, auf die geänderte Situation zu reagieren und durch flexible Kompetenzprofile und Entwicklungskonzepte eine Heranführungsperspektive zu bie-ten.
Vor allem die Führungskompetenz im Allgemeinen hat sich den letzten Jahren verändert und bedarf einer kleinen Revolution. Mit der Generation Y, X und Z haben wir es künftig mit Persönlichkeiten zu tun, die anders geführt muss und geführt werden will – dies scheint eine besondere Herausforderung in der Zukunft zu sein. Aber auch Digitalkompetenz wird immer wichtiger – und dabei geht es nicht nur um das Bedienen bzw. Erlernen von Software etc., sondern vielmehr um das Bewältigen mit der dynamischen Umwelt, die stetig zunimmt: Die Zyklen werden kürzer, eine stetige Veränderung stellt sich ein. Mit einer solchen Umwelt gilt es umzugehen und sie zielorientiert zu nutzen.
Michael Fuhlrott kehrte nach Ausbildung und dualem Studium in BWL aus Frankfurt/Main in seine Heimat Dingelstädt zurück, wo ihm beim Baudienstleister und Projektentwickler KRIEGER + SCHRAMM (K+S) die Chance des Berufseinstiegs geboten wurde. Nach kurzer Zeit als Praktikant erkannte Geschäftsführer Matthias Krieger früh sein Potential, und gemeinsam bauten sie das Personalmanagement auf. Seit 2011 verdreifachte das Unternehmen die Zahl der Mitunternehmer sowie den Umsatz, gründete zwei neue Niederlassungen und etablierte die Mitunternehmer-Kultur.
Nachhaltigkeit und Personalmanagement: Grundlagen zur Sicherung der Zukunftskompetenz
Wirtschaft weiterdenken: Mitunternehmer sein statt Mitarbeiter
Michael Fuhlrott: Konzeption eines Kompetenzmanagements in klein- und mittelständischen Unternehmen - am Beispiel der Krieger + Schramm Unternehmensgruppe. Masterthesis. HS Schmalkalden. Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Dingelstädt 2021.
Matthias Krieger: Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Bau- und Immobilienbranche. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.