Konferenzen der Zukunft: Drei Visionen aus der Science-Fiction-Literatur
Seit knapp zwei Jahren werkelt ein Großteil der Wissensarbeiter:innen so, wie es sich viele nicht im Entferntesten hätten vorstellen können: überwiegend remote, im Home-Office, ohne oder mit wenig Kontakt in persona. Die Pandemie verändert die Arbeitswelt kurz- und langfristig. Dazu gehören Konferenzen und Meetings, die künftig in anderer Form stattfinden.
Heute dominieren Hybrid-Modelle oder komplett virtuelle Veranstaltungen. Ich glaube: Diese Entwicklungen werden überdauern. Wir wollten die Möglichkeiten genauer ausloten und haben uns die Phantastische Bibliothek Wetzlar ins Boot geholt. Im Rahmen einer Studie gingen wir den Möglichkeiten, die die Science-Fiction-Literatur auslotet, auf den Grund.
Das sind die drei großen Visionen aus der Studie
1. Eintauchen statt Porträtkacheln: Von Meetings am Lagerfeuer bis hin zu virtuellen Einkaufszentren
Eine Methode, um der u. a. durch das Starren auf Porträtfenster bedingte Zoom Fatigue zu entgehen, ist, das Gefühl für den Raum zu erhöhen. Dies geschah schon von etwas wagemutigeren Teams während der Corona-Pandemie, die ihre Meetings in die digitale Western-Spielewelt von Red Dead Redemption II ans Lagerfeuer verlegten.1 Ein solches Vorgehen hat eindeutig den Vorteil einer aufgelockerten Atmosphäre, die kreativen Prozessen dienlich sein kann; allerdings kann es in einer solchen Spielesimulation auch passieren, dass das Team unversehens überfallen wird.2 Zweifelsohne ist das eine optische Auflockerung von drögen Sitzungen, in denen man vom Schreibtisch aus entweder auf Porträtbildkacheln starrt, oder auch nur auf Platzhalter und eventuell eine Präsentation, die von einer Stimme aus dem Nichts begleitet wird, deren Besitzer:in man im extremsten Fall noch nie gesehen hat, mit dem oder der man aber trotzdem interagieren muss. Doch ist es auch in einer solchen Simulation trotz der Körperillusion nur bedingt möglich, Körpersprache zu übermitteln, die für eine gelingende Kommunikation wichtig ist.
Nichtsdestotrotz: Virtual Reality wird künftig eine bedeutende Rolle spielen. So ist denkbar, dass künftig ein großer Teil des Wirtschaftslebens komplett in die virtuelle Realität verlagert wird, inklusive der begleitenden Infrastruktur. Dieser Ansatz findet sich in dem Buch Ready Player One3, in dem der Protagonist eine komplett virtuelle Parallelwelt à la Second Life imaginiert – inklusive Firmen, die virtuellen Grundbesitz erwerben oder Miete bezahlen. Wohlgemerkt ist nichts davon real!
2. Statt Immersion: Die Illusion in der Realität
Anstelle den oder die Benutzer:in aufwendig in eine virtuelle Welt eintauchen zu lassen, kann die körperliche Anwesenheit der Gesprächspartner:innen auch im realen Raum als Projektion realisiert werden. Eine vergleichsweise einfache Lösung bietet hierfür eine Commwall: Das ist ein von künstlicher Intelligenz gesteuertes, wandfüllendes Display, welches den realen Raum durch eine dreidimensionale Illusion erweitert. Für das Arbeiten im Homeoffice ist ein Hightech-Multifunktionsraum deutlich praktischer als der Laptop auf dem Küchentisch, denn die Commwall dient hier z. B. als virtuelles Konferenzzimmer. Wenn es nur um die Projektion der Gesprächspartner:innen in den Raum geht, kann auch ein in den Schreibtisch eingelassener Holoprojektor verwendet werden, mit dem Meetings einfach vom eigenen Arbeitsplatz aus initiiert werden. In besseren Hotelzimmern gehört die Holosäule in Zukunft als Ausstattungsmerkmal dazu. In diese lässt sich sowohl ein Platzhalter der Gesprächspartner:innen laden als auch – gegen Aufpreis – ein live übertragenes 3D-Bild.
Jenseits der einfachen dreidimensionalen Projektion auf eine dafür vorgesehene Fläche (Commwall) oder über einen Holoprojektor, können die Gesprächspartner:innen auch per Augmented Reality als Illusion in den Raum projiziert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Interface, das zugleich den Blick in den realen Raum als auch die audiovisuelle Projektion der Illusion zulässt. Dies geschieht in der Science Fiction in der Regel über Datenbrillen oder – sofern die Handlung in weiter entfernter Zukunft angesiedelt ist – über entsprechende Implantate.
Wahrscheinlich ist es auch aus Kostengründen für kleinere Unternehmen sinnvoll, keinen eigenen Holoraum zu betreiben, sondern das über einen externen Dienstleister zu bündeln. Extern anmietbare Räume mit holografischer Projektionsausstattung hätten auch den Vorteil, dass sie zu Ausstellungsräumen umgestaltet werden können, um Gegenstände zu präsentieren.
3. Datenerfassung, Datenbearbeitung und Datensicherheit – wie sichern wir sie in der virtuellen Welt?
Ganz gleich ob holografische Projektionen, Augmented Reality oder Immersion in eine virtuelle Welt: Um realistisch wirkende 3D-Darstellungen zu erzeugen, müssen diese Daten produziert und weiterverarbeitet werden. Je realitätsgetreuer die Darstellung sein soll, umso größer ist die Datenmenge, die für ein virtuelles Treffen in Echtzeit transportiert werden muss. Das kann bei Live-Übertragungen zu »Hängern« führen. Um Datenmengen zu sparen, ist es sinnvoll, mit einem hinterlegten dreidimensionalen Bild zu arbeiten, statt die digitale Kopie jedes Mal neu einzulesen und zu berechnen. Zur Erstellung eines solchen Abbilds muss mindestens einmal ein regelrechtes Motion Capturing durchlaufen werden, um ein möglichst großes Repertoire von Bewegungsabläufen für den Avatar im Speicher hinterlegt zu haben.
Wer den aufwendigen Motion-Capturing-Prozess aus Zeit- und Kostengründen scheut, kann auch einen Avatar ›von der Stange‹ benutzen: Um nicht körperlos zu bleiben, besteht die Möglichkeit, mit »einem gesichts- und geschlechtslosen Ding ähnlich einem Fußgänger auf einem Verkehrsschild« (Tad Williams: Otherland (1998, orig. 1996), S. 53.) aufzutreten, das, wäre es nicht als ›billig‹ stigmatisiert, durchaus auch Vorteile haben könnte, da es Diskriminierung aufgrund von körperlichen Merkmalen ausschließt. Es bedarf jedoch einiger Übung, um einen differenzierteren Avatar zu steuern.
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Diese Auszüge sind unserer Studie „Konferenzen der Zukunft: Alles wird digital“ entnommen und werden dort mit den entsprechenden Literaturbelegen ausführlich besprochen.
Ihr wollt mehr erfahren? Dann lest doch mal rein und schreibt uns eure Meinung. Könnt ihr euch vorstellen, dass diese Szenarien in naher Zukunft eintreten?