Raul Krauthausen ist Sozial-Unternehmer - aber er nennt es lieber konstruktiven Aktivismus. - Bildnachweis: Anna Spindelndreier | Gesellschaftsbilder.de

Konstruktiver Aktivismus: Wie kann ich was bewegen, Raul Krauthausen?

Wie bist du zu dem geworden, der du bist?, fragt Inklusion-Aktivist Raul Krauthausen Deutschlands bekannteste Aktivist*innen. Er zeigt auf, wie aus politischem Protest politisches Handeln wird - und wie jede*r einzelne selbst was bewegen kann.

Da ich seit Jahren aktivistisch unterwegs bin und viele Aktivist*innen kenne, dachte ich, es wäre vielleicht mal ganz schön mit diesen Menschen in Gespräche zu kommen, sie zu fragen "Wie bist du zu dem geworden, der du bist?", "Was hast du auf der Reise gelernt?" und "Was glaubst du braucht es in der Gelegenheit, um Veränderungen für eine bessere Welt zu erreichen?" - Da bietet sich ein Podcast ideal an.

Bei mir war das ja so: Schon als Student habe ich mich für gesellschaftspolitische Themen interessiert. Irgendwann stellte ich fest, dass es keine Organisation gibt, die meine gefühlten Interessen als behinderter Mensch aus Deutschland aus der Perspektive der Menschen mit Behinderung vertritt. Deswegen habe ich dann gemeinsam mit Freunden den Verein Sozialhelden gegründet.

Damals hätte ich schon gerne gewusst, dass ich nicht alles können muss. Gerade wenn man einen Verein gründet, ist es ja entscheidend, dass man Gemeinnützigkeit beantragt, dass man eine Satzung schreibt, usw. - Das ist sehr viel Bürokratie, auch Juristerei und Steuerrecht - also alles nicht so einfach. Anfangs dachte ich immer, ich muss das alles können; habe mir Literatur gekauft, versucht die zu lesen, aber dann bald gemerkt: "Das schaffst du gar nicht!"

Irgendwann bin ich dann zur Erkenntnis gelangt, dass man ein Team braucht. Man muss so früh es geht anfangen in einem Team zu arbeiten, um die Lücken im Wissen oder auch im Talent, das man selber nicht hat, zu schließen, mit anderen Menschen, die in den jeweiligen Kategorien besser sind als man selbst. Das mit der gleichen Leidenschaft aber manchen, wie du vielleicht deine Leidenschaft in einem bestimmten Themen hast, für die du brennst. Und dann diese Kompetenzen auch am besten einsetzen kannst.

Wir wollen engagierten Menschen Tipps und Tricks geben

Gefühlt ist jede*r mal in einem Podcast gewesen. Aber es scheint noch zu funktionieren, da scheint es noch einen Bedarf zu geben.

Meine Gäste sind Menschen, von denen man vielleicht schon mal gehört hat. Menschen, die sich nicht erst seit gestern engagieren, sondern die wirklich auch für eine Sache brennen, vielleicht sogar symbolisch auch für ihr Thema mehr als viele andere stehen. Was nicht heißt, dass sie die Besten sein müssen oder diejenigen sind, die die Bekanntesten sein müssen. Nein, es müssen Menschen sein, die wirklich eine Geschichte zu erzählen haben.

Die Idee ist aus den Erfahrungen der bisherigen Aktivist*innen zu lernen. Ich glaube nicht daran, dass jemand eine Antwort geben kann auf die Frage: "Warum bist du so erfolgreich?". Ich frage daher lieber nach ihren Erkenntnissen, zum Beispiel "Was hast du gelernt?" oder "wer stand dir im Weg?" Was hättest du gerne früher gewusst. Aus diesen Erkenntnissen heraus kann man dann als Zuhörer*in eine Menge mitnehmen. Ich finde es sehr interessant, dass fast alle Aktivist*innen, mit denen ich spreche oder gesprochen habe, das Gefühl des Burnouts kennen oder auch das Gefühl der Einsamkeit. Das Gefühl, dass sie alleine auf weiter Flur Sisyphusarbeit kämpfen, aber am Ende des Tages trotzdem weitermachen: Was aber ist der Grund, warum sie weitermachen?

Mir ist daran gelegen, dass wir Vielfalt abbilden: nicht nur über Klimaaktivismus oder über Anti-Sexismus reden, sondern auch andere Themen zu Wort kommen wie beispielsweise Finanzgerechtigkeit, wie Klassismus oder wie Rassismus gegenüber von People of Color. Gerade das letztere Thema ist auch ein wichtiger Aspekt, der oft in der ganzen Aktivismuswelt bisher, zumindest in meinen Augen, nicht so häufig zu Wort kam.

Aus dem Podcast soll auch ein Buch entstehen (mit einem ähnlichen Titel "Wie kann ich was bewegen?"). Darin wollen wir Tipps und Tricks geben für Menschen, die sich gerade anfangen zu engagieren, oder die verstehen wollen, wie man wirkungsvoll Aktivismus machen kann.

In der zweiten Staffel könnte ich mir auch vorstellen, dass wir es erweitern um Aktivisit*innen, die im Hintergrund arbeiten und agieren, die aber auch eine Menge erreicht und bewegt haben. Aber eins nach dem anderen.

Ich lerne immer wieder neu aus diesen Gesprächen

Ich selber lerne immer wieder neu aus diesen Gesprächen, dass die Beobachtungen und die Erfahrungen, die ich selber bei mir im Kleinen gemacht habe, viele andere Menschen auch machen. Dass wir viel zu wenig darüber reden, dass wir uns verwundbar zeigen sollten, dass man nicht auch alles können muss, dass es auch wichtig ist, sich mal zurückzuziehen, dass man Kraft tanken muss, auch mal Unterstützung von anderen braucht und nicht immer nur andere unterstützten muss und kann. Das ist toal wichtig! Ich glaube, da kann ich noch ganz viel aus den Geschichten und den Erfahrung der anderen Aktivist*innen lernen.

Eine andere, ganz wichtige Lektion, die ich mitnehme, ist, dass wir anfangen müssen, ganzheitlicher zu denken:

Dass es nicht mehr nur darum geht: Hier kämpfen die Umweltaktivist*innen und da kämpfen die Menschen gegen Rassismus, sondern dass die Dinge auch oft Hand in Hand gehen.

Zum Beispiel dass wir in der Unterbringungskrise der geflüchteten Menschen, die nach Deutschland kommen sind und hier Schutz suchen, dass diese Krisen oft auch ihre Ursachen in der Zerstörung des Klimas haben, dass wenn wir die Dinge nicht anfangen gemeinsam miteinander zu denken, dann sind wir eigentlich nur noch am Brände löschen und nicht am nachhaltigen Erhalt des Planeten und der Menschlichkeit arbeiten.

Über diesen Podcast:

Wie kann ich was bewegen? – Der Podcast von und mit Raul Krauthausen. Wie wird aus politischem Protest politisches Handeln? Wie kann ich als einzelner Mensch Einfluss nehmen? Kurz gesagt: Wie kann ich etwas bewegen? Darüber spricht der politische Aktivist Raul Krauthausen in diesem Podcast mit Deutschlands bekanntesten Aktivist*innen.

Raul Krauthausen schreibt über Inklusion, Barrierefreiheit

Ich engagiere mich bei www.sozialhelden.de und betreue dort Projekte wie die www.wheelmap.org und www.leidmedien.de. Seit 2015 moderiere ich mit „KRAUTHAUSEN – face to face“ (http://krauthausen.tv/) eine eigene Talksendung zu den Themen Kultur und Inklusion auf Sport1.

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