Jochen Mai, Bestsellerautor, Key-Note-Speaker und Gründer von karrierebibel.de - © Jürgen Silius

Kontaktanfragen von Donnerstag – aber 1999!

Gestern hatte ich wieder so eine denkwürdige Anfrage. Zusammengefasst: „Ich würde Sie gern näher kennenlernen. Können wir diese Woche einfach mal 15 Minuten telefonieren – kurzer Austausch, Inspiration, gegenseitige Impulse – you name it.“

Meine Reaktion: Warum?

Ich bekomme in jüngster Zeit immer öfter solche Anfragen für ein (kurzes) Telefonat mit (mir) Fremden. Sie auch? Ich selbst habe damit leider ein Problem:

  1. Erstens weil ich die Person überhaupt nicht kenne und Kaltakquise hasse.

  2. Zweitens weil mir die kluge Begründung fehlt.

Übersetzt heißt die Frage ja: „Ich möchte, dass du 15 Minuten (oder mehr) deiner Lebenszeit in mich investierst.“ Und ich finde, wer das möchte, sollte dafür einen plausiblen und smarten Grund haben.

Dieses Gequassel von „Anknüpfungspunkten“, „Synergien“, „Austausch“ oder „Inspiration“ ist doch meist nur das: hohles Gequassel. Eine Floskel und leere Phrase.

Kontaktanfragen brauchen einen smarten Anlass

You name it: Welche Impulse sollten das denn sein? Warum haben Sie mich überhaupt kontaktiert? Was ist Ihr Interesse an meiner Person? Oder ist es eben doch nur Blabla und ein Beanspruchen fremder Zeit – ohne sich dazu irgendwelche Gedanken gemacht zu haben?!

Seien wir ehrlich: Meistens ist es das. Meistens wollen die Leute nur was haben, aber nichts geben. Oder sie haben einfach nur Langeweile.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich tausche mich gern aus, unterhalte mich mit vielen Menschen. Jeden Tag.

Aber ich habe auch so schon genug Kontakte und Arbeit. Danach habe ich Zeit für Familie und Freunde. Reale, wohlgemerkt!

Die sind mir sowieso wichtiger und mehr Zeit wert als irgendeine virtuelle Bekanntschaft, die sich nicht mal vorstellt oder erklären kann, welchen Grund ich haben könnte, 15 Minuten meiner Zeit in sie zu investieren.

„Mal-eben-so-Lückenbüßer“ für Leerzeiten – das ist nicht mein Selbstverständnis.

Geheimniskrämerisches Ü-Ei

Umso mehr wundert mich die Chuzpe und das Selbstverständnis solcher Anfrager: „Ich klicke den Kontaktanfrage-Button, schreib dir eine kurze Message – also hab gefälligst Zeit, um mit mir zu telefonieren!“

Really?! Dahinter steckt oft nur ein pseudo-psychologischer Manipulationsversuch, der suggerieren will: „Hier gibt es ein Chance für dich – nimm sie wahr, sonst verpasst du was!“

Ich verpasse aber gar nichts und vermisse dieses Telefonat auch nicht, weil es vorher auch schon nicht geführt habe.

Mehr noch: Schon die Anfrage inspiriert nicht.

Und genau das ist ihr Kernproblem: Da verspricht (sich) jemand Impulse, Inspiration und Austausch – und kann noch nicht einmal einen inspirierenden Vorgeschmack oder klug begründeten Impuls mitliefern, sondern verpackt die Ankündigung in ein geheimniskrämerisches Ü-Ei namens „Telefonat“. Mich überzeugt das nicht.

Tatsächlich beantworte ich solche Anfragen oder „Kooperationsangebote“ inzwischen kategorisch gar nicht – oder mit Rückfragen: Warum sollte ich? Was habe ich davon?

Meist kommt danach nur heiße Luft – oder die Luft ist auch schon wieder raus. Gut so!

Meine Erfahrung: Wer schon per Mail zu erkennen gibt, dass er oder sie sich überhaupt keine Gedanken über das Interesse oder den Nutzen seines Gegenübers gemacht hat, der wird das auch am Telefon nicht tun.

Es ist eine Art Lackmustest für echtes „Interesse an der Person“ – oder Netzwerken als Selbstzweck. Letzteres möchte ich nicht kennenlernen.

Kenne ich schon. Finde ich aber doof.

Und Sie so?

Jochen Mai schreibt über Job & Karriere, Personalwesen, Internet & Technologie, Marketing & Werbung

Erfolg ist kein Zufall – er wird gemacht: von dir! Seit mehr als 30 Jahren ist Jochen Mai leidenschaftlicher Autor und Speaker. In seinen Vorträgen begeistert der mehrfach ausgezeichnete Gründer und Journalist mit handfesten Praxistipps und modernen Erfolgsstrategien. Dein Erfolg ist seine Mission.

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