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Kreativität und Nachhaltigkeit in der Medienproduktion

Kreation und Technologien stehen „wie Yin und Yang für polar einander entgegengesetzte und dennoch eng aufeinander bezogene Bereiche der Medienproduktion“, sagt der Print-Produktioner und Medienmacher Marko Hanecke, der sich als Dolmetscher in einer Schnittstellenfunktion zwischen diesen zwei Welten und Sprachen versteht: „Ich übersetzte die technische Sprache der Drucker in eine Mundart, die auch von den Kreativen verstanden wird – und natürlich umgekehrt.“ Mit seiner Arbeit möchte er Brücken bauen zwischen Technik und Kreation und zwischen digitalen und analogen Medien sowie Optionen erweitern. Er motiviert, die neuen, weitreichenden Möglichkeiten im Print zu nutzen und vermittelt die Möglichkeiten der Printproduktion 4.0.

So produzieren Druckereien immer öfter auch auf digitalen Maschinen. Print wird verstärkt mit digitalen Medien verzahnt. Vor diesem Hintergrund sind Kreative aufgerufen, „sich (antizyklisch) mit teils mehr Handarbeit in der Medienproduktion darauf einzustellen – sich ein wenig mehr Mühe bei der Kreation zu geben, um diese vielfältige Produktions-Power mit all den Möglichkeiten zu nutzen.“ Leider wählen viele noch den einfachsten Weg des Mittelmaßes: „Dosen- und Tüten-Kreativität im Instant-Webdesign“, „Kreatives Fast Food“, „Kommunikation in Stangenware“ bzw. „Print von der Stange“. Doch um heute zu bestehen, muss das eigene Leistungsspektrum bestmöglich verdeutlicht werden. Wem dies nicht gelingt, läuft Gefahr, vom Markt zu verschwinden. Es geht um differenzieren oder verlieren. Aber wie im Wettkampf und die die Kommunikation der Qualität bestehen? Dazu braucht es mehr Individualität bei der Drucksachenproduktion (hochwertige Inhalte und individuelle Designs), Spezialisierung, mehr Raffinesse, mehr Differenzierung und Personalisierung. Das ist für Hanecke elementar.

Er kritisiert, dass sich viele Drucksacheneinkäufer zunehmend am Angebot der großen Onlinedrucker orientieren. Allerdings spiegeln diese nur einen sehr kleinen Ausschnitt der gesamten am Markt verfügbaren Produkt-, Verarbeitungs- und Materialvielfalt wider. Vorhandene Möglichkeiten werden eher selten eingesetzt. Er möchte Wissen transferieren, welches es Entscheidern und Kreativen erlaubt, die neuen Möglichkeiten in konkrete Anwendungen zu überführen, Druck- und Werbeprodukte professioneller, nachhaltiger und effektiver zu entwickeln und einzukaufen. Marko Hanecke, Jahrgang 1978, absolvierte eine Ausbildung zum Offsetdrucker, ist Industriemeister für Print- und Digitalmedien und studierter Druckingenieur. Als Print Produktioner machte er sich schließlich selbständig. Vor einigen Jahren kam er zur Universal Music Group in Hannover, wo er für die Großen der Musiklandschaft außergewöhnliche Verpackungen für CDs und Schallplatten entwickelte. Er ist selbst ein großer Musikfan, spielt Saxophon und sammelt Schallplatten. Er störte sich seit Jahren daran, dass viele seiner Vinyl-Schätze schnell vertauben und/oder Fettabdrücke auf den Musikträgern sichtbar waren. So erfand er ein Produkt und erwarb ein Patent für den RecordButler, eine Greif- und Reinigungsvorrichtug für Schallplatten. Diese innovative Erfindung verkauft er noch immer weltweit. Während einer Fortbildung zum Industriemeister für Printmedien und eines Ingenieursstudiums der Drucktechnik an der Beuth Hochschule arbeitete er weiterhin als Produktioner und schrieb nebenher im Auftrag der Studiengemeinschaft Darmstadt (SDG) insgesamt neun Lernbücher für angehende Industriemeister für angehende Medienfachwirte und Industriemeister, denn:

Diese Aufgabe entfachte seine Begeisterung für das Schreiben. Schließlich reifte in ihm der Entschluss, ein Onlinemagazin zu gründen, über das er sein Fachwissen mit Interessierten teilen kann. Seit 2017 betreibt er nebenbei den Blog Printelligent, der sich an Grafiker, Mediengestalter und Printbuyer wendet. In seinem aktuellen (Lern-)Buch „Nachhaltig drucken“ vermittelt er sein umfangreiches und praxisgerechtes Fachwissen. Darin werden Zugänge zu neuartigen Fertigungsmethoden, Produkten und Materialien gezeigt. Es stehen aber auch Nachhaltigkeitsthemen (Werbeartikel, Messebau und Textilien, Greenwashing) im Fokus. Das Buch legt den Grundstein für nachhaltige, bezahlbare und aufmerksamkeitsstarke Druckprodukte jenseits des Mittelmaßes und leistet einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung einer zukunftsfähigen Arbeitswelt für Kreative. Damit es trotz seiner Materialität und des Aufwandes, den der Verlag in der Herstellung betrieben hat, erschwinglich bleibt, haben Lieferanten Materialien und Leistungen zur Verfügung gestellt (es erfolgte keine inhaltliche Einflussnahme).

Das nachhaltige Meisterwerk soll Menschen dazu befähigen, bessere Druckprodukte mit weniger Aufwand zu entwickeln und zu beschaffen. Davon sollen dann auch die Druckereien profitieren. Leider ist es häufig noch so, dass viele von ihnen zwar ihren Müll korrekt trennen und sich als Umweltdruckerei bezeichnen dürfen. Doch sie wissen nicht, „dass ein CO2-neutraler Druck noch lange nicht umweltfreundlich sein muss und das bestimmte Zertifizierungen nur ein Indiz, aber kein Beweis für ein umweltfreundlich agierendes Unternehmen sind.“ Viele grafische Unternehmen in Deutschland bieten klimaneutrale Druckprodukte an. Der Ausgleich der jeweiligen CO2-Emisionen, die bei der Herstellung von Druckprodukten, des Papiers, der eingesetzten Chemikalien sowie Energie und Logistik anfallen, erfolgt über den Ankauf von Zertifikaten für geprüfte Klimaschutzprojekte. Konkrete betriebliche Umweltlistungen lassen sich dadurch aber nicht erkennen. Oberflächliche ökologische Maßnahmen reichen nicht aus - auch wenn sich inzwischen Labels wie FSC, PEFC oder „klimaneutral“ auf vielen Drucksachen und Druckerei-Homepages finden. Konkreter sind Zertifikate für systematisches Umweltmanagement wie EMAS oder ISO 14001. Das schafft Transparenz und sichert die konsequente Umsetzung der eigenen Umweltziele. Sämtliche Einzelmaßnahmen sollten jedoch in eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie eingebunden sein.

Mit diesem Buch macht er Nachhaltigkeit zu einem greifbaren und persönlichen Produkt, denn es wird über die Sinne wahrgenommen und verarbeitet. Das ist zugleich die Grundlage für gute und klare Gedanken. Es ist kein Zufall, dass dieses Werk im Fachverlag für Typografie, Grafikdesign und kreative Werbung von Bertram Schmidt-Friderichs und Karin Schmidt-Friderichs erschien, denn mit ihren Büchern sollen Denkanstöße gegeben werden, die über das Tagesgeschehen hinausgehen. Auch sie glauben an die Zukunft des schönen gedruckten Buches neben digitalen Medien sowie an die mediengerechte Aufbereitung der Inhalte. Das Verlegerpaar ist davon überzeugt, dass es künftig insgesamt weniger, aber bessere Bücher geben wird. Bertram Schmidt-Friderichs trat 1986 in die väterliche Druckerei ein und führte sie von 1988 bis Ende 2013 alleinverantwortlich. Seit 1999 ist der Verlag Hermann Schmidt Mainz ein eigenständiges Verlagsunternehmen. Nach der Schließung des „Mutterunternehmens“ 2013 wird konsequent in Deutschland gedruckt. Der Verlag kooperiert mit FSC-, PEFC- und EMAS-zertifizierten Lieferanten und übernimmt damit nicht nur Verantwortung für Inhalt und Gestaltung, sondern auch für die Herstellung seiner Werke. Um Bücher zu kennzeichnen, die auf diese nachhaltige Weise im eigenen Unternehmen gedruckt wurden, wurde das Label „printed in Germany with love“ geschaffen. Es wird nur das umgesetzt, wovon sie überzeugt sind. Im Gegensatz zu anderen Verlagshäusern wird hier ein Teil des Marketingbudgets in die Herstellung gegeben, weil die Verantwortlichen immer wieder die Erfahrung machen, „dass ein schönes Produkt durchaus Marketing für sich selbst macht.“ Sämtliche Publikationen sind Eigen-Entwicklungen. Im Gegensatz zu anderen Verlagen werden so gut wie keine Lizenzen eingekauft, sondern Inhalte zusammen mit den Autoren selbst entwickelt. Verlegen heißt hier, zu vielem Nein und zu Wenigem Ja zu sagen.

Dazu braucht es Kooperationen, die persönliches Handeln und die Übernahme von Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt einschließt. Komplett CO2-frei Bücher zu produzieren, ist nicht realistisch. Vielmehr geht es darum, so viel CO2 wie möglich einzusparen, damit so wenig wie möglich kompensiert werden muss. Dazu muss jeder Prozessschritt der Buchproduktion überprüft werden. Auch bedarf es eines kontinuierlichen Austauschs mit Partnern, Papierfabriken, Druckereien und Logistikunternehmen. Dennoch sollte nicht allein Klimaneutralität im Fokus stehen, denn „nach klimaneutral kommt Cradle to Cradle“, sagen Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen. 2012 gründeten die Umweltwissenschaftlerin und der Betriebswirt gemeinsam Cradle to Cradle NGO. Vor dem Hintergrund von Klima- und Ressourcenkrise muss sich die industrielle Produktion weltweit grundlegend verändern: von linearen Produkten und Prozessen hin zu zirkulärem Handeln (das Ziel der Klimaneutralität reicht dafür nicht aus). Eine kontinuierliche Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle denkt die Klima- und Ressourcenkrise zusammen deshalb spielt das Thema auch im Buch von Marko Hanecke eine wichtige Rolle

Dafür müssen sämtliche Produkte neu gedacht werden: materialgesund, kreislauffähig und für ihr konkretes Nutzungsszenario designt. Auch unsere wirtschaftlichen Prozesse von der Ressourcenförderung über die Produktion bis zum Handel müssen neu ausgerichtet werden. Eine enorme Herausforderung, aber auch eine Chance für Innovationen und neue Märkte, die zu einer zukunftsfähigen und resilienten Industrie mit nachhaltigem Mehrwert führen. Bei Cradle to Cradle (C2C) ist alles so konzipiert, dass das Produkt am Ende seines Lebenszyklus‘ wieder vollständig in biologische oder technische Kreisläufe zurückgeführt werden kann. Der Begriff „Ökoeffektivität“ wird dabei in Kontrast zu der betriebswirtschaftlichen Kennzahl Ökoeffizienz (Ökobilanz) gestellt, welche den Stoffkreislauf und dessen Umweltwirkungen von der Wiege bis zur Bahre untersucht. Die Grundidee ist Wiederverwendung statt Verbrauch. All dies ist zugleich ein Ausdruck davon, wie wir unsere Welt begreifen und welchen Wert wir ihr verleihen, indem wir uns für oder gegen etwas entscheiden: für ein echtes, nachhaltiges Produkt oder eines, das uns zu täuschen versucht, indem es vorgibt, etwas zu sein, was es nicht ist.

Mit ihrer Fortschreitung wird zwar in vielen Bereichen das Potenzial der Hand reduziert und ignoriert (Smartphone, Touchscreen), aber es gibt auch eine Parallelentwicklung, auf die auch Marko Hanecke verweist: Die Menschen erkennen wieder den Wert haptischer Dinge. Wir sollten uns deshalb auch von der „Entweder-Oder-Denkweise“ verabschieden, denn das Digitale ergänzt das Analoge und umgekehrt. Verdrängungen gibt es lediglich in einigen Randgebieten (Telefonbuch etc.). Als sinnliches Wesen möchte der Mensch die Welt buchstäblich „begreifen“.

  • Marko Hanecke: Nachhaltig drucken. Gestaltung umweltgerechter Druckprojekte. Anregungen, Empfehlungen und Inspirationen. Gestaltung: Pauline Altmann. verlag hermann schmidt, Mainz 2023.

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CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Auflage. Berlin Heidelberg 2021.

Marie-Lucie Linde, Carsten Schlumm und Ludger Kleyboldt: NWB Goes klimaneutral – ein Fachverlag setzt auf klimaneutrale Produktion von Druckerzeugnissen. In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen: Klimaneutral – und dann? In: Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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