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Kundenservice: Welchen Einfluss die Farbe der Kleidung hat

Jeden Monat überprüfen wir die Thesen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Dieses Mal sprach Ingmar Höhmann, Redakteur des Harvard Business managers, mit Maximilian Bruder, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Value Based Marketing der Universität Augsburg. Bei der Studie, um die es in diesem Interview geht, hat er mit den Augsburger Wirtschaftsforschern Andreas Lechner und Michael Paul zusammengearbeitet.

Die Studie: Augsburger Wirtschaftsforscher haben untersucht, ob die Kleidungsfarbe positive Emotionen verstärken kann. Das Ergebnis war eindeutig: Ja, sie kann. In einem Experiment gaben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einer lächelnden Bedienung deutlich mehr Trinkgeld, wenn diese warme Farben trug.

Die These: Wer sein Lächeln unterstreichen möchte, sollte Rot, Orange oder Gelb tragen.

Harvard Business manager: Wie kamen Sie zu Ihrem Ergebnis?

Maximilian Bruder: Wir haben in vier Experimenten mit rund 800 Teilnehmern untersucht, wie warme oder kalte Farben in Kombination mit einem Lächeln oder einem neutralen Gesichtsausdruck wirken. Dafür haben wir Servicekräfte mehrmals fotografiert und im Nachgang über Bildbearbeitung ihre Kleidungsfarbe manipuliert. Die Fotos haben wir den Studienteilnehmern und -teilnehmerinnen vorgelegt. In einem Versuch sollten sie sich vorstellen, sie seien mit Freunden im Restaurant essen. Die Fotos haben wir mit kleinen Sprechblasen versehen: Die Bedienung begrüßt die Gäste, fragt, was sie bestellen möchten, und am Ende verabschiedet sie sich. Schließlich haben wir abgefragt, wie viel Trinkgeld die Probanden geben wollten. Die Summen waren am höchsten, wenn die Bedienung lächelte und warme Farben trug.

Warum?

Aus den Daten ging hervor, dass das Lächeln zusammen mit den warmen Farben zu einem kongruenten Gesamteindruck führte: Die Probanden hatten den Eindruck, dass der Emotionsausdruck zur Kleidungsfarbe passt. Sie empfanden die Servicekraft entsprechend als wärmer, freundlicher und aufrichtiger. Das heißt: Der Effekt von positiven Emotionen, der durch ein Lächeln entsteht, lässt sich durch warme Farben verstärken.

Hat Sie das überrascht?

Es entsprach unserer Hypothese. Überrascht hat es uns also nicht. Dennoch ist es nicht unbedingt intuitiv, dass ein Lächeln zu einer Farbe passen kann und die Kombination eine so starke Wirkung hat. Immerhin konnte die Servicekraft allein dadurch ihr Trinkgeld erhöhen, dass sie warme Farben trug – also rote, orangefarbene oder gelbe Kleidung.

Sie haben Fotos gezeigt und den Leuten gesagt, sie sollten sich eine Restaurantszene vorstellen. Aber klappt das auch in einem echten Restaurant?

Szenarioexperimente sind in der betriebswirtschaftlichen und psychologischen Forschung gang und gäbe. Eine Annahme ist, dass die Effekte in der Realität gleich oder ähnlich sind. Die Person auf den Fotos hatte übrigens Berufserfahrung als Kellnerin. Wir haben sogar das Trinkgeld weitergeleitet, das die Probanden im Szenario gegeben hatten. Kurzum: Wir haben versucht, die Szenarien so realistisch wie möglich zu gestalten. Ich gehe also davon aus, dass die gezeigten Effekte auch in der Realität zu finden sind.

Was bedeutet das? Bringt Ihre Erkenntnis auch Nicht-Kellner weiter?

Wir zeigen, dass unser Gehirn immer den Gesamteindruck verarbeitet, den jemand auf uns macht. Wir fragen uns intuitiv: "Okay, er lächelt, aber passt hier alles zusammen?" Das ist schon ungewöhnlich. Man könnte den Gedanken weiterspinnen: Passt die Frisur zu den Emotionen, die unser Gesicht ausdrückt? Passt die Farbe des virtuellen Hintergrunds in einer Videokonferenz zu dem, was ich kommunizieren will? Passen die Räumlichkeiten in einem Dienstleistungsunternehmen zum Lächeln der Angestellten? Die Erkenntnisse sind also nicht nur für Kellner relevant.

Berücksichtigen Dienstleister wie die Bahn oder die Post diesen Effekt nicht schon längst bei ihren Uniformen?

Das ist jetzt spekulativ, aber ich vermute: nein. Unternehmen wechseln die Farbe ihrer Dienstkleidung relativ häufig, auch zwischen warmen und kalten Farben. Würden sie die von uns gezeigten Effekte kennen und berücksichtigen, würden Firmen, die ein Lächeln im Kundenkontakt erwarten, konsequent auf warme Kleidungsfarben setzen. Sie legen aber aktuell eher andere Kriterien an, etwa wie die Farbe zum Corporate Design passt oder ob sie gerade modern ist.

Sollte auch der Schnitt der Kleidung Offenheit signalisieren – etwa indem der Hals frei bleibt?

Sicher kann auch der Schnitt bestimmte Dinge signalisieren, ebenso die Art der Kleidung. Vorstände großer Unternehmen sind heute oft sehr leger gekleidet. Damit wollen sie kommunizieren, dass sie moderner und vielleicht etwas weniger abgehoben sind. Solche Effekte können Unternehmen auch im Servicebereich erzielen. Aber es muss zur Marke passen. Bei einer Fünf-Sterne-Hotelkette sollten die Mitarbeiter anders gekleidet sein als in einem Hostel.

Manche Menschen wirken nicht charmant, sosehr sie sich auch bemühen. Was, wenn jemand ein Gesicht hat, das missmutig rüberkommt? Wirken warme Farben dann inkongruent, sollte er oder sie lieber kalte Farben tragen?

Das kann ich so nicht bestätigen, da wir keine negativen Emotionen untersucht haben. Aber in den Studien war es nicht so, dass kalte Farben für neutrale Emotionsausdrücke besser wären. Kongruenz ist auch kein Selbstzweck. Eine missmutige Person möchte den Effekt ja nicht durch eine missmutig wirkende Farbe noch verstärken.

Sollte Dienstkleidung nicht eher zur Person passen? Was, wenn jemand ein Wintertyp ist?

Grundsätzlich ja, aber das ist schwer umzusetzen. Die Unternehmen müssten dann sehr viele unterschiedliche Uniformen haben. Es stimmt, dass bestimmte Farben zu unterschiedlichen Typen besser oder schlechter passen. Das verändert aber nichts an den beobachteten Effekten. In unserer Studie stellten die fotografierten Personen zwei verschiedene Typen dar, und die Effekte waren konstant. Sprich, warme Farben in Verbindung mit einem Lächeln erhöhten die wahrgenommene Wärme. Innerhalb der warmen Farben gibt es ja auch ein paar Variationsmöglichkeiten.

Reagierten Frauen anders als Männer?

Das haben wir untersucht. Es gab keine Unterschiede.

Haben warme Farben Nebenwirkungen, etwa: Rot wirkt aggressiv?

Das hängt vom Kontext ab. Farben wirken assoziativ. Aber bei einer lächelnden Servicekraft würde ich nicht davon ausgehen, dass das Erste, was Kunden einfällt, Aggressivität ist.

Kalte Farben wirken beruhigend. Ist das manchmal besser – wenn Kartenkontrolleure aggressive Kunden ohne Fahrschein besänftigen müssen?

Es könnte natürlich sein, dass hier eine kalte Farbe passender wäre. Theoretisch könnte sogar ein Lächeln als negativ wahrgenommen werden, weil Kundinnen und Kunden in gewissen Kontexten dadurch das Gefühl haben könnten, dass ihr Anliegen nicht ernst genommen wird. Unternehmen sollten diese Dinge testen, bevor Sie sich auf eine Uniform oder Kleidungsvorschrift festlegen. Sie müssen prüfen, ob sie damit die Ziele der Interaktionen unterstützen.

Lässt sich Ihre Forschung auf die Zusammenarbeit in Unternehmen übertragen? Sollten Führungskräfte im Winter warme Farben tragen?

Das ist wieder ein anderer Kontext. Hier haben die Mitarbeiter Kontakt untereinander und nicht zwangsläufig mit den Kunden. Allerdings existieren in Unternehmen teils informelle Regeln, Erwartungshaltungen oder ein kultureller Druck, ein freundliches Erscheinungsbild abzugeben. Warme Farben können hier helfen. Ansonsten hängt es stark vom Typ ab. Kurz gesagt: Wer viel lächelt und freundlich wirken möchte, kann dies durch warme Farben unterstützen.

Will nicht jeder freundlich wirken?

Das würde ich nicht sagen. Es gibt auch Menschen oder Rollen, bei denen andere Aspekte wichtiger sind. So könnte es einer Führungsperson wichtig sein, ernst genommen zu werden. Für sie ist ein führungsstarker Auftritt wichtig.

Sollten sich Teams einen Dresscode geben, um die Stimmung zu heben?

Das wäre vermutlich überreguliert. Ich persönlich fände es nicht gut. Es hätte entgegen der eigentlichen Intention vielleicht sogar negative Effekte, wenn ein Unternehmen versucht, über einen Dresscode intern gute Laune zu produzieren.

Was ist mit farbenfrohen Büros? Statt Betongrau mehr Rot und Pink wagen?

Das würde ich stark vom Unternehmen abhängig machen. Wenn es dazu passt, warum nicht? Allerdings würde ich die Effekte von Farben auch nicht überschätzen. Bei einer warmen Gebäudefarbe hüpfen nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter plötzlich nur noch fröhlich durchs Gebäude.

Es ist ja immer schön, wenn Forscher aus einer Studie auch etwas für sich selbst mitnehmen können. Haben Sie sich neu eingekleidet, nachdem Sie die Ergebnisse gesehen haben?

Nein, das habe ich nicht. Jedoch nicht, weil ich nicht an die Effekte glaube. Mir sind bei der Kleidung andere Dinge wichtiger, und ich habe schlicht eine starke Präferenz für kältere Farben. Allerdings ist eine Freundin von mir tatsächlich, nachdem ich ihr von der Studie erzählt hatte, die Woche darauf nur mit warmen Farben herumgelaufen. Sie sagte, es sei ihr wichtig, dass ihr Lächeln besser wahrgenommen wird.

Ich habe einen schwarzen Pullover an. Gerade lächele ich. Ich fühle mich inkongruent.

Ihr Lächeln wirkt auch so. Nur halt nicht so stark. © HBm 2022

Dieser Artikel erschien in der Januar-Ausgabe 2022 des Harvard Business managers.

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