Lach doch mal!
Ein lustiger Chef hebt die Stimmung im Team? Nicht unbedingt, zeigt die Forschung. Selbst wenn die Witze gut sind.
Nach gerade mal einem Monat war der Chief LOL Officer beim Schweizer Unternehmen Fasoon seinen Job los. Die Probezeit war vorüber. Ein echter Manager müsste sich für diesen Makel im Lebenslauf rechtfertigen. Eine 17 mal 17 Zentimeter orange Box nicht. Auf ihrer Oberfläche formen LEDs den runden Kopf eines Smileys. Das Gerät blickt umso fröhlicher drein, je häufiger die Mitarbeiter im Büro lachen. Registriert das Gerät zu wenig Lacher, erhalten die Mitarbeiter eine lustige Mail, Katzenvideos etwa.
Die Box ist ein Unikat, entwickelt zu Testzwecken. Eine Massenproduktion ist zu teuer. Dabei hätte das Gerät in etlichen Firmen viel zu tun: Die Zollpläne von US-Präsident Donald Trump, der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel, Entlassungen, Sparkurse – all das verursacht Sorgenfalten statt breitem Grinsen.
Lachen reduziert die Stresshormone Epinephrin und Cortisol. Deshalb kann Humor in solch schwierigen Zeiten helfen. Kann. Wenn Chefs ihn richtig dosieren und einsetzen.
„Führungskräfte sollten sich mehr Gedanken darüber machen, welche ernsthaften Konsequenzen Humor auf ihr Team und die Wahrnehmung des Unternehmens hat“, sagt Andreas König, der an der Universität Passau dazu forscht.
TÜCKEN DER HIERARCHIE
Studien zeigen, dass eine humorvolle Führungskraft in der Belegschaft den Stress reduzieren, Motivation und Kreativität steigern und Kündigungsabsichten senken kann. Und doch gilt es, dabei Fingerspitzengefühl zu beweisen. Denn Chefs, die zu oft zum Wundermittel Humor greifen, erreichen damit das genaue Gegenteil.
Xiaoran Hu, der an der London School of Economics und Political Science forscht, konnte mit Kollegen in drei verschiedenen Experimenten feststellen: Verwenden Führungskräfte besonders viele Witze, fühlen sich Mitarbeiter erschöpft und sind weniger zufrieden mit ihrem Job. In einem Versuch mit 88 Führungskräften sollten die Chefs eine Woche lang deutlich mehr Witze machen als sonst. Danach gaben die Mitarbeiter zu Protokoll, dass sie häufig gekünstelt über einen Witz gelacht hatten, den sie gar nicht lustig fanden. Und diese erzwungenen Lacher würden die emotionale Belastung erhöhen, so die Forscher. „Unabhängig davon, wie gut oder lustig ein Witz ist, fühlten sich die Mitarbeiter oft gezwungen, Begeisterung zu zeigen“, sagt Hu.
In einem anderen Versuch mit 200 Teilnehmern fungierte ein Schauspieler während einer Gruppenarbeit als Führungskraft, die viele Witze macht. In einem Szenario trug dieser einen Anzug, sprach förmlich und distanziert, stellte sich mit Nachnamen vor. In einem anderen Setting tauschte er den Anzug gegen ein Poloshirt und drückte sich viel nahbarer aus. Nach der Gruppenarbeit berichteten besonders die Teilnehmer mit dem distanzierten Chef, dass sie aufgesetzt gelacht hätten, und sie fühlten sich erschöpfter, ausgelaugter, frustrierter als die Mitarbeiter mit dem netteren Chef. Je größer das Machtgefälle, desto stärker also die emotionale Belastung bei Witzen.
Aber selbst enge Mitarbeiter, betont Hu, könnten sich verpflichtet fühlen zu lachen. Wenn sie auf die Unterstützung des Chefs angewiesen sind. Und „in einer formellen und sehr hierarchischen Firmenkultur“, warnt Barbara Stöttinger, die an der Wirtschaftshochschule HEC Paris die Führungskräfteweiterbildung leitet, könnten Mitarbeiter Witze unangebracht finden, „weil ich mich mit einem Witz auf eine lockere Ebene mit meinem Gegenüber begebe – und das ist in solchen Firmen nicht üblich“.
DAS RICHTIGE SETTING
Wie kaum ein anderer weiß Armin Laschet, wie entscheidend das richtige Setting für Humor ist. 2021 verlor er die Gunst etlicher Wähler und letztlich das Rennen um die Kanzlerschaft, als er bei einer ernsten Ansprache des Bundespräsidenten im Flutgebiet flachste und lachte.
In Krisensituationen sei der „Grat, in dem Humor legitim ist, sehr schmal. Das ist eine Kunst“, betont Forscher Andreas König. Wenn Umsätze einbrechen, Kunden abspringen und letztlich gar Arbeitsplätze in Gefahr sind, „müssten Führungskräfte ernsthafte Betroffenheit signalisieren, damit ein Witz nicht herabwürdigend wirkt“, sagt König. In solchen Situationen mit Humor nicht danebenzuliegen, schafft nur, wer sich in der Vergangenheit schon für seine Mitarbeiter starkgemacht hat. Auch Barbara Stöttinger rät zur Vorsicht, sagt aber auch: „Wenn mal ein Kundenprojekt wegbricht oder die Deadline für eine wichtige Präsentation immer näher rückt und die Anspannung im Team steigt, könnten Führungskräfte mit einem witzigen Spruch die Stimmung lockern und alle motivieren.“
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