Lastenräder sind beliebter und verbreiteter als Debatten es erscheinen lassen. - © Mark Stosberg / Unsplash

Lastenräder sind Trend im Handwerk für Leitern, Warmwasserspeicher, Särge, Werkzeuge und auch für Ausflüge mit Senioren

Lastenräder sind günstiger, umweltfreundlicher und in Städten schneller am Ziel. Das Lastenrad schaffte es vor kurzem in die Trend-Themen auf Twitter und führte zu einer hitzigen medialen Debatte im Bundestagswahlkampf.

Auslöser war der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, eine Milliarde Euro für die Förderung von privaten Lastenfahrrädern zu investieren. Eine Million Räder könnten „vom Bund mit jeweils 1000 Euro Zuschuss gefördert werden, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler.“ Lastenräder können ein Teil der Verkehrswende sein. Für die gewerbliche Nutzung gibt es schon länger staatliche Förderung. „Als Transportbikes sind sie stark gefragt - lokale Förderprämien sind meist schnell aufgebraucht.“

Für den Verkehrsminister in Brandenburg sind Lastenräder bereits ein Erfolg. Im CDU-geführten Verkehrsministerium gibt es seit Beginn der Legislaturperiode ein entsprechendes Förderprogramm. Es war auf Initiative der Grünen im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden. Die Bundesländer sind viel weiter als die Wahlkampfdebatte im Bund vermuten lässt.

Trend im Handwerk

„Mein Lastenrad ist ein geniales Marketing-Instrument“, sagt Tischlermeister Dirk Schmidt. Seit 2014 nutzt er ein Lastenrad in Düsseldorf. Er kommt schneller durch den Verkehr und kann beim Kunden vor der Tür parken. Außerdem will nicht für den Transport seines Werkzeugs einen Tonnen-schweren LKW nutzen.

Malermeister Jürgen Vogelsang ist 5.000 Kilometer in 14 Monaten zu Kunden und Baustellen geradelt. 2016 hat der Unternehmer aus Osnabrück umgesattelt. Sein elektronisches Lastenfahrrad nutzt er für rund 80 Prozent seiner Geschäftstermine. „Die frische Luft tut gut – und ich komme entspannter an als vorher“, sagt Vogelsang. Nur bei Schnee und Eis oder großen Entfernungen greift er auf einen Firmenwagen zurück.

Auch der Pritzwalker Malermeister Jürgen Kuhnt lobt sein Lastenrad: „Ich spare damit Benzin, ich muss keinen Parkplatz in der Innenstadt suchen und ich komme auch durch Straßen, die eigentlich verkehrsberuhigt sind – und als Lehrlinge sind wir früher ja auch immer mit dem Handwagen losgezogen.“

Mit Leiter, Warmwasserspeicher und Sarg auf dem Rad

Elektrotechnikermeister Gerhard Nitz nimmt auch mal eine Leiter mit: „Ich bin auf schönen Strecken unterwegs und im Stadtgebiet sogar oft schneller als der Autoverkehr.“

Jakob Schröder von der Plewa Installationen GmbH transportiert elektrische Warmwasserspeicher mit seinem Lastenrad und in Dublin wird ein Sarg per Rad transportiert.

Der Rostocker Schornsteinfeger Jörg Kilellus fährt mit seinem Lastenrad durch den Kehrbezirk. Er vermeidet damit zeitraubende Parkplatzsuchen und Staus auf dem Weg zu seinen Kunden, und er lobt die immense Kosteneinsparung gegenüber einem PKW. Nebenbei ist das Radfahren sein Fitnesstraining.

Der Berliner Schornsteinfegermeister Norbert Skrobek nutzt bereits mehrere Lastenräder. Eins stellte er dem Berliner Staatssekretär Stefan Tidow ein weiteres Dienst-Lastenrad vor, das der Berliner Senat gefördert hat.

Stadtbücherei Kornwestheim und Stadtverwaltung Dresden

Die Stadt Köln hat Lastenfahrräder mit 500.000 Euro im Jahr 2020 gefördert. Das Programm ist vor allem bei jungen Unternehmer:innen, Handwerker:innen und Selbstständigen sehr beliebt.

In Kornwestheim kommt die Stadtbücherei mit dem Lastenrad. Und die Stadtverwaltung Dresden nutzt seit Jahren Lastenräder für viele Aufgaben, auch mit Werkzeug. Die Flotte wächst und entlastet den Stadtverkehr, berichtet Eva Jähnigen, die Bürgermeisterin Umwelt und Kommunalwirtschaft in Dresden.

Im Handwerk ein Viertel und jede 2. Lieferung in Städten

Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt legt nahe, dass bundesweit bis zu 23 Prozent der Autofahrten im Handwerksbetrieb durch E-Lastenräder ersetzt werden könnten.

Sogar 51 Prozent der innerstädtischen Lieferungen könnten per E-Lastenrad erledigt werden. Das spart 90 Prozent der Emissionen eines Diesel-Transporters. Und E-Lastenfahrräder sind bis zu 60 Prozent schneller am Ziel, so die Studie The Promise of LowCarbon Freight vom August 2021. Auch MediaMarkt und Saturn testen E-Lastenräder zur Auslieferung von gekauften Waren.

Rikscha für Senioren

Eine weitere Nutzung von Lastenrädern sind Ausflüge mit älteren und mobilitätseingeschränkten Menschen. Dafür engagieren sich vielfältige Initiativen. Ein Senioren Lastenrad betreibt der Verein Weltraumjogger in Berlin.

Auch Radeln ohne Alter unternimmt ehrenamtlich Rikscha-Fahrten mit Senior:innen und Menschen, die nicht selber in die Pedale treten können.

Diesen September startet mit der Malteser Rikscha beim Malteser Hilfsdienst ein weiterer Dienst, der sich an Personen mit eingeschränkter Mobilität richtet.

Keine Spinnerei

Die vielfältigen Beispiele zeigen, Lastenräder sind keine Spinnerei mehr, sondern auf dem Weg zum Mainstream. Das Institut für Verkehrsforschung hat seit 2017 im europaweit größten Praxistest untersucht, ob Lastenräder von Betrieben sinnvoll genutzt werden können. 750 Unternehmen und Einrichtungen nahmen an dem Test teil, rund 300.000 Kilometer wurden gefahren und per GPS-Tracking ausgewertet. Der Abschlussbericht soll in den kommenden Wochen vorgestellt werden.

So neu ist das Thema gar nicht. Bereits 1904 gab es in Berlin einen extra Straßenplan mit Radwegen.

Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht im Good News Magazin.

Martin Gaedt schreibt über Provotainment, Leben und Arbeit, cleveres Recruiting, Wirtschaft & Management

Martin Gaedt ist Autor von "4 TAGE WOCHE", "Rock Your Work", "Rock Your Idea" und "Mythos Fachkräftemangel". Er ist Provotainer und hat seit 2014 in 650 Keynotes mehr als 100.000 Gäste begeistert, provoziert und entertaint. Seit 1999 gründet er Unternehmen und stellt 44 Fragen, der Anfang des Neuen.

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