Leider falsch: „Unter Druck arbeite ich richtig gut“

Gehörst du auch zu diesen „Unter Druck kann ich am-besten arbeiten“-Menschen? Ich glaube, es gilt für viele Menschen, dass sie unter Druck arbeiten. Ich glaube aber auch, dass sie deshalb unter Druck arbeiten, weil sie so unglaublich viel zu tun haben. Nicht weil ihre Ergebnisse unter Druck besser werden.

Vor drei Wochen bekam ich eine Nachricht von meinem Steuerberater. Das Finanzamt bittet mich, etliche Belege rauszusuchen. Für Weiterbildungen, Hotelübernachtungen, Messebuchungen. Wenn du mich fragst: reine Beschäftigungstherapie. Was wollen die mit meinen Belegen für Weiterbildung und von Hotels, in denen ich übernachtet habe, als ich auf meinen Weiterbildungen war? Na ja.

Was hab ich gemacht? Erst mal gar nichts. Ich habe diese Aufgabe verdrängt und aufgeschoben. Denn mit Produktivität oder Steigerung des Kundennutzens hat diese Aufgabe wenig zu tun. Ein paar Tage später ist es mir plötzlich wieder eingefallen, abends um 22 Uhr. Warum hatte ich das nicht auf meine To-do-Liste geschrieben? Vermutlich ein Freud’scher Vergesser. Da ich am nächsten Tag verreisen wollte, war dieser Abend die einzige Möglichkeit, die Belege rauszusuchen. Meiner neuen Mitarbeiterin konnte ich diese Aufgabe aus diversen Gründen nicht zumuten. Also habe ich die Belege selbst rausgesucht. Abends um zehn. Hatte ich Lust zu dieser Aufgabe? Nein. Hab ich’s trotzdem gemacht? Ja.

Jetzt sagen ja viele Leute: Unter Druck kann ich am besten arbeiten. Da werde ich so richtig produktiv.

Die Menschen packen die Aufgabe an, wenn ihnen der Termindruck im Nacken sitzt. Aber besser werden die Ergebnisse unter Druck garantiert nicht. Es sei denn, du betrachtest die Tatsache, dass unter Druck überhaupt etwas passiert. Dann stimme ich dir zu. Denn ein unter Druck produziertes Ergebnis ist immer noch besser als gar kein Ergebnis.

Druck tötet Kreativität

Ich halte die Aussage „Unter Druck arbeite ich richtig gut“ für eine Ausrede. Ein Schönreden. Weil einfach immer wahnsinnig viel zu tun ist. Und so wird aus „Erledigen auf den letzten Drücker“ plötzlich eine Tugend. Ich weiß nicht so recht, ob ich da mitgehe. Nein, hab’s mir überlegt. Ich gehe da nicht mit. Das ist keine Tugend.

Stattdessen möchte ich Dir gern eine andere Möglichkeit aufzeigen, wie Du mit mehr Zufriedenheit, besserer Energie und weniger Stress gute Ergebnisse produzierst.

Der Ansatz ist relativ einfach, aber dennoch kraftvoll. Und da ihn viele Menschen nur teilweise kennen, aber dennoch selten anwenden, bekommst Du diesen Produktivitäts-Hack in diesem Artikel.

Es geht auch anders: „Unter Druck arbeiten, ade!“

Nicht immer, aber immer wieder passiert bei mir Folgendes: Ein Kunde bucht mich für einen Vortrag oder für ein Führungskräftetraining, das ich erst konzeptionell erstellen darf. Ich weiß jetzt, ich habe essenzielle, hochkonzentrierte Arbeit zu tun. Diese Aufgabe ist anspruchsvoll, und ich benötige dafür meine volle Konzentration.

Meinen Lösungsansatz genieße ich sehr, denn dieser Ansatz bedeutet für mich überhaupt keinen Stress. Mein Lösungsansatz macht mir sogar Spaß. Denn ohne Stress, ohne Zeitdruck, eine Aufgabe zu bearbeiten, die ich grundsätzlich gern bearbeite, bedeutet für mich echte Erfüllung.

Also, was tue ich? Ich nehme mir 45 oder 60 Minuten Zeit und beginne schon zwei oder drei Wochen, bevor die Aufgabe dringend wird, daran zu arbeiten. Ich kann jetzt entspannt, kreativ und konzentriert an diese Aufgabe herangehen. Ich kann in Ruhe verschiedene Quellen im Internet überprüfen. Ich kann in Ruhe in meiner Bibliothek nach passenden Büchern suchen. Ich kann eine richtig hohe Qualität produzieren.

Diese hohe Qualität kann ich nicht produzieren, wenn ich unter Druck arbeite. Und ich erlaube mir die Vermutung: Ich glaube, dass auch Du so eine hohe Kreativität nicht an den Tag legen kannst, wenn du unter Stress und Druck stehst. Kein Gehirn liebt Stress. Erst recht nicht abends um 22 Uhr.

Bei Dir ist es anders? Okay …

Vielleicht sagst du jetzt: „Dein Leben möchte ich haben, Markus! Ich bin immer unter Druck und Stress.“ Dann sage ich: Das ist eine Frage der Organisation und der Einstellung. Natürlich hast Du sauviel zu tun. Aber das hat jeder von uns. Okay, Du hast besonders viel zu tun. Einverstanden. Vielleicht bist du diese eine Person, bei der Planung und Selbstorganisation unmöglich sind. Denn die Reihenfolge und die Prioritäten werden komplett von anderen Menschen oder Maschinen vorgegeben.

Du hast keine, aber auch gar keine Möglichkeit, ein Meeting auf einen bestimmten Zeitpunkt zu legen. Du gehst auch sofort ans Telefon, wenn’s klingelt. Du bist zu 100 Prozent fremdbestimmt, mit welcher Aufgabe Du heute anfängst zu arbeiten.

Als ob!

Ich bezweifle Deine 100-prozentige Fremdbestimmtheit. Vielleicht fühlt es sich manchmal so an. Aber so ist es nicht: Als Führungskraft führst Du. Du gestaltest. Du entscheidest. Du beeinflusst. Du priorisierst. Du planst.

Oder? Bist Du eine Führungskraft?

Bei allem Respekt: Ich bin sicher, dass Menschen glauben, sie hätten keine Gestaltungsmöglichkeiten. Sie fühlen sich gefangen im Hamsterrad. Wenn Du zu diesen Menschen gehörst, dann rufe ich Dir zu: Du hast Gestaltungsfreiheit! Du kannst eigene Entscheidungen treffen! Wenn Du heute wegen eines Unfalls ins Krankenhaus gehen würdest, wer würde sich dann um Deine ach so wichtigen Prioritäten an diesem Tag kümmern? Genau, niemand! Ach, das ist etwas anderes? Nein. Das ist genau das gleiche. Denn, oh Wunder! Obwohl Du im Krankenhaus bist und die Arbeit komplett liegen bleibt, geht es für Dein Unternehmen weiter. Überraschung!

Welche Möglichkeit wählst Du?

Du hast jetzt zwei Möglichkeiten.

Erstens, Du arbeitest weiter gern unter Druck. Kannst Du machen. Klar. Viel Spaß!

Zweitens, Du probierst was Neues aus.

  • Du überlegst Dir, welche Aufgabe, welche wichtige Aufgabe, welche eine wichtige, nicht delegierbare Aufgabe möchtest Du mit hoher Qualität abliefern? Es ist eine Aufgabe, die nicht schon morgen fällig wird, sondern eher in ein paar Tagen, einem Monat oder vielleicht erst in drei Monaten.

  • Dann reservierst Du 45 oder 60 Minuten morgen Vormittag, gleich zum Beginn Deines Arbeitstages.

  • Morgen früh schließt Du dann Deine Inbox, leitest Dein Telefon um und schaltest das WLAN aus. Jetzt arbeitest Du in einem Word-Dokument oder in PowerPoint oder auf einem weißen Blatt Papier und skizzierst Dein Vorgehen. Du erstellst für diese eine Aufgabe einen Miniplan mit den einzelnen Schritten, die du Stück für Stück abarbeiten wirst.

  • Nach dieser Skizze bearbeitest Du Deine Aufgabe, bis Deine reservierten 45 oder 60 Minuten vorbei sind. Wenn es Dir gerade Spaß macht, dann arbeitest Du sogar noch 10 oder 15 Minuten länger daran.

  • Dann stellst Du Dir einen Countdown-Wecker auf dem Handy und machst 5 Minuten Pause. In diesen 5 Minuten freust Du Dich und bist stolz auf Deinen Fortschritt.

  • Morgen früh machst Du das gleiche noch einmal, nur dass Du die Konzeption der einzelnen Schritte schon abgeschlossen hast. Du kannst direkt wieder einsteigen in die konzentrierte Bearbeitung Deiner Aufgabe.

Der US-amerikanische Autor Cal Newport nennt das in seinem Buch „Konzentriert arbeiten“ Deep Work. Deep Work ist eine Phase hochkonzentrierter Arbeit, die Dich sehr produktiv sein lässt. Ohne Unterbrechungen, ohne E-Mails, ohne Telefonate.

Ich schreibe diesen Artikel heute Morgen als eine meiner ersten Aufgaben. Ich empfinde keinen Druck, denn der Wahnsinn des Tagesgeschäft mit E-Mails, Telefonaten und Fragen meiner Mitarbeitenden und Kunden hat noch nicht begonnen. Diese Zeit nutze ich idealerweise nicht für E-Mails, sondern für diese Denk- und Konzeptionsarbeit. Artikel schreiben, Buchkapitel und mein Podcast weiterentwickeln gehört bei mir zu dieser hochkonzentrierten Arbeitszeit.

Du bist dran! Falls Du produktiver arbeiten möchtest …

Was sind bei Dir die wichtigen Aufgaben, die du idealerweise hochkonzentriert, hochkreativ bearbeiten möchtest? Überlege Dir jetzt, welche eine Aufgabe das ist, und starte morgen früh als Erstes mit dieser Aufgabe. Reserviere Dir ein festes Zeitfenster. Stell Dir Deinen Timer. Schalte alle potenziellen Ablenkungen aus.

Häng außen einen Zettel über die Klinke Deiner geschlossenen Bürotür und schreib drauf: Nicht stören von 8 bis 9 Uhr – oder wann auch immer Du Dich rausziehen möchtest aus dem Trubel des Tagesgeschäfts. Und dann genieße Deine unterbrechungsfreie, hochkonzentrierte Arbeitszeit. Und danach Deine Fortschritte. Du schaffst das!

Ich wünsche Dir viel Kreativität, viel Fokus und im Anschluss viel Zufriedenheit mit Deiner Produktivität, die essenziell ist für den Erfolg in Deinem Job. E-Mails kannst Du auch am späten Vormittag oder nachmittags beantworten, wenn Du etwas müde bist. Denn konzentrierte Arbeit ist für die meisten von uns am Nachmittag schwerer möglich. Wir tun das zwar, aber wir merken gar nicht, wie langsam und unproduktiv wir dabei sind. Oder aber: wie wir uns dabei auslaugen und unsere Produktivität des nächsten Tages reduzieren, weil wir abends spät noch das letzte Quäntchen Kraft und Kreativität aus uns herausquetschen.

Rock’n’Roll, Dein Markus

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Willst Du Dir neue Gewohnheiten antrainieren? Dauerhaft konzentriert, fokussiert und ungestört arbeiten? Mit weniger Stress und mehr Zufriedenheit in deinem Job? Dann melde Dich an zum kostenfreien Führungskräfte-Training am 14. und am 15 September 2024, von 10 bis 15 Uhr an beiden Tagen. Online. Hier sicherst Du Dir Deinen Platz: https://mj.markus-jotzo.com/FKT5.0

Denn: Es ist Deine Wahl.

Mein Motto lautet: Stress runter. Produktivität hoch.

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Markus Jotzo schreibt über Wirtschaft & Management, Bildungswesen, Job & Karriere, Personalwesen

Markus Jotzo. Autor, Redner und Trainer für Führung. Seit 2005 provoziert und unterstützt er Führungskräfte in Deutschland und weltweit. Sein Podcast heißt "Führen wie ein Löwe". Mit seinem Blog, seinen Büchern, Reden, Seminaren und Artikeln inspiriert er Menschen in über 15 Ländern.

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