Licht ins Dunkel: Leuchtmittel der digitalen Globalisierung
Hell und heilig
Bereits seit Urzeiten sind die Menschen bestrebt, den sie umgebenden Lebensraum bei Dunkelheit zu erhellen. Mit Feuern, Fackeln, Öl- und Gaslampen wurde bis ins 19. Jahrhundert hinein Licht ins Dunkel gebracht. 1879 erfand Thomas Alva Edison die Glühbirne. Seit 2012 ist der Einsatz klassischer Glühbirnen per EU-Dekret untersagt. Als Nachfolger der klassischen Glühbirne werden neben den bekannten Alternativen wie Energiespar- und Halogenleuchten zunehmend Licht-emittierende Dioden (LEDs) eingesetzt. Die LED wurde 1906 von Henry Joseph Round beim Experimentieren mit Siliziumkarbid erfunden, später kam sie zunächst bei Taschenrechnern und Armbanduhren zum Einsatz. Dabei handelte es sich meistens um rote LEDs.
Mit der Entwicklung von weiteren Farben wurde der Anwendungsbereich (z.B. Autos, Anzeigentafeln und Handys) des neuen Leuchtmittels größer. Als in den 1990er-Jahren die Entwicklung der ersten blauen LED gelang, bedeutete das den Durchbruch. Alle Wege führen auch in diesem Fall nach Rom, wo die Römische Stromgesellschaft ACEA in der Altstadt 180.000 Lampen für die Straßenbeleuchtung mit LED-Leuchten ersetzte, das Kritiker auch als „Eislicht“, „Kühlschrank“ oder „Lebenshallenbeleuchtung“ bezeichnen. Sogar in der Sixtinischen Kapelle, in der Michelangelos Meisterwerke 500 Jahre lang nur vom Tageslicht beleuchtet wurden, hat das neue Licht Einzug gehalten. 2014 hat Osram 7000 LEDs nahe den Fresken installiert, die schonender als die Sonne sein sollen. Das Unternehmen wurde dafür ausgezeichnet.
Die meisten neuen Lösungen 21.0 sind mittlerweile so ausgereift, dass auch sie ein schönes, angenehmes Licht liefern.
Allerdings verwirren die Leuchtmittel der digitalen Globalisierung häufig mit einer Vielfalt von Angaben. Bei der Glühbirne konnten wir uns an einem einzigen Wert orientieren: Watt = Helligkeit + Verbrauch. Heute gibt es dagegen eine Vielzahl von Merkmalen, die beachtet werden müssen. Die Glühbirne hatte beispielsweise einen Farbwiedergabeindex (CRI/Ra) von 100, war voll dimmbar, hatte eine Farbtemperatur von 2.700 K und eine Lebensdauer von 1.000 Stunden. Sie strahlte mehr Wärme ab als Licht und „ergänzte” im Winter bei vielen Menschen die Heizung, im Sommer verstärkte sie die Kosten der Klimaanlage. Hinzu kommen heute außerdem viele konkurrierende Akteure und unüberschaubare Entwicklungen im Markt (im LED-Bereich gibt es alle sechs Monate ein neues Produkt!), deren Handeln nicht immer zur Erhellung des Gesamtthemas beiträgt.
Insgesamt überwiegen jedoch die positiven Nachhaltigkeitsaspekte: Im Vergleich zur Energiesparlampe sparen LED-Lampen bis zu 50 % Energiekosten ein und besitzen eine deutlich längere Lebensdauer (von bis zu 50.000 Stunden). Im Vergleich zur Glühlampe werden sogar bis zu 90 % Energiekosten eingespart. Zudem erwärmen sie sich nicht so stark und haben eine längere Lebensdauer von bis zu 20 Jahren. Wenn LED-Leuchten ihr Lebensende erreicht haben, müssen sie wie Energiesparlampen und Leuchtstoffröhren separat entsorgt werden. Ein Großteil der Bestandteile (z.B. Glas- und Metallteile) kann durch die richtige Entsorgung recycelt werden. Das Thema Neues aus Altem schaffen inspiriert auch Künstler. Beim Herstellen eines Kerzenhalters ging dem kanadischen Designer Tat Chao ein altes Weinglas zu Bruch, und er überlegte, was er daraus fertigen könnte. So wurde die Bipolar-Hängelampe erfunden: Die moderne LED-Lampe besteht aus zwei umgeformten Weingläsern oder Sektflöten, die durch einen Ring aus eloxiertem Aluminium miteinander verbunden sind. Mit Ausnahme der elektrischen Komponenten besteht die Bipolaire ausschließlich aus recycelten Materialien.
LEDs sind robuste Kaltlichtleuchten, die fast jede Bauform zulassen und 80 Prozent der eingesetzten Energie in Licht umsetzen.
Sie können faltbar sein oder aufklappbar, einige sind sogar in biegsames Silikon eingebettet. Sie tragen Namen, die auf Nachhaltigkeit 21.0 verweisen: Aurora, Lumio, Bulbing, Jago, Hue, Bloom, Folding Lamp oder Blue Laser. Die LED-Lampe "Classic DIM 600" (carus) wurde bisher als einzige mit dem Blauen Engel ausgezeichnet (Quelle: memolife). In einigen Bio-Supermärkten wurden nach Angaben des Öko-Pioniers Georg Schweisfurth für die Außenbeleuchtung versuchsweise LED-Leuchten eingesetzt und festgestellt: Je kälter die Umgebung, desto leistungsfähiger die Beleuchtung. Dann wurde auch innen umgestellt: bei Grund- oder Effektbeleuchtung, Vitrinen, Kühlwandregalen und Frischwarentheken. Die Leuchtdioden waren nicht immer so sparsam wie vom Hersteller angegeben - dennoch sank der Stromverbrauch enorm. Für Schweisfurth ist die LED-Technik gegenüber den hochgefährlichen Energiesparlampen mit Quecksilber „ein riesiger Fortschritt“.
Die meisten Unternehmen kommunizieren ihre Neuausrichtung in ihren Nachhaltigkeitsberichten: So verpflichtete sich IKEA, bis zum Jahr 2020 die Verkäufe ihres nachhaltigeren Sortiments zu vervierfachen. Zudem setzt das Unternehmen auf LEDs und stellte das gesamte Sortiment darauf komplett um. IKEA-Gründer Ingvar Kamprad selbst forderte schon vor vielen Jahren das Produktentwicklungsteam heraus, LED-Leuchtmittel günstiger zu machen, ohne bei Qualität und Langlebigkeit Kompromisse machen zu müssen.
Beim Öko-Pionier memo AG in Greußenheim wurde im August 2017 in der Logistik eine neue LED-Beleuchtungsanlage installiert, um gleichzeitig energetische und ergonomische Vorteile zu erreichen. Auf Basis umfassender Messungen wurden die Lichtquellen den aktuellen Anforderungen der Lagerorganisation angepasst und dabei so verteilt, dass es an jedem Ort im Lager jederzeit ausreichend hell für die Tätigkeiten der Lagermitarbeiter ist. Die Lichtfarbe der Leuchtmittel ist so gewählt, dass alle Mitarbeiter diese als angenehm empfinden. Die neue Beleuchtungsanlage hat auch einen ökologischen Mehrwert: Sie misst das vorhandene Tageslicht und steuert bedarfsgerecht nur die Menge an Kunstlicht zu, die tatsächlich für eine optimale Lichtqualität benötigt wird. Sobald ein Lagerbereich nicht genutzt wird, reduziert sich die Leistung nach einer Minute automatisch auf 10 %. Nach weiteren fünf Minuten geht das Licht vollständig aus, solange, bis der Lagerbereich erneut betreten wird (Quelle: memo Nachhaltigkeitsbericht 2019/2020).
Die Beschäftigung mit dem „neuen“ Licht hat aber auch eine große symbolische Kraft, denn es steht für Transparenz, in der sich Klarheit manifestiert, die uns hilft, mit der Ressource Zukunft verantwortungsbewusster und weitsichtiger umzugehen.
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen (mit Claudia Silber) Amazon Media EU S.à r.l. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.