Lösungen für eine strategische, kosteneffiziente und nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie
Ziel der deutschen Automobilindustrie ist es, bis spätestens 2025 eine vollständig klimaneutrale Mobilität zu erreichen. Das ist ohne Kreislaufwirtschaft allerdings nicht möglich.
Der Beitrag zeigt am Beispiel der Automobilproduktion, wie gleichzeitig hochwertiges Recycling gefördert werden und eine nachhaltigere Produktion von Fahrzeugen bei gleichbleibend hoher Qualität gewährleistet werden kann. Kreislaufwirtschaftsstrategien leisten auch hier mit dem Wiedereinsatz von Post-Consumer-Sekundärmaterialien einen wesentlichen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.
Zukunftsorientierte Automobilproduktion
Für eine nachhaltige Automobilindustrie mit integrierter Kreislaufwirtschaft sind folgende Säulen von entscheidender Bedeutung: Ressourcenschonung (Materialeffizienzstrategien Auswahl der Bezugsquelle für die Ressourcen, Langlebigkeit (neuen Simulationsmethoden in der Komponentenentwicklung und innovativen Produktionsverfahren können Bauteile noch belastbarer und langlebiger ausgelegt werden), Reparaturfähigkeit sowie zuverlässige Versorgung mit wiederaufbereiteten Ersatzteilen bis zu 15 Jahre nach Produktionsende eines Fahrzeuges, Recyclingfähigkeit sowie Aufbereitung und Wiederverwendung. Viele Produkte der Automobilhersteller und -zulieferer gelten inzwischen als Maßstab für andere Branchen. In der Automobilindustrie gehört Audi zu den Vorreitern: Das Unternehmen will den Einsatz von Sekundärmaterial in Fahrzeugen dort erhöhen, wo es technisch machbar sowie ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. So sollen vermehrt Rohstoffe nach ihrer Nutzung für neue Zwecke wiederverwendet werden. Seit 2023 testet das Unternehmen im Programm MaterialLoop Ansätze zur Umsetzbarkeit. Dazu zählen beispielsweise der anteilige Einsatz hochwertig aufbereiteter Post-Consumer-Sekundärmaterialien für die Windschutzscheibe des Audi Q4 e-tron (GlassLoop) oder das Dachaußenteil des Audi Q6 e-tron (SteelLoop). Nachdem zunächst der Fokus auf der technischen Machbarkeit lag, hat das Unternehmen als erster Automobilhersteller gemeinsam mit dem Partner TSR Resource (einem Spezialunternehmen für das Recycling von Altfahrzeugen), ein wirtschaftlich tragfähiges Rückführungskonzept für Rezyklate aus Altfahrzeugen entwickelt und umgesetzt: Stahlschrott aus Fahrzeugen, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen, werden zu qualitativ hochwertigem Post-Consumer-Sekundärmaterial aufbereitet und für die weitere Nutzung in der automobilen Lieferkette gesichert.
Um eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu gewährleisten, müssen diverse Player eng verzahnt miteinander arbeiten und Daten miteinander austauschen können: In der ersten Ausbaustufe stellt Audi ab 2025 unter anderem mehrere Tausend Vorserienfahrzeuge für das Recycling zur Verfügung. Diese werden von TSR Resource zerkleinert und zu hochwertigen Recyclingrohstoffen für eine weitere Nutzung in der Automobilindustrie aufbereitet. Im Gegenzug erhält das Unternehmen Zugriff auf das aus diesen Fahrzeugen gewonnene Sekundärmaterial, das einem digitalen Materialkonto gutgeschrieben wird. Darauf können potenzielle Material- und Bauteillieferanten im Rahmen eines Vergabeprozesses zugreifen. Durch diesen Ansatz erhalten mögliche Vertragspartner exklusiv Zugriff auf hochwertige Recyclingrohstoffe aus Stahl, die sonst teilweise hohen preislichen Schwankungen unterliegen. Langfristig möchte Audi den Prozess für weitere Materialströme und Fahrzeuge ausrollen. Infrage kommen alle Rohstoffe, die das Unternehmen aktuell oder künftig mit einem verbindlichen Rezyklatanteil für seine Fahrzeuge einkauft. Durch das Rückführungskonzept können diese Rohstoffe unabhängiger von marktbedingten Kostenschwankungen beschafft werden.
Das Rückführungskonzept für Post-Consumer-Sekundärmaterialien
Als erster Automobilhersteller sichert Audi gemeinsam mit dem Vertragspartner TSR Resource, wiederaufbereitete Materialien für die weitere Nutzung in der Audi Lieferkette. Das sind hochwertige Recyclingrohstoffe, beispielsweise Stahl, unter anderem aus Vorserienfahrzeugen. Der Recyclingpartner profitiert von einem planbaren Eingangsstrom von Altfahrzeugen und möglichen Abnehmern des Sekundärmaterials. Potenzielle Lieferanten erhalten Zugriff auf hochwertige, für die Automobilindustrie geeignete Rezyklate zu gleichbleibenden Konditionen – und können diese an Audi weitergeben. Audi kann seine Rohstofflieferketten zu verbesserten wirtschaftlichen Konditionen stabilisieren. So lässt sich der Anteil an Post-Consumer-Sekundärmaterial für Neufahrzeuge steigern – ohne Abstriche bei Qualität und Kosten. Mit der Rückführung von hochwertigen Sekundärmaterialien aus Fahrzeugen, die am Ende ihres Lebenszyklus stehen, zeigt Audi auf, wie Ressourcen strategisch, kosteneffizient und nachhaltig im Kreislauf gehalten werden können. Das Beispiel zeigt, dass eine funktionierenden Kreislaufwirtschaft mit vielen Vorteilen verbunden ist. Dazu gehören eine zukunftssichere Aufstellung gegenüber externen Anforderungen sowie die Unabhängigkeit von fragilen Lieferketten, die Förderung der Resilienz und des Recyclings in der Lieferkette, Schaffung strategischer Unabhängigkeit von kritischen Rohstoffen und die Weiterverarbeitung bereits verwendeter kritischer Rohstoffe (kein Export als Abfall).
Aktuelle Herausforderungen:
Die Abschwächung der globalen Klimapolitik (z.B. durch den erneuten Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen) führt auch in Deutschland dazu, dass derzeit viele Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsinitiativen zurückfahren und kurzfristige Gewinne über langfristige Investitionen gestellt werden. Auch der Widerstand gegen regulatorische Nachhaltigkeitsvorgaben wird immer stärker. Hinzu kommt, dass viele Diskussionen auf ein Entweder-Oder fokussiert sind: Es geht um umfassende Nachhaltigkeitsdaten oder wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches Narrativ blendet allerdingsaus, welchen strategischen Mehrwert Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten für Unternehmen haben können. Nachhaltigkeit sollte nicht als Kostenfaktor betrachtet werden, sondern als wirtschaftliche Notwendigkeit. Wo diese Einsicht fehlt, schwächen sich Unternehmen im globalen Wettbewerb selbst. Sie sind der Bremsklotz für wirtschaftliches Wachstum. In einem solchen Negativrahmen gerät auch das ESG-Rahmenwerk ins Wanken: Einst als strategischer Vorteil gepriesen, wird das Thema derzeit vielfach als Belastung durch Regulierung empfunden. Viele Unternehmen beschränken sich vor dem Hintergrund globaler Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und kurzfristiger Renditeziele derzeit auf das Mindestmaß und verhindern dadurch auch nachhaltige Innovationen.
Lernen lässt sich in Zeiten des Umbruchs und vielfältiger Krisen vor allem Familienunternehmen und Mittelständlern, weil sie oft weitsichtiger, resilienter und flexibler sind als Großunternehmen.
Auch die Mader GmbH & Co. KG, ebenfalls ein wichtiger Partner der Automobilindustrie, erlebte in den letzten Jahren eine transformative Reise. Als Druckluft- und Pneumatikspezialist mit Fokus auf energieeffiziente Lösungen und Services wurde die LOOXR GmbH gegründet – ein digitales Spin-Off mit einem datengetriebenen Geschäftsmodell. Die treibende Überzeugung dahinter war nachhaltiger Erfolg. Das eigene Geschäftsmodell wurde regelmäßig hinterfragt. Auch wurde sich mit folgenden Leitfragen auseinandergesetzt: Wie können bestehende Prozesse neu gedacht werden? Welche Potenziale entstehen im "Machen"? Marina Griesinger leitet hier den bereich Energieffizienz und Pneumatik. Häufig wird sie von Kunden gefragt, an welchen Stellschrauben sie in ihrem Druckluftsystem drehen können, um die Energieeffizienz zu verbessern? Leider fehlen häufig Messdaten. "Doch genau diese Daten sind notwendig, um Maßnahmen zur Verbesserung abzuleiten", sagt Griesinger. Hier zeigt sich die Notwendigkeit von Nachhaltigkeitsaktivitäten und Messzahlen im Kleinen: Für Unternehmen, die Druckluft einsetzen, ist es entscheidend, Druckluftsysteme konstant auf Effizienz zu überwachen und frühzeitig auf Probleme zu reagieren. "Mit einer kabellosen Druckmessung kann dies schnell und ohne Installationsaufwand umgesetzt werden. Der innovative IoT-Drucksensor SPTBlue ermöglicht eine präzise und flexible Messung des Betriebsdrucks – und das in jeder gängigen Schnellkupplung. Er erfasst Druckbereiche bis zu 689 bar und ist somit ideal für Druckluft, Hydraulik, Kühlwasser, nicht brennbare Gase und Wasser geeignet." (Quelle: LinkedIn) Auch weitere Aspekte der Kreislaufwirtschaft spielen hier hinein: "Das langlebige Edelstahlgehäuse gewährleistet zuverlässige Messungen auch unter anspruchsvollsten Bedingungen." Im Rahmen der Durchführung der nach DIN EN ISO 11011 zertifizierten Druckluft-Leckageortung mit wirtschaftlicher Bewertung wird mittels einer durchgeführten Druckmessung auch die Druckdifferenz im Druckluftsystem der Kunden erkannt. Diese Maßnahmen reduzieren Energiekosten, sie verbessern die Systemzuverlässigkeit durch präzise Messdaten und haben den Vorteil, dass alles einfach in bestehende Systeme ohne großen Aufwand integriert werden kann. Zudem können Druckschwankungen für eine schnellere Reaktion und gesteigerte Effizienz frühzeitig erkannt werden.
Was es für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft jetzt braucht:
Bewusstseinsbildung durch zielgerichtete Informationskampagnen
Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Kreislaufwirtschaft
Nachhaltigkeit muss ins Kerngeschäft und Bestandteil unternehmerischer Wertschöpfung sein
neuer, integrierter Nachhaltigkeitsansatz (Nachhaltigkeit sollte mit betriebswirtschaftlicher Relevanz, operativer Umsetzung und strategischer Steuerung verknüpft werden)
Reformierung von Gesetzen und Vorschriften, die zirkuläre Geschäftspraktiken/-modelle behindern
Zusammenarbeit von Kooperationspartnern.
Weiterführende Informationen:
Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.