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Lust statt Frust: Warum einige Unternehmen Klimaschutz mit dem Attribut „sexy“ verbinden

Sex ist Energie und Lebenskraft par excellence - sie fließt zwischen zwei Menschen, die sich füreinander verschwenden. Doch wie passt dieser Überfluss des Augenblicks mit dem immer lauter werdenden Wunsch zusammen, dass Energiesparen sexy werden sollte? Bislang wurde Lust am Überfluss mit Sünde und Sparsamkeit immer mit Verzicht in Verbindung gebracht. 1912 veröffentlichte der Naturwissenschaftler Wilhelm Ostwald das Buch „Der energetische Imperativ“, das bis heute als die „Magna Charta“ der grünen Bewusstseinslage gilt. Sein energetischer Imperativ bedeutet verkürzt gesagt: „Weil (fossile) Energie eine endliche Größe darstellt, spare sie!“

Beim Cradle to Cradle-Prinzip, das der Chemiker und Verfahrenstechniker Michael Braungart entwickelt hat, geht es um Verwendung statt Verschwendung und die bewusste Nutzung des Vorhandenen. Damit verbunden ist auch die Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen und Prozessen, die mit der Lust an Eigeninitiative und einem anderen Umgang mit Nachhaltigkeit zusammenhängt. Der ehemalige kalifornische Gouverneur und Schauspieler Arnold Schwarzenegger sagte im Juni 2013 bei einem Besuch der EU-Kommission in Brüssel: Wer auf eine „sexy Weise" Energie sparen wolle, könne das auch mit Whirlpool und Geländewagen tun. Er gab auch gleich ein paar Ratschläge für das Stromsparen ohne Verzicht: „Wenn Sie einen Whirlpool haben wollen, dann nutzen Sie ihn ruhig den ganzen Tag lang, aber bauen sie Solarzellen ein". Es geht hier nicht darum, dass dies mit Mehrkosten verbunden und im Alltag eines „Normalbürgers" nicht einfach umzusetzen ist, sondern im ersten Schritt um ein verändertes Bewusstsein, Nachhaltigkeitsthemen „hipper, flotter, moderner und mehr sexy" zu machen anstatt Schuldgefühle zu verbreiten. Gemeinsam mit Klimaaktivistin Greta Thunberg rief er bei der Klimakonferenz am 28. Mai 2019 in Wien dazu auf, in allen Bereichen des Lebens umzudenken. Veranstalter der Konferenz war die NGO „R20 - Regions of Climate Action“, die Schwarzenegger 2010 gegründet hat. Die Veranstaltung soll vor allem Akteure vernetzen und eine Präsentationsplattform für regionale vorbildliche Beispiele im Klimaschutz sein.

Schwarzenegger unterschied in seiner Ansprache zwischen den Träumern, den Machern und den Zweiflern. Die ersten beiden müssten zusammenarbeiten und den Zweiflern beweisen, dass diese mit ihrer Haltung nur für weitere Probleme sorgten. Er könne nicht nachvollziehen, dass deutsche Autohersteller lieber betrügen würden, statt einen „Elektromotor zu entwickeln, der sich weltweit verkaufen würde wie warme Pfannkuchen“. „Eure Zeit ist bald abgelaufen“, rief er denen zu, die aus seiner Sicht nur den Status quo bewahren wollten. „Ihr könnt den Fortschritt bremsen. (...) Aber wir Träumer und Macher weltweit werden Euch beweisen, dass ihr falsch liegt.“

Es sind vor allem innovative mittelständische Unternehmen, die dem Thema Energie wie Schwarzenegger gern das Attribut „sexy" zuschreiben. Energiekonzerne dagegen werben mit austauschbaren Slogans wie "Mit Energie was unternehmen", "Energie fürs Leben" oder "Die Kraft für neue Wege". Sie bestätigen einmal mehr Walther Rathenaus Erkenntnis, dass eine Klage über die Schärfe des Wettbewerbs „in Wirklichkeit eine Klage über den Mangel an Einfällen" ist. In einem wachsenden Verdrängungswettbewerb, in dem viele konkurrierende Akteure im Spiel sind, stehen schon lange nicht mehr allein technische Daten der Produkte im Vordergrund - die Sorge, „dass die andern auch schauen, wird zum tragenden Lebensgefühl in der Wohlstandsgesellschaft", schreibt Georg Franck bereits 1998 in seinem Entwurf „Ökonomie der Aufmerksamkeit". Heute werden Emotionen, die nicht nur das menschliche Verhalten, sondern auch den Informationseinbehalt beeinflussen, mit verkauft nach dem Motto: „Facts tell - stories sell".

Eine emotionale und unverwechselbare Markeninszenierung findet sich vor allem in der Kosmetik-, Mode- und Automobilbranche. Gerade in diesen Bereichen zeigt sich auch, dass die Konsumfeindlichkeit und Askese-Neigung der alten Nachhaltigkeitsbewegung einem konsumorientierten Lebensstil gewichen sind. Aufgeklärte Konsumenten sind sogar bereit, für Komfort und Wohlbefinden mehr Geld auszugeben, allerdings muss das Produkt auch den versprochenen Mehrwert leisten können. Aber der Stromkunde? Interessiert ihn der Preis einer Kilowattstunde nicht mehr als die Herkunft der Energie? Es kommt hinzu, dass Gleichheit im Angebot auf Kundenseite zu Gleichgültigkeit und auf Anbieterseite nicht selten zu einem ruinösen Preiskampf führt. Es ist für den Business-Experten Hermann Scherer deshalb nicht die Frage, ob sich Unternehmen verändern müssen - die Frage ist, ob sie schnell genug sind. Für ihn gibt es den Wettkampf um die Qualität und den um die Kommunikation der Qualität. Unternehmen werden in Zukunft nur überleben können und überdurchschnittlichen Erfolg haben, wenn sie ihren Kunden neben Qualität auch Exklusivität und Nachhaltigkeit bieten.

Dass es eine enorme Herausforderung ist, ein nicht greifbares Produkt, das niemanden interessiert, in einem gesättigten Markt erfolgreich anzubieten, zeigt das Beispiel der Mader GmbH in Leinfelden-Echterdingen, in dem auch Hermann Scherer den Stecker entdeckt hat, mit dem sich höhere Energien anzapfen lassen. Am Beispiel des Messestandes zeigte sich mit seiner Unterstützung vor einigen Jahren sehr erfolgreich, dass rationale Werbung immer auch emotionalen Treibstoff braucht. So wurde die Präsentation des Kerngeschäfts in einen völlig neuen und überraschenden Kontext gestellt. „Chancen pfeifen nämlich auf Regeln", so Scherer. Wer echte Chancen haben will, passt sich nicht an und orientiert sich am Mittelmaß der Mehrheit. Durchschnitt gewinnt nie.

Am Beispiel dieses Unternehmens zeigt sich allerdings auch, dass ein hoher emotionaler Ansatz einen umso tieferen rationalen Unterbau braucht. Als einziges Unternehmen deutschlandweit deckt es mit seinem Leistungsspektrum die gesamte „Druckluftstrecke" (von der Erzeugung der Druckluft im Kompressor über deren Aufbereitung und Verteilung bis zur Druckluftanwendung, beispielsweise mit Pneumatik-Zylindern) ab. Druckluft ist in vielen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes unverzichtbar. Gleichzeitig ist sie eine der teuersten Energieformen, da nur ca. 5 bis 10 Prozent der eingesetzten Energie in Form von Druckluft tatsächlich genutzt werden. Bestehende Druckluftanlagen sind meist mit den Betrieben mitgewachsene Anlagen, die häufig Stück für Stück erweitert wurden. Da Energie immer teurer wird, steigen auch deren Kosten.

Je nach individueller Kundensituation werden von Mader die betriebswirtschaftlich und ökologisch sinnvollsten Lösungsvarianten erarbeitet. Sie beinhalten die Möglichkeiten zur alternativen Nutzung der erzeugten Energie. Dabei geht es immer um einen langfristigen, ganzheitlichen und prozesshaften Ansatz, denn Einsparungsmaßnahmen allein sind zwar wertvolle und gut gemeinte Initiativen, wirken aber häufig nur kurzfristig. Energie ist kein isoliertes Phänomen - vielmehr muss sie im Zusammenhang mit anderen Faktoren gesehen werden. Für Werner Landhäußer, geschäftsführender Gesellschafter bei Mader, ist die Energiewende ein gelungenes gesellschaftliches Projekt, wenn es für den Einzelnen fassbar wird. Dem Thema mit Sorge zu begegnen, kostet wiederum nur Energie, die sinnvoller in die Entwicklung von Lösungen und in deren Umsetzung investiert ist. Dazu gehört auch ein nachhaltiger emotionaler Markenaufbau, der auch mit wenig Geld funktionieren kann.

Landhäußer ist sich bewusst, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, denen sich auch sein Unternehmen zu stellen hat, ein Umdenken notwendig ist - weg vom reinen Energie-Lieferanten hin zum Energiemanagement-Partner. Denn der Kunde ist heutzutage nicht nur an einem angemessenen Preis interessiert, sondern auch an einer kompetenten Unterstützung im richtigen Umgang mit Energie. Er wandelt sich vom passiven Konsumenten zum aktiven Marktgestalter, wie Philipp Riederle für die neue Generation Y bestätigt: „Wir wollen nicht nur empfangen, wir wollen dabei sein - nicht nur konsumieren, sondern aufgeklärt entscheiden, auch über Informationen und darüber, was uns gefällt und nicht gefällt." Dabei gehören Inhalt und Emotionen zusammen. Dass vor allem mittelständische Unternehmen ihre Produkte und Prozesse sexy machen möchten und dabei im Bereich Marketing und Kommunikation zu Regelbrechern werden, hat auch mit Leidenschaft und Gestaltungsfreude und zu tun, die so viel Energie erzeugen, dass sie - im Gegensatz zu den Regelkonformisten - ihre eigenen Ziele mühelos erreichen und nicht die der anderen.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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