Konflikte mit Kollegen oder Kolleginnen am Arbeitsplatz können belastend sein. - imago images / Westend61
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Macht Ihre Arbeit Sie krank? Wann es Zeit ist, den Job an den Nagel zu hängen

Auf Stress im Job reagieren manche mit psychosomatischen Schmerzen oder Krankheiten. Es gibt schnelle Maßnahmen, die Erleichterung versprechen – aber manchmal hilft nur, die Reißleine zu ziehen.

Berlin. Jeden Tag dasselbe: Sie kommen morgens kaum aus dem Bett und fühlen sich unausgeschlafen. Sie haben Bauch- oder Magenschmerzen – und zwar immer dann, wenn Sie an die Arbeit denken. Kopf- und Rückenschmerzen begleiten Sie häufiger als früher, die Waage zeigt einige Kilo mehr an. Das Gedankenkarussell quält Sie regelmäßig – während der „nächtlichen Depressionsphase“ – nachts ab etwa 2.30 Uhr. Und das Üble daran: Zu dieser Stunde mutet alles viel schlimmer an als es letztendlich tagsüber ist.

Wenn Sie diese Anzeichen bei sich bemerken, sollten Sie sich fragen, warum das so ist. Hören Sie in sich hinein. Liegt es daran, dass Ihr Job Sie zunehmend belastet? Warum sind Sie damit unzufrieden?

Wenn nötig, sollten Sie die Reißleine ziehen und sich beruflich verändern. Aber, ob alles im nächsten Job besser ist? Deshalb aufgepasst: „Wenn es daran liegen sollte, dass das eigene Stressmanagement nicht gut ist, dann kann der nächste Job ebenfalls daneben gehen“, sagt Tim Vahle-Hinz, Professor für Organisations-, Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Psychologischen Hochschule Berlin.

„Und erstmal ist es ratsam, zu schauen, ob sich die Arbeitssituation nicht ändern lässt. Suchen Sie gegebenenfalls das Gespräch mit dem Vorgesetzten oder lassen Sie sich von einem Coach beraten.“ Wenn es eine Chance zur Verbesserung gibt, sollten Sie die nutzen.

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Wer die Situation verbessern will, sollte die Probleme kennen

Dann ist es Zeit, einmal Bilanz zu ziehen und nach Ursachen zu suchen. „Man muss sich fragen, ob die Arbeit noch Spaß macht oder inzwischen langweilt. Ist alles zu monoton geworden und deshalb das Interesse weg? Haben Sie aus diesem Grund Mühe, sich auf Ihre Arbeit zu konzentrieren, was zu Folge hat, dass sich immer wieder Fehler einschleichen?“, so der Arbeitspsychologe Vahle-Hinz.

Auch Konflikte mit Kollegen oder Kolleginnen am Arbeitsplatz können belastend sein, wenn es nicht gelingt, dass die Betroffenen wertschätzend miteinander sprechen und versuchen, im Gespräch ihren Konflikt beizulegen, statt sich gegenseitig abzukanzeln.

Oder müssen Sie zu viele Aufgaben auf einmal bewältigen und werden für die vielen Stunden, die Sie dafür aufwenden, zu schlecht bezahlt? Bleibt die Anerkennung aus und der Vorgesetzte mäkelt nur herum? Powern Sie, weil Ihnen schon vor längerer Zeit eine Beförderung in Aussicht gestellt wurde und nun hält man Sie hin?

Minipausen, große Pausen, freie Tage – Abstand ist wichtig

Natürlich gibt es in jedem Job auch mal kurzzeitig stressige Phasen. Das ist völlig normal. Es sollte nur nicht zum Dauerzustand werden. Zunächst mal geht es darum, strukturelle Veränderungen vorzunehmen. „Sie müssen lernen, besser mit Stress umzugehen. Machen Sie gezielt immer wieder kleine Mikropausen, in denen Sie sich entspannen. Das kann auch heißen, dass man sich in der Küche einen Kaffee holt und zwei Minuten mit jemandem plaudert“, rät Vahle-Hinz. Diese Minipausen kann man auch für Achtsamkeitsübungen nutzen, die zwischendurch entstressen.

„Körper und Gehirn brauchen zwischendurch immer wieder mal Ruhe, müssen mal abschalten können“, sagt er. Ansonsten kann es sein, dass Sie irgendwann im Dauerstress sind. Damit tun Sie nicht nur der eigenen Gesundheit etwas Gutes, sondern sind hinterher auch wieder leistungsfähiger und stressresistenter. „Es ist zudem wichtig, bewusst eine Mittagspause zu machen, in der Sie nicht über die Arbeit, sondern über nicht-berufliche Themen sprechen, die Sie gedanklich entführen und Ihre Stimmung verbessern“, so Vahle-Hinz. So gehe man wieder mit neuem Schwung an die Arbeit.

Burn-out am Arbeitsplatz erkennen

Wenn Sie bei sich oder Kolleginnen und Kollegen die folgenden drei Leitsymptome für einen Burn-out erkennen, sollten Sie hellhörig werden:

Psychische und physische Erschöpfung: Menschen mit einem Burn-out fühlen sich niedergeschlagen, müde und energielos, ausgelaugt und emotional erschöpft. Auch Angstzustände, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit können Anzeichen sein. Zu den körperlichen Symptomen zählen beispielsweise Hörstürze, Brust-, Kopf-, Rücken- und Gliederschmerzen. Auch Magen-Darm-Probleme und Herzbeschwerden werden berichtet.

Entfremdung vom Beruf: Betroffene verändern sich – meist, ohne es selbst zunächst zu merken. Die tägliche Arbeit wird als belastend und frustrierend empfunden. Die Betroffenen reagieren mit wachsender emotionaler Distanz und Abstumpfung auf ihre Aufgaben, Arbeitsbedingungen und auch auf Kolleginnen und Kollegen.

**Sinkende Leistungsfähigkeit:**Menschen, die an einem Burn-out leiden, fehlt es an Kraft, Konzentration und Kreativität. So fällt es ihnen immer schwerer, die gewohnte Leistung zu bringen und einen guten Job zu machen.

Und es sei ratsam, am Wochenende Dinge zu machen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, um zwischendurch abschalten zu können. Minipausen sind nicht nur wichtig, um zu entstressen, sondern auch um längere monotone Aufgaben durchgehend gut zu machen. Wenn möglich, sollte man einfache Arbeiten an jemanden abgeben, der gerade die Zeit dafür hat.

Autonomie und Selbstwirksamkeit wirken Stress entgegen

„Wichtig ist auch, dass Sie die Chance haben, Entscheidungen selbst zu treffen, selbst vorausschauend planen und denken können und nicht nur weisungsbefugt handeln müssen. Dann ist es einfacher, mit stressigen Situationen umzugehen.“ Wer sich langweilt, weil er seit Jahren dasselbe macht, sollte mit seinem Chef oder der Personalabteilung besprechen, ob er einen neuen Aufgabenbereich übernehmen kann.

Wann sollte man doch die Reißleine ziehen und den Job wechseln? „Das ist individuell verschieden“, so Vahle-Hinz. Spätestens aber, wenn Sie in Ihrem Job so im Stress sind, dass Sie, gar keine kurzen Ruhephasen mehr einlegen können, sondern nur noch wie im Hamsterrad rennen. „Es ist ratsam, vor einem Wechsel sicherzustellen, dass die Arbeitssituation im nächsten Job wirklich besser ist. Das braucht eine gewisse Portion Selbstreflexion“, sagt der Berliner Arbeitspsychologe.

Dafür müssen Sie sich aber vorab klarmachen, was im alten Job Ihnen das Leben so schwer gemacht hat. Wie sollte der Job beschaffen sein, damit es Ihnen guttut? Und, wenn Sie es sich finanziell leisten können, dann machen Sie ein paar Wochen Pause, bevor Sie weiterarbeiten, um neue Energie zu tanken. Auch das hilft für einen guten Start.

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