Macht verdirbt den Charakter
Von Dacher Keltner
Von Dacher Keltner
Während meiner langjährigen Arbeit als Verhaltensforscher habe ich ein beunruhigendes Muster entdeckt: Menschen kommen normalerweise aufgrund von Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen an die Macht, die den Interessen anderer Menschen dienen: Dazu gehören Einfühlungsvermögen, Kooperation, Offenheit, Fairness und die Bereitschaft zum Teilen. Doch sobald sie beginnen, ihr Machtgefühl oder ihre privilegierte Position zu genießen, beginnen diese Eigenschaften zu verkümmern. Mächtige Menschen neigen besonders stark zu egoistischem, unhöflichem und unethischem Verhalten. In dieser Hinsicht hat Lord Acton, der berühmte Historiker und Politiker des 19. Jahrhunderts, leider recht: Macht verdirbt tatsächlich den Charakter.
Das Machtparadoxon
Ich habe dieses Phänomen, das ich als "Machtparadoxon" bezeichne, schon bei den verschiedensten Gelegenheiten beobachtet: an Universitäten, im US-Senat, in Sportmannschaften und an vielen Arbeitsplätzen. In all diesen Fällen waren Menschen zunächst aufgrund positiver Charaktereigenschaften erfolgreich gewesen. Je höher sie auf der Karriereleiter emporstiegen, umso mehr ließ ihr Verhalten Integrität vermissen.
Diese Veränderung kann erstaunlich rasch eintreten. In einem meiner Experimente – der "Krümelmonsterstudie" – untersuchte ich Probanden in Dreiergruppen im Labor. In jeder Gruppe wurde nach dem Zufallsprinzip einer der drei Versuchspersonen die Leitung übertragen; dann erteilte ich der Gruppe eine Schreibaufgabe. Nach einer halben Stunde stellte ich einen Teller mit vier frisch gebackenen Keksen (einen für jedes Mitglied des Teams und dazu noch einen Extrakeks) in ihre Mitte. In allen Gruppen nahmen sich die Probanden jeder einen Keks und ließen den letzten aus Höflichkeit auf dem Teller liegen. Die Frage war nun: Wer würde sich noch einen zweiten Keks nehmen, obwohl er wusste, dass die anderen in der Gruppe dann nicht mehr zum Zuge kommen konnten? Fast immer griff derjenige Versuchsteilnehmer, der die Leitung innehatte, ein zweites Mal zu. Außerdem aßen die Führungskräfte öfter mit offenem Mund, schmatzten und ließen die Krümel achtlos auf ihre Kleidung fallen.
Studien zeigen, dass Reichtum und Qualifikation ganz ähnliche Auswirkungen auf unser Verhalten haben. In einem anderen Experiment, das ich zusammen mit Paul Piff von der University of California in Irvine durchführte, beobachteten wir Folgendes: Die Fahrer der billigsten Autos (Dodge Colts, Plymouth Satellites) ließen Fußgängern am Zebrastreifen immer den Vortritt, während die Besitzer von Luxusautos wie BMW oder Mercedes nur in 54 Prozent aller Fälle anhielten; in fast der Hälfte aller Fälle ignorierten sie die Fußgänger und das Gesetz.
Befragungen von Mitarbeitern in 27 Ländern haben ergeben, dass wohlhabende Menschen eher der Meinung sind, man dürfe sich ab und zu ruhig unethisch verhalten, also zum Beispiel Bestechungsgelder annehmen oder bei der Steuererklärung schummeln. Und neue Untersuchungen, die unter der Leitung des kanadischen Wirtschaftswissenschaftlers Danny Miller von der HEC Montréal durchgeführt wurden, zeigen, dass ein Unternehmenschef mit einem MBA sich eher eigennützig verhält, indem er seine persönliche Vergütung erhöht und dadurch das Einkommen seines Unternehmens schmälert, als ein CEO ohne MBA.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eklatante Fälle von Machtmissbrauch (zum Beispiel Jeffrey Skillings Wirtschaftsbetrug bei Enron, die illegalen Bonuszahlungen an Tyco-CEO Dennis Kozlowski, Silvio Berlusconis Bunga-Bunga-Partys und Leona Helmsleys Steuerhinterziehung) lediglich Extrembeispiele für ein Fehlverhalten sind, zu dem Führungskräfte aller Ebenen besonders stark neigen.
Studien haben ergeben, dass Manager, die führende Positionen in einem Unternehmen innehaben, ihren Kollegen dreimal öfter ins Wort fallen, sich bei Besprechungen mit anderen Dingen beschäftigen und am Arbeitsplatz die Stimme erheben oder andere Menschen beleidigen als Manager auf den unteren Stufen der Unternehmenshierarchie. Meine eigenen Untersuchungen zeigen ebenso wie andere Studien, dass Manager, die gerade erst eine führende Position übernommen haben, ganz besonders anfällig für diesen Verlust ihrer positiven Charaktereigenschaften sind.
Das kann weitreichende Konsequenzen haben, denn ein solcher Machtmissbrauch schadet letztendlich dem Ruf dieser Führungskräfte und untergräbt ihre Einflussmöglichkeiten. Außerdem löst dieses Verhalten Stress und Ängste bei den Kollegen aus, beeinträchtigt die Kreativität und Disziplin innerhalb der Gruppe und untergräbt das Engagement und die Leistung der Teamkollegen. In einer Umfrage unter 800 Managern und Mitarbeitern aus 17 verschiedenen Branchen gaben rund 50 Prozent der Befragten zu, als Reaktion auf unhöfliche Behandlung am Arbeitsplatz absichtlich in ihren Bemühungen nachgelassen oder eine schlechtere Arbeitsqualität abgeliefert zu haben.
Wie kann man diesem Machtparadoxon entrinnen? Dazu bedarf es intensiver Selbstbeobachtung und konsequenten Handelns.
Der erste Schritt besteht in einer genauen Selbstbeobachtung. Wenn Sie in eine Führungsrolle aufsteigen, sollten Sie auf die Gefühle achten, die Ihre neue Machtposition in Ihnen auslöst. Verändert sich Ihr Verhalten dadurch? Meine Untersuchungen zeigen, dass Macht uns in eine Art manischen Zustand versetzt: Wir bersten förmlich vor Energie, fühlen uns allmächtig, neigen zu überschwänglichen Reaktionen, sehnen uns nach Belohnungen und haben das Gefühl, über sämtliche Risiken erhaben zu sein. Das macht uns anfällig für rüpelhaftes Verhalten und voreiliges, unethisches Handeln. Aktuellen neurowissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist es in solchen Situationen sinnvoll, sich diese Gedanken und Emotionen ("Heute habe ich das Gefühl, die ganze Welt regieren zu können!") bewusst zu machen. Dadurch können wir bestimmte Regionen in den Frontallappen unseres Gehirns aktivieren, die uns helfen, unsere unbesonnenen Impulse im Zaum zu halten.
Wenn wir Gefühle der Freude und des Selbstvertrauens als solche erkennen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir irrationale Entscheidungen treffen, zu denen diese Emotionen uns inspirieren. Und wenn wir uns bewusst machen, dass wir Frust empfinden (vielleicht weil unsere Mitarbeiter sich nicht so verhalten, wie wir es uns wünschen), werden wir seltener feindselig oder angriffslustig reagieren.
Diese Fähigkeit zur Selbsterkenntnis können Sie durch tägliche Achtsamkeitspraktiken entwickeln. Setzen Sie sich an ein ruhiges, bequemes Plätzchen, atmen Sie tief durch und konzentrieren Sie sich auf das Gefühl des Ein- und Ausatmens, auf Ihre physischen Wahrnehmungen und auf Geräusche oder Dinge, die es in Ihrer Umgebung zu sehen gibt. Studien zeigen, dass es bereits genügt, wenn Sie ein paar Minuten pro Tag für solche Übungen investieren: Dadurch steigt Ihr Konzentrationsvermögen, und ein Gefühl der inneren Ruhe breitet sich in Ihnen aus. Deshalb werden solche Achtsamkeitstechniken mittlerweile in Fortbildungsprogrammen von Unternehmen wie Google, Facebook, Aetna, General Mills, Ford und Goldman Sachs gelehrt.
Außerdem ist es wichtig, über Ihr Handeln und Ihr Benehmen nachzudenken. Fallen Sie Ihren Mitmenschen ins Wort? Tippen Sie auf Ihrem Smartphone herum, statt zuzuhören? Haben Sie schon mal einen Witz oder eine Geschichte erzählt und jemand anderen dadurch in Verlegenheit gebracht oder gedemütigt? Gebrauchen Sie im Büro Kraftausdrücke? Haben Sie das Verdienst, das Ihrem ganzen Team für eine Arbeit zugestanden hätte, schon einmal für sich allein beansprucht? Vergessen Sie immer wieder die Namen Ihrer Kollegen? Geben Sie in letzter Zeit viel mehr Geld aus als früher, oder gehen Sie ungewöhnliche physische Risiken ein?
Wenn Sie mindestens einige dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, sollten Sie das als Frühwarnsignal dafür betrachten, dass Sie sich zu problematischem, arrogantem Machtgehabe hinreißen lassen. Was Ihnen selbst vielleicht völlig harmlos erscheint, kommt bei Ihren Mitarbeitern wahrscheinlich ganz anders an. Ich möchte Ihnen das anhand einer Geschichte verdeutlichen, die ich vor Kurzem über ein Autorenteam eines Kabelfernsehsenders gehört habe. Darin geht es um ein unnötig hierarchisches Vorgehen beim Mittagessen: Die angelieferten belegten Brote wurden den Autoren in der Reihenfolge ihres Dienstalters ausgehändigt. Die Vorgesetzten, die dieses Prozedere nicht korrigierten, haben dadurch mit ziemlicher Sicherheit das kooperative und kreative Potenzial ihres Teams geschmälert. In US-amerikanischen Militärkantinen dagegen wird in genau der umgekehrten Reihenfolge vorgegangen, wie der Ethnograf und Autor Simon Sinek in seinem neuesten Buch "Leaders Eat Last" betont: Dort räumt man nicht dem militärischen Rang den Vorrang ein, sondern erweist den Truppen Respekt.
Egal ob Sie bereits im Begriff sind, dem Machtparadoxon zu erliegen, oder noch nicht – Sie sollten sich auf jeden Fall die positiven Charaktereigenschaften in Erinnerung rufen, die Ihnen zu Ihrem beruflichen Aufstieg verholfen haben, und versuchen, diese weiterhin zu pflegen. Ich konzentriere mich in meinen Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte und andere Menschen, die sich in einer Machtposition befinden, stets auf drei wichtige Charaktereigenschaften: Einfühlungsvermögen, Dankbarkeit und Großzügigkeit. Denn diese Eigenschaften bilden nachweislich das Fundament eines freundlichen, großzügigen Führungsstils – selbst in den gnadenlosesten Branchen.
So haben Leanne ten Brinke, Chris Liu, Sameer Srivastava und ich beispielsweise festgestellt, dass US-Senatoren, die ihre Gesetzentwürfe mit empathischer Mimik und in einfühlsamem Tonfall vorbringen, diese eher durchbekommen als solche, die bei ihren Reden dominant und bedrohlich auftreten. Und die Untersuchungen von Anita Woolley von der Carnegie-Mellon-Universität und Thomas Malone vom MIT zeigen, dass ein Team schwierige analytische Probleme effektiver lösen kann, wenn die Teamkollegen sich gegenseitig auf subtile Weise Verständnis, Engagement und Interesse signalisieren und sich umeinander kümmern.
Auch eine kleine Geste der Dankbarkeit kann sich sehr positiv auswirken. Studien zeigen: Liebesbeziehungen, in denen die beiden Partner in ihren Alltagsgesprächen immer wieder zum Ausdruck bringen, wie wichtig sie einander sind, gehen seltener auseinander. Schüler, denen der Lehrer hin und wieder anerkennend auf die Schulter klopft, wagen sich eher an schwierige Aufgaben heran; und Mitglieder einer neu gebildeten Gruppe, die sich gegenseitig ihre Wertschätzung zeigen, fühlen sich ein paar Monate später stärker miteinander verbunden. Adam Grant von der Wharton School hat festgestellt, dass es sinnvoll ist, sich als Vorgesetzter bei seinen Mitarbeitern zu bedanken: Denn dann sind sie engagierter und produktiver. Und meine eigenen Untersuchungen in Basketballteams, die ich zusammen mit Michael Kraus von der Wharton School durchgeführt habe, zeigen, dass Spieler, die ihre Anerkennung mit physischen Signalen zum Ausdruck bringen (zum Beispiel durch stürmische Umarmungen oder gegenseitiges Abklatschen), ihre Mannschaftskollegen zu besseren Leistungen motivieren, und das Team pro Saison fast zwei Spiele mehr gewinnt. (Das ist nicht nur eine statistisch signifikante Verbesserung, sondern entscheidet oft auch darüber, ob eine Mannschaft ins Ausscheidungsspiel kommt oder nicht.)
Auch mit einfachen Gesten der Großzügigkeit kann man sehr viel bewirken. Studien zeigen, dass Menschen, die sich innerhalb einer Gruppe großzügig verhalten (zum Beispiel indem sie neue Ideen liefern oder ihre Teamkollegen freiwillig bei deren Projekten unterstützen), eher respektiert werden, mehr Einfluss genießen und eher zugetraut wird, eine Führungsrolle zu übernehmen. Mike Norton von der Harvard Business School hat festgestellt, dass Mitarbeiter, denen man die Möglichkeit gibt, einen Teil ihrer Bonuszahlungen für einen guten Zweck zu spenden, zufriedener und produktiver sind.
Vielleicht empfinden Sie es als schwierig, sich konsequent an dieses Ethos der "guten Macht" zu halten, wenn Sie als Chef dafür verantwortlich sind, dass die Arbeit erledigt wird. Aber das ist es nicht. Einfühlungsvermögen, Dankbarkeit und Großzügigkeit sind Eigenschaften, die Sie entwickeln können, indem Sie sich bei jeder passenden Gelegenheit in einfachen sozialen Verhaltensweisen üben: zum Beispiel bei einer Teambesprechung, einem Kundengespräch, einer Verhandlung oder einer 360-Grad-Feedback-Sitzung. Hier ein paar Beispiele:
Stellen Sie bei jedem Gespräch ein bis zwei hilfreiche Fragen und paraphrasieren Sie wichtige Beiträge anderer Menschen
Hören Sie mit Begeisterung zu. Wenden Sie sich Ihrem Gesprächspartner zu, halten Sie Blickkontakt, und bringen Sie Ihr Interesse und Engagement mit entsprechenden Kommentaren oder Lautäußerungen zum Ausdruck
Wenn jemand mit einem Problem zu Ihnen kommt, signalisieren Sie ihm mit Sätzen wie "Das tut mir aber leid" oder "Das ist bestimmt sehr schwer für Sie" Besorgnis und Mitgefühl. Geben Sie keine voreiligen Ratschläge oder Werturteile ab
Nehmen Sie sich vor jeder Besprechung einen Moment Zeit, um über die Person nachzudenken, mit der Sie sich gleich treffen werden. Was spielt sich in ihrem Leben gerade ab?
Arturo Bejar, der technische Direktor von Facebook, gehört zu jenen Führungskräften, die Einfühlungsvermögen zu ihrer absoluten Priorität erhoben haben. Das sieht man zum Beispiel daran, wie er seine Programmierer-, Designer-, Datenspezialisten- und Texterteams führt. Ich habe ihn bei der Arbeit beobachtet und festgestellt, dass seine Konferenzen sich stets um eine Reihe offener Fragen drehen und dass er den Besprechungsteilnehmern immer aufmerksam und nachdenklich zuhört. Er neigt sich dem jeweiligen Sprecher entgegen und schreibt die Ideen sämtlicher Teilnehmer sorgsam auf einen Notizblock. Mit solchen kleinen Gesten der Empathie signalisiert er seinen Mitarbeitern, dass er Verständnis für ihre Anliegen hat und gemeinsam mit ihnen erfolgreich sein möchte.
Machen Sie ein ehrlich gemeintes "Danke schön!" zum festen Bestandteil Ihrer Kommunikation mit anderen Menschen
Schicken Sie Kollegen zeitnah E-Mails oder sonstige Nachrichten, in denen Sie ihnen Ihre Anerkennung für gute Arbeit aussprechen
Geben Sie öffentlich bekannt, welche wertvollen Beiträge einzelne Kollegen für Ihr Team leisten. Das gilt auch für das Hilfspersonal
Bringen Sie Ihre Freude über gemeinsame Erfolge durch passende körperliche Gesten (zum Beispiel Schulterklopfen, Abklatschen) zum Ausdruck
Als Douglas Conant CEO der Campbell Soup Company war, setzte er sich für eine Kultur der Dankbarkeit in seinem Unternehmen ein. Jeden Tag brachten er und seine Vorstandsassistenten fast eine Stunde damit zu, seine E-Mails und das Intranet des Unternehmens nach Meldungen über Mitarbeiter zu durchsuchen, die sich durch besondere Leistungen hervorgetan hatten. Bei diesen Mitarbeitern bedankte Conant sich höchstpersönlich für ihre Beiträge zum Unternehmenserfolg, normalerweise sogar handschriftlich – egal ob es sich dabei um Topmanager oder Wartungspersonal handelte. Eigenen Schätzungen zufolge verfasste Conant mindestens zehn solcher Dankesschreiben pro Tag (insgesamt waren es während seiner zehnjährigen Amtszeit ungefähr 30 000). Oft stellte er hinterher fest, dass seine Mitarbeiter diese Briefchen in ihren Büros aufgehängt hatten. Andere Führungskräfte, die ich beriet und fortbildete, bedienten sich ähnlicher Methoden: Sie bedankten sich mit kleinen Geschenken bei ihren Mitarbeitern, luden sie zu einem guten Mittag- oder Abendessen ein, veranstalteten Mitarbeiter-des-Monats-Feiern und etablierten echte oder virtuelle "Dankbarkeitstafeln", auf denen Kollegen einander für besonders wertvolle Beiträge oder Hilfeleistungen danken konnten.
• Suchen Sie nach Gelegenheiten zu persönlichen Kontakten mit Ihren Mitarbeitern
• Delegieren Sie ein paar wichtige, prestigeträchtige Aufgaben an Mitglieder Ihres Teams
• Gehen Sie großzügig mit Lob um
• Stellen Sie sich nicht allein ins Rampenlicht, sondern teilen Sie sich diese Anerkennung mit allen Mitarbeitern, die zum Erfolg Ihres Teams oder Unternehmens beigetragen haben
In dieser Kunst ist Pete Docter, der Animationsregisseur von Pixar, ein wahrer Meister. Als ich anlässlich des Films "Alles steht Kopf" erstmals mit ihm zusammenarbeitete, interessierte ich mich ganz besonders für ein cineastisches Wunderwerk, das ihm fünf Jahre zuvor gelungen war: nämlich die fertig montierten Szenen zu Beginn des Films "Oben", die zeigen, wie der Held der Geschichte, Carl, ein Mädchen namens Ellie kennenlernt und sich in sie verliebt; wie er dann eine lange, glückliche Ehe mit ihr führt und schließlich erleben muss, dass sie krank wird und stirbt. Als ich ihn fragte, wie er diesen Filmschnitt zustande gebracht habe, antwortete er mit einer umfassenden Aufzählung der 250 Autoren, Animatoren, Schauspieler, Story Artists, Grafiker, Bühnenmaler und -plastiker, Redakteure, Programmierer und Computermodellierer, die gemeinsam mit ihm daran gearbeitet hatten. Und wenn man sich nach dem Kassenschlager "Alles steht Kopf" erkundigt, bekommt man eine ähnliche Antwort zu hören.
Eine andere Führungskraft von Facebook, mit der ich zusammengearbeitet habe, die Produktmanagerin Kelly Winters, teilt ihre Lorbeeren ebenfalls redlich mit ihren Mitarbeitern: Bei Powerpoint-Präsentationen oder Reden vor Reportern über die Erfolge ihres Compassion-Teams erwähnt sie stets auch die Datenanalysten, Ingenieure und Contentspezialisten, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre.
Fazit
Sie können das Machtparadoxon überlisten, indem Sie sich um eine Ethik des Einfühlungsvermögens, der Dankbarkeit und Großzügigkeit bemühen. Damit können Sie nicht nur das Beste aus Ihren Kollegen und Mitarbeitern herausholen, sondern diese gleichzeitig auch zu echtem Kooperationsgeist inspirieren.
Und nicht zuletzt werden auch Sie selbst davon profitieren: Denn dadurch verbessern Sie Ihr Image, sichern sich eine dauerhafte Führungsposition und kommen außerdem in den Genuss der euphorisierenden Wirkung des Dopamins, das Ihr Gehirn ausschüttet, wenn Sie sich für die Interessen Ihrer Mitmenschen einsetzen.
Autor
Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Dekan des Greater Good Science Centers.
© HBP 2018
